Turkistan
Turkistan (auch: Turkestan[1] oder Türkistan) war die persische Bezeichnung einer nicht fest umrissenen zentralasiatischen Region, die sich vom Kaspischen Meer im Westen bis zur Wüste Gobi im Osten erstreckte. Das Gebiet umfaßte rund 2.500.000 km² und gehört im Wesentlichen heute zu sieben Staaten.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Generalgouvernement Turkestan
Das General-Gouvernement Turkestan (seit 1886 Turkestanskij Kraj) wurde 1868 im Zuge der Eroberung Mittelasiens durch das Russische Kaiserreich errichtet, seine Hauptstadt wurde Taschkent. Die Geschichte des Territoriums überschneidet sich mit der des Generalgouvernements der Steppe, an das es südlich angrenzte. Erster Generalgouverneur war der General der Kaiserlich Russischen Armee Konstantin von Kaufmann. Es bestand bis 1917.
Deutsche in Turkistan
- „Schon an den Eroberungsfeldzügen des 19. Jahrhunderts nahmen viele deutschstämmige Soldaten und Offiziere teil. Der bekannteste von ihnen war der erste Generalgouverneur von Turkestan, Konstantin von Kaufmann (1818-1882), der vom 14. Juli 1867 bis zum 3. Mai 1882, seinem Todestag, regierte. Er hat viel für die Entwicklung und Besiedlung der Region geleistet wie auch einer seiner Nachfolger in dieser Position, Generalleutnant Nikolaj Rosenbach[2] (21. Februar 1884-28. Oktober 1889). Nach ihnen wurden etliche Straßen und Ansiedlungen benannt. Zu den Militärs gehörten die Stabschefs des Militärbezirks Turkestan (Načalnik štaba Turkestanskogo voennogo okruga) Adolf Mosel (5. Mai 1878 -21. Juli 1882) und Guido Richter (17. Juli 1906 - 1. Mai 1910); Vorsitzende der Syr-Darjaer Gebietsverwaltung (Predsedatel’ Syr-Dar’inskogo oblastnogo upravlenija) waren Peter Eiler, Nikolaus Dingelstedt, Sergej Geppener und viele andere.“
- „Bald kamen auch Unternehmer, Händler, Aufkäufer von einheimischen Waren und Rohstoffen nach Mittelasien. Noch 1869 wurde von Nikolaus Grünberg, einem Bürger aus Narwa (Estland), eine kleine Mineralwasserfabrik errichtet. Die erste Molkerei gründete, ebenfalls in Taschkent, Hieronymus Krause, der dann 1880 die erste Privatapotheke in Taschkent eröffnete. Wohl der bekannteste Unternehmer deutscher Abstammung aber war Heinrich Wilhelm Dürrschmidt. Geboren in Deutschland, kam er 1883 mit einem Kapital von 5 000 Rubeln nach Taschkent. Er begann als erster in Turkestan mit dem Ankauf von Därmen und war schon 1910 Besitzer von mehr als 20 Darmreinigungsbetrieben, die sich über ganz Turkestan, darunter auch Chiwa und Buchara, verteilten. Einen Teil seiner Produktion lieferte er nach Deutschland und in andere Länder.“
- „Die Deutschen in Mittelasien bildeten keine einheitliche Gruppe. Es kamen Baltendeutsche, assimilierte oder russifizierte (obrusevšie) Deutsche aus verschiedenen Städten Rußlands, Zugewanderte aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz und schließlich die Bauern-Kolonisten. Die erstgenannten übernahmen vorwiegend Stellungen in der Verwaltung und den Militärbehörden, die Deutschen aus den Städten und dem Ausland (viele von ihnen wurden eingebürgert) ließen sich als Facharbeiter, Lehrer, Ärzte und andere nieder. Die Kolonisten von der Wolga oder aus dem Schwarzmeergebiet gründeten ländliche Siedlungen und Gemeinden und befaßten sich mit Viehzucht und Ackerbau. Das einzige, was die meisten Deutschen vereinte, war die lutherische Kirche (die Mennoniten hatten eigene, in sich geschlossene Gemeinden), jedoch war das Kirchspiel über ein so riesiges Territorium verbreitet, daß man kaum von einer Konsolidierungsrolle der Konfession sprechen kann. Gründe für die Ansiedlung in Turkestan waren umfangreiche Möglichkeiten für Geschäfte und Unternehmen, man konnte gutbezahlte Stellungen bekommen, für die landlosen Bauern bestand Hoffnung auf Landzuteilung. Dem sind noch religiöse Motive (besonders bei den Mennoniten) hinzuzufügen.“
Mennoniten
- „Die ersten deutschen Umsiedler nach Turkestan waren Mennoniten. Aus religiösen Gründen, vor allem wegen ihrer Verweigerung des Militärdienstes, kamen sie 1881 aufgrund einer Vereinbarung mit Generalgouverneur von Kaufmann nach Taschkent, wo 1882 ein Teil von ihnen die vier Dörfer Nikolaipol, Gnadental, Gnadenfeld und Köppental im Kreis Aulie-Ata und ein anderer, kleinerer Teil 1884 die Kolonie Ak-Metsched, nicht weit von Chiwa, gründete. Die Mennoniten im Kreis Aulie-Ata erhielten 13 Desjatinen Land pro Familie, nach anderen Angaben 2057. 1890 wurde von Lutheranern in demselben Kreis die Siedlung Orlowka gegründet. 1891 lebten in diesen fünf Dörfern 514 Personen (auf ungefähr 100 Höfen), die 309 Pferde, 250 Kühe, 1 519 Schafe und 341 Schweine besaßen. 1893 erhielten die deutschen Siedlungen Köppental, Gnadental und Gnadenfeld die Namen Romanowka, Wladimirowka und Andreewka.“
Volkszählung
- „Nach Angaben der Volkszählung lebten 1897 in Taschkent 554 Deutsche, annähernd 400 in Aschchabad, 150 im Gebiet Fergana und 450 im Gebiet Samarkand, 40 im Gebiet Semiretschje - diese nur in den Städten46 -, in Turkestan insgesamt 3 722. Sie verteilten sich auf folgende Berufsgruppen: 812 genügten in Turkestan ihrer Militärpflicht, vorwiegend in den Städten, als Arbeiter waren ungefähr 300 Personen beschäftigt, bei der Eisenbahn 50, in der Metallverarbeitung 40, als Bauarbeiter 33, als Dienstpersonal 140. An Handwerkern gab es mehr als 200: 30 Weber, 36 Schneider, 22 in der Lebensmittelverarbeitung Beschäftigte und andere.“
- „In der Geschichte Mittelasiens dürfen die Vertreter der deutschen Intelligenz nicht vergessen werden: Ärzte, Lehrer, Apotheker, Ingenieure, Wissenschaftler. Zu nennen sind die Namen des bekannten Bibliographen, Geschichtsforschers und Orientalisten Eugen Böttcher (1887-1956), der sein ganzes Leben in Mittelasien verbrachte, oder von Richard Schröder, der als Leiter der turkestanischen landwirtschaftlichen Versuchsstation große Leistungen bei der Entwicklung der Agrarwissenschaft in Turkestan vollbrachte.“
- „In der Stadt Kokand wirkte Charlotte Hamburger als Deutschlehrerin, Dmitrij Rehrberg war Eisenbahningenieur, als Fachleute in den Baumwollreinigungsfabriken betätigten sich Eduard Volkmann und Emil Braun, um nur einige Namen zu nennen.“
- „Vor dem Ersten Weltkrieg lebten in Taschkent 4 200 Deutsche, in Aschchabad 586, in Merw 9651, in Samarkand 378, in Neu-Buchara (Kagan) 2452. Verstreut lebten Deutsche fast in jeder Stadt in Mittelasien. In Taschkent betrug ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung 1,6 Prozent; wenn man nur die europäische Bevölkerung in Rechnung stellt (Russisch-Taschkent), so kommt man auf 5 Prozent. Nicht zufällig eröffnete damals R. Teig an der Romanowsker Straße eine deutsche Bar, in der ‚Spezialbier in Krügen‘ angeboten wurde.“
Turkistanische Legion
Die Turkistanische Legion bestand aus Turkestanern (zuerst ein Bataillon, dann bis 1943 16 Bataillone mit 16.000 Mann), die im Rahmen der Ostlegionen als ausländische Freiwillige der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg dienten und kämpften.
Bewohner (21. Jahrhundert)
Heute leben im Gebiet Turkestans verschiedene Völker:
- Turkmenen
- Uiguren
- Usbeken
- Karakalpaken
- Kasachen
- Kirgisen
- Tataren
- Aserbaidschaner
- Karäim
- Krimtürken
- Turk-Mescheten
- Türken
- Russen
- Ukrainer
- Deutsche
- Koreaner
- Chinesen
- Iranischen Völker
Literatur
- Franziska Torma: Turkestan-Expeditionen – Zur Kulturgeschichte deutscher Forschungsreisen nach Mittelasien (1890-1930), transcript Verlag (2014)[3]
Quelle
- Viktor Krieger: Die Deutschen in Turkestan bis 1917, Markus Verlagsgesellschaft mbH, Köln 1992