Sozialdarwinismus
Sozialdarwinismus ist die Übertragung eines evolutionstheoretischen Konzepts, das Charles Darwin begründet hat, auf gesellschaftliche, politische und institutionelle Verhältnisse, die nicht ausschließlich biologischen – ja nicht einmal vorrangig biologischen – Charakter tragen. Die von Charles Darwin dargelegte Evolutionstheorie der stetigen Entwicklung vom Niederen zum Höheren wird in diesem Sinne auch auf gesellschaftliche Strukturen angewandt. Bedeutende Vertreter waren Ernst Haeckel und Wilhelm Schallmayer.
Inhaltsverzeichnis
Zur Wissenschaftstheorie des Sozialdarwinismus
Aus epistemologischer (= wissenschaftstheoretischer) Sicht verursachen sozialdarwinistische Modelle oftmals Kategorienfehler; das heißt: Sie tendierten dazu, Begriffe eines Sachbereichs (ohne Anpassung der entsprechenden Definition) auf Gegenstände eines anderen Sachbereichs anzuwenden. Problematisch ist dabei besonders das Phänomen der unterschwelligen Argumentation. Das heißt, daß eine beabsichtigte These nicht etwa vorgetragen und begründet wird, sondern daß sie stattdessen mittels metaphorischer Verwendung von hergeholten Termini als mitgemeint oder mitbegründet erscheint. Dieser Argumentationsstil des impliziten Meinens und der unterschwelligen Botschaft, ist die Ursache vielfältiger Erscheinungen von Verworrenheit in politischen, moralischen und sogar auch wissenschaftlichen Debatten.
„Kampf ums Dasein“
Kampf ums Dasein ist unzweifelhaft das Grundgesetz allen Lebens. Wie aber „kämpfen“ Pflanzen? Und warum soll man kulturell verursachte und kulturell vermittelte Verhältnisse unter Menschen biologisch benennen, wenn tatsächlich Denaturierung, Unnatur oder Widernatürlichkeit die hervorstechenden Merkmale gewisser menschlicher und institutionell bestimmter Lebenserscheinungen sind? Eine reflektierte Analyse dieses Zusammenhangs wird systematisch erschwert, wenn an entscheidenden Wendepunkten eines Diskurses (oder an der entscheidenden terminologischen Stelle einer Argumentation) das Schlagwort vom „Kampf ums Dasein“ an die Stelle der Beobachtung tritt, oder wenn dieses Schlagwort womöglich gar als geeignet angesehen wird, eine Beobachtung zu widerlegen.
Die gesellschaftliche Schicklichkeit verlangt, so wenig wie möglich von den tatsächlichen Bedingungen der Rivalität, der Übertölpelung, der Ausnutzung und der Kampfbereitschaft unter Menschen zu sprechen. Diese Schicklichkeit verstärkt dadurch das bezeichnete kategoriale Problem (und erzwingt die Verwendung von Euphemismen). Darüber hinaus aber begünstigt diese Schicklichkeit den dramatischen Effekt, den der Ausdruck „Kampf ums Dasein“ jederzeit hervorzurufen imstande ist, ohne daß ein entsprechend starker Effekt dabei etwa die Reflexion anregen würde.
„Rassenhygiene“
Rassenhygiene ist ein mißverständlicher, ungeeigneter, überholter Begriff, den Alfred Ploetz erfunden hat, um das Wort Eugenik einzudeutschen. Diese Eindeutschung ist deshalb mißlungen, da Alfred Ploetz ja selber keineswegs der Auffassung war, daß Rassenmischung -- aus sich heraus und ohne weiteres -- Erbleiden erzeuge. Tatsächlich hat die Verwirrung der eugenischen Fragestellungen mit Rassenfragen und mit Fragen der völkischen Identität aus einer schwierigen, einer heiklen und herausfordernden Disziplin einen nunmehr gänzlich verquasten, gescheiterten und heute in blanke Unaussprechlichkeit versunkenen Diskurs gemacht. Dieses Unheil wäre zu vermeiden gewesen. Das ältere Unheil der Dekadenz und der Denaturierung (als Zivilisationserscheinungen) ist noch nicht einmal geistig berührt, solange abgegriffene, dysfunktionale und widerlegte Anschauungen eines gescheiterten wissenschaftlichen Konzepts nicht aufgegeben werden.
Selektion, Mutation und differenzielle Reproduktion
Sozialdarwinismus als wohlverstandene Ausrichtung sozialwissenschaftlicher Diskurse, bedeutet mitnichten, daß alles angebliche Niedere nun umgebracht oder ausgemerzt wird. Das ist politisch korrekter Unsinn im Sinne der Umerziehung. Sozialdarwinismus bedeutet konkret die gezielte Förderung des bereits Höherstehenden und dessen Weiterentwicklung sowohl in rassischer, als auch intellektueller Hinsicht, wobei der IQ der Völker aber vorrangig rassisch gebunden ist. Dies kann durch Geburtenförderung und nachfolgende kulturelle Bildung geschehen. Der Sozialdarwinismus steht damit in diametralem Gegensatz zum marxistischen Prinzip bedingungsloser Gleichheit. Er ist keine Form der gewaltsamen physischen Auslese, sondern eine Form der stetigen kulturellen Höherentwicklung in einer stratifizierten Sozialordnung.
Da der Darwinismus jedoch allein die physische Fortentwicklung beschreibt, gab es schon frühzeitig den Hinweis, daß der Begriff des Sozialdarwinismus in Bezug auf die kulturelle und geistige Höherentwicklung mißverständlich sei. Stattdessen wurde der Begriff der Kultur-Lehre vorgeschlagen, der sich jedoch nicht durchsetzte.
- Die Theorie oder das System Nietzsches ist eine mit aller Folgerichtigkeit ausgebildete Form des sog. „Sozialdarwinismus“. Wie schon gesagt wurde, ist nämlich Sozialdarwinismus die Anschauung, daß die Kultur nichts anderes sei als die vollkommen gleichartige Fortsetzung der tierischen Entwicklung und daß daher die Entwicklung der Kultur erklärbar sei durch die Anwendung der Darwinschen Schlagworte vom „Daseinskampf“ und der „Auslese der Starken“ usw. — Aber die Bezeichnung Sozialdarwinismus ist unrichtig und zugleich eine betrübende Undankbarkeit gegen den großen Naturforscher. Denn Darwin selbst war kein Sozialdarwinist. Gerade im Gegenteil. Seinem gewaltigen Geist entging es keineswegs, daß der Kulturfortschritt zum größten Teil auf ganz andern Voraussetzungen beruht als die tierische Entwicklung, und gerade ihm haben wir die positive Grundlegung der Lehre von der Moral zu verdanken.[1]
Francis Galton hielt es für möglich, durch gezielte Eheschließungen innerhalb weniger Generationen die Entwicklung äußerst hochbegabter Menschen zu fördern.
Alfred Ploetz schrieb dazu:
- „Der erste Maßstab des Handelns aller menschlichen Thätigkeit ist die Erhaltung des gesunden, kräftigen, blühenden Lebens.“[2]
Philosophie
Auch in der Philosophie wurde schon lange vor der Entstehung der Darwinschen Evolutionslehre der Gedanke einer Auslese der Besseren immer wieder behandelt. Bereits Plato äußerte sich dazu in seinem fünften Buch der Republik, wo er den Plan zur Vermehrung und Veredelung seiner Kriegerkaste darlegte. Und Arthur Schopenhauer schrieb hierzu:
- „... So werden wir zu der Ansicht hingeleitet, daß eine wirkliche und gründliche Veredelung des Menschengeschlechts, nicht sowohl von außen als von innen, also nicht sowohl durch Lehre und Bildung, als vielmehr auf dem Wege der Generation zu erlangen seyn möchte. [...] Könnte man alle Schurken kastrieren und alle dummen Gänse ins Kloster stecken, den Leuten von edelem Charakter ein ganzes Harem beigeben, und allen Mädchen von Geist und Verstand Männer, und zwar ganze Männer, verschaffen; so würde bald eine Generation erstehn, die ein mehr als Perikleisches Zeitalter darstellte.“[3]
Literatur
- Heiler, Timo: Die Unbestimmtheit des Begriffes „Sozialdarwinismus“: Probleme, Forschungsgeschichte und Nutzanwendung für heutige Gesellschaftstheorien
- Andreas Vonderach: Sozialbiologie. Geschichte und Ergebnisse. [= Berliner Schriften zur Ideologienkunde, Bd. 2] Schnellroda, Institut für Staatspolitik 2012, ISBN 978-3-939869-62-7 [Die umfangreiche „Kommentierte Bibliographie“ darin trägt lexikalischen Charakter] (Bestellmöglichkeit)
- Michael Schwartz: Sozialistische Eugenik. Eugenische Sozialtechnologien in Debatten und Politik der deutschen Sozialdemokratie 1890-1933. — J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 1995, ISBN 3-8012-4066-5