Verlag Karl Baedeker
Der Karl Baedeker Verlag ist ein deutscher Verlag, der auf die Publikation der „Baedeker-Reiseführer“ spezialisiert ist. Er gehört heute zur MairDumont-Gruppe mit Sitz in Ostfildern.
Geschichte
Als der junge Buchhändler Karl Baedeker, der einer alten westfälischen Buchdruckerfamilie entstammte, als 26-jähriger im Jahre 1827 seine Vaterstadt Essen verließ, um sich in Koblenz selbstständig zu machen, war Essen eine bescheidene Landstadt von etwa 5.000 Einwohnern (2019: 573.468 Einw.), die einen weltoffenen und unternehmenden Manne keinerlei Aussichten zu bieten schien. Koblenz dagegen war vor fünf Jahren Hauptstadt der Rheinprovinz geworden, war Sitz eines Generalkommandos und hatte eine starke Garnison.
Hier eine gute Buchhandlung zu gründen, mußte Erfolg bringen. Aber Koblenz war außerdem eine Fremdenstadt, Brennpunkt des internationalen Reiseverkehrs, der seit dem Ende des 18. Jahrhunderts auf dem Rhein nach der Schweiz und Italien führte, und gerade im Jahre 1827 eröffnete die Preußisch-Rheinische Dampfschifffahrts–Gesellschaft den ersten regelmäßigen Personenverkehr zwischen Köln und Mainz.
1828 erschien bereits ein bescheidener Führer für die Fahrt: die „Rheinreise von Mainz bis Cöln, Handbuch für schnell Reisende“ des Professors J. A. Klein. Karl Baedeker erwarb den Verlag und machte sich selbst an die Neubearbeitung. Mit klarem Blick erkannte er, worauf es dem Reisenden ankam, und schon die 1835 erschienen zweite Auflage zeigte überall seine bessernde Hand. Karl Baedeker wollte, wie er selbst in seinen Vorworten darlegte, seinen Lesern nicht nur angeben, was sie sehen sollten, sondern es ihm ermöglichen, überall selbstständig hin zu gelangen, und sie so von der kostspieligen Bevormundung durch Fremdenführer oder „Lohnbedienstete“, wie man damals sagte, befreien.
Das war der von ihm zum ersten Male durchgeführte neue Gedanke, der seinen Büchern eine bis dahin nicht gekannte praktische Brauchbarkeit verlieh. Reiseführer hatte es im übrigen schon lange vor Karl Baedeker gegeben, von den handschriftlichen verbreiteten Pilgerführer des Mittelalters über die Rheinbände des deutschen Topographen Martin Zeller im 17. Jahrhundert zu dem seit 1801 in vielen Auflagen erschienen „Passagier“ des
Gothaischen Kriegsrates H.A.O. Reichard, der wiederum den Engländer John Murray anregte, 1836 das erste seiner berühmten „Handbooks“ herauszugeben. Baedeker aber nahm in seine Büchern nichts auf, was er nicht selbst gesehen und erprobt hatte. So weit ging seine Gründlichkeit, daß man in eine Auflage von 1851, wovon der Dampferfahrt von Pola nach Finne die Rede ist, lesen kann:
- „Der Schreiber dieser Zeilen hat die Fahrt bei Nacht gemacht und bedauert, von ihr nichts melden zu können.“
Die erste Eisenbahnfahrt erlebte der allzeit Reiselustige 1838 in Belgien und berichtete darüber an seinen Vater in Essen in einem begeisterten, aber trotzdem charakteristisch fachlichen Brief.
Mit welchem Fleiß er sich seine Kenntnisse „erwanderte“ – ein Ausdruck, für die ihn schon 1862 Grimms Wörterbuch als Beleg anführte –, davon zeigen zahlreiche Notizbücher von seinen alljährlichen Reisen.
In einem liest man z.B. seitenlange Eintragungen, wie er am 14. April 1854 8 Stunden hintereinander und am Tage darauf noch 5,5 Stunden auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise die genaue Lage von Gräbern berühmter Männer feststellte. Auch die ständigen Vermehrung der Karten und Pläne zeigt sein Verständnis für die Bedürfnisse der Reisenden. Die vierte Auflage der „Rheinlande“ (1843) enthielt bereits acht Stadtpläne, die von E. Wagner in Darmstadt angefertigt wurden. So konnten die Handbücher Karl Baedeker die Forderung eine Zeit genug tun, der Eisenbahnen und Dampfschiffe eine große Verbilligung und Zunahme der Reiseverkehrs brachten. 1839 erschien die ebenfalls von ihm selbst verfassten Handtücher „Belgien“ und „Holland“, 1842 „Deutschland und der österreichische Kaiserstaat“, 1844 die „Schweiz“, 1855 sein letztes Werk „Paris und Umgebung“. Bei Karl Baedeker Tode im Jahre 1859 lagen die wichtigsten Bender zum Teil schon in acht bis zehn Auflagen vor.
Seine Söhne setzen das Werk des Vaters fort. Seit 1861 erschien die Italienbände, 1862 „London“, zu dem Karl Baedeker der Jüngere auf einem langen Aufenthalt in England den Grund gelegt hatte. Der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung nach dem Deutsch-Französischen Krieg schuf neue große Möglichkeiten und weitete Ausblicke. Karl und Fritz Deutsch-Französischen Krieg verlegten die Firma 1872 aus der rheinischen Provinzstadt in die Zentrale der deutschen Buchhandels, nach Leipzig, und hier begann eine neue, große Schaffensperiode, an der auch die kartographische Anstalt von H. Wagner & E. Debes ihren ruhmreichen Anteil hatte. Sie war aus Darmstadt nach Leipzig übergesiedelt, nachdem der große Kartograph Ernst Debes ihr Teilhabe und wissenschaftlicher Leiter geworden war. Und lieferte unermüdlich die Hunderte von mustergültigen Karten und Plänen aus aller Welt, mit denen die vielen von nun an neu geschaffenen Baedekerbände ausgestattet wurden.
Da wurde zunächst der Orient in Angriff genommen. 1875 erschien die erste Auflage des Bandes „Palästina und Syrien“, dem die Reisen des hervorragenden Arabisten und Palästinakenner Albert Soein von vornherein auch wissenschaftliche Bedeutung sicherten. Bis zum Ersten Weltkrieg immer wieder neu bearbeitet, auch in englischer und französischer Sprache, erschien er sogar der englischen Heeresleitung so wertvoll, daß sie für den Dienstgebrauch ihrer Truppen an der Palästinafront einen wörtlichen Abdruck herstellen ließ, dessen Vorräte nach dem Krieg vernichtet wurden.
Schon 1877 folgte der Band Ägypten, dessen Grundlagen Karl Baedeker der Jüngere auf eine langen Ägyptenreise gelegt hatte und der durch die wissenschaftliche Arbeit der erste Ägyptologen.
1879 erschien der von Fritz Baedeker bearbeitete Band Schweden und Norwegen zum ersten Male. Fritz Baedeker (1844-1925), den die Universität Leipzig bei ihrer 500jährigen Jubelfeier im Jahre 1909 durch Verleihung der philosophischen Ehrendoktors ausgezeichnete, hat das Verdienst, mit sicherem Sinn für das Wesentliche und für die übersichtliche Gestaltung des mit der fortschreitende Entwicklung immer reicher werdenden Inhalts die Form des modernen Reisehandbuchs durchgebildet zu haben, die auch im Ausland vielfach zum Vorbild genommen wurde.
Unter ihm entstanden viele neue neue Bände: außer Ägypten und Schweden und Norwegen noch Rußland, Griechenland, Kleinasien, Nordamerika, Kanada, Spanien und Portugal, Mittelmeer, Indien.
Er gewann zahlreiche hervorragende Gelehrte als Mitarbeiter, die seinen Büchern ihren Ruf auch in wissenschaftlichen Kreisen sicherten; genannt seien unter vielen anderen die Kunsthistoriker Anton Springer, Carl Justi, die Archäologen Heinrich Nissen, Wilhelm Dörpfeld, Wolfgang Helbig, Christian Hülsen, Walter Amelung, die Geographen Georg Schweinfurth, Heinrich Kiepert, Friedrich Ratzel, Joseph Partsch, Georg Wegener, Norbert Krebs. Immer aber blieb durch die eigene, bis ins kleinste gehende Redaktionsarbeit des Herausgebers das Gleichgewicht des Inhalts und die bewährte Gleichmäßigkeit der Form gewahrt. Immer wieder wurde vor allem durch eigene Reisen des Herausgebers, seine Söhne, und ihre ständigen Mitarbeiter die Zuverlässigkeit der Angaben sichergestellt.
Hand in Hand mit den deutschen Angaben gingen die französischen und englischen; ihre Bearbeiter, englische und französische Akademiker, haben sie, jahrelang unter der Oberleitung Fritz Baedekers und später seiner Söhne, nicht nur übersetzt, sondern sie auch den Bedürfnissen ihrer Landsleute anzupassen gewußt. Nur auf diese Weise ließ sich bei den ausländischen Benutzern Fühlung und Vertrauen gewinnen, die so den von Baedeker stets vertretenen deutschen Standpunkt als wahrhaftig empfinden lernten. Einzelne Bände, wie Großbritannien und Nordamerika, erschien zuerst in englischer Sprache.
Der Erste Weltkrieg hatte die Beziehungen zum Ausland nur unterbrochen. Die meisten alten Mitarbeiter kamen unaufgefordert wieder, aus persönlichen Freundschaft und aus Liebe zu ihrem Beruf. Die buchhändlerischen Vertretung in England nahm ihre Tätigkeit ohne weiteres wieder auf. Mit großen Anstrengungen wurden zahlreiche englische Ausgabe neu bearbeitet und fanden freundliche Aufnahme.
Nach dem Wahlsieg der NSDAP 1933 erwuchs ganz neue Aufgaben Großdeutschland erforderte eine neue Darstellung. Die Rückkehr der Ostmark, die Befreiung des Sudetenlandes und des Memelgebietes, die Errichtung des Protektorat Böhmen und Mähren, neue Landesgrenzen und zahlreiche neue Orts – und Straßennamen, alles forderte gebieterische Berücksichtigung. Vor allen aber war es die gewaltige Umstellung in Verkehrswesen, die stürmische Entwicklung des Autofahrens, der Bau der Reichsautobahnen, alles drängte dazu, daß neue Deutschland auch einmal ganz von der Straße her zu betrachten und den ungeheuren Stoff ein neues Ordnungsgefüge zu geben, daß nur auf den Kraftfahrer zugestimmt war, und zwar auf den, der mehr suchte als zurückgelegte Wegstrecken und hohe Kilometerzahlen. So entstand der neue Autobaedeker für Deutschland. Alle Landesteile wurden neu „erfahren“.[1]
Im Dezember 1943 legte ein Bombenangriff das Leipziger Verlagsgebäude in Schutt und Asche.
Schon drei Jahre nach Kriegsende kam wieder ein erstes kleines Stadtbändchen über Leipzig heraus.
Ein Urenkel des Firmengründers, Karl Friedrich Baedeker (1910–1979), gründete 1948 im holsteinischen Malente eine neue Firma unter altem Namen, die 1956 nach Freiburg im Breisgau umzog. Herausgegeben wurden Stadt- und Regionalführer. 1951 schlossen sich in Stuttgart Karl Friedrich Baedeker und der durch die Herausgabe des Shell-Straßenatlas bekannt gewordene Verleger und Kartograf Kurt Mair (1902–1957) zu „Baedekers Autoführer-Verlag“ zusammen, um praktische Reiseführer für die neue Klientel der Autotouristen zu schaffen – die „Baedekers Shell-Autoführer“ waren geboren. Es folgten große Autoführer über viele europäische Staaten.
Ende der 1960er-Jahre gewann mit den „Neckermann-Reisen“ das Flugzeug als Massentransportmittel allmählich Bedeutung; schon 1968 überstieg die Zahl der Auslandsreisen die derjenigen im Inland. Außerdem wurden kurze Städtetrips beliebt – die Zeit der Autoreiseführer war vorbei. Daher erschien 1974 der erste Baedeker der Nachkriegszeit mit einem Ziel in Übersee: Baedekers „USA“. In Format und Gliederung knüpfte er wieder an die traditionellen roten Reiseführer an. Zwei Jahre zuvor war der Verlag von Stuttgart nach Ostfildern-Kemnat im Kreis Esslingen in das neue Verlagshaus der Mair-Gruppe umgezogen. An der Spitze des Verlags stand schon seit vielen Jahren Dr. Volkmar Mair, der Sohn des 1957 verstorbenen Kurt Mair.
Im Frühjahr 1979 stellte der „Baedeker Autoführer-Verlag“ die neue Baedeker Generation vor: die „Baedeker Allianz Reiseführer“. Sie waren die ersten vierfarbig gedruckten Reiseführer des Verlags, üppig ausgestattet mit vielen Bildern und völlig neuen, ebenfalls vierfarbigen Karten. Damit setzte Baedeker auch in der Optik von Reiseführern neue Maßstäbe. Die Zusammenarbeit mit der Allianz AG erwies sich als ideal: Zwei starke Markennamen und ein überzeugendes Konzept brachten der neuen Serie auf Anhieb einen überwältigenden Auftritt: Baedeker gewann die Marktführerschaft im hochpreisigen Segment und erreichte – mit Übersetzungen in zwischenzeitlich zehn Sprachen – wieder weltweite Geltung. Bis heute sind 160 deutschsprachige Titel herausgebracht worden (zum Vergleich: 1835 bis 1948 waren es 70 neue Titel). Mit der Reihe der „Baedeker Allianz Reiseführer“ hat der Verlag den Erfolg der Anfangsjahrzehnte sogar noch weit übertroffen und ihn 2005 wiederholt mit der sehr aufwendigen grafischen und inhaltlichen Auffrischung der gesamten Reihe. Mit italienischen, englischen, tschechischen und polnischen Ausgaben wird auch der fremdsprachige Markt wieder gezielt erschlossen.
Das Jahr 2013 sieht wieder eine neue Baedeker-Generation: Unter dem Motto „Wissen öffnet Welten“ präsentiert Baedeker umfangreiches Reisewissen und führt als erster Reisführer überhaupt Infografiken ein.
Der Verlag Karl Baedeker ist heute eine 100%ige Tochter von MAIRDUMONT.