Gauß, Carl Friedrich
(Weitergeleitet von Carl Friedrich Gauss)
Johann Carl Friedrich Gauß (latinisiert Carolus Fridericus Gauss; * 30. April 1777 in Braunschweig; † 23. Februar 1855 in Göttingen) war ein deutscher Mathematiker, Astronom, Geodät und Physiker mit einem breit gefächerten Feld an Interessen.
Inhaltsverzeichnis
Wirken
Zu seinem Wirken heißt es:
- Auf stolzere Ahnenreihe als die Chemie konnte die Mathematik sich berufen. Gerade das deutsche Volk hatte so weltweite Geister wie Kopernikus oder Kepler, die ihre Namen ans Himmelsgewölbe schrieben, hervorgebracht. Nun findet dies Erbe in Karl Friedrich Gauß einen neuen Vollender. Auch er steht in der Wende zweier Zeitalter, in denen zwei fremde Gesinnungen sich begegnen: die zweckfremde Arbeit an der reinen Idee trifft mit den neuen Gedanken zusammen, die das Ergebnis das abgehobenen Denkens umsetzen wollen in greifbar klaren Erfolg. Gauß ist beiden Nötigungen in seinem Werke gefolgt. Der Überlieferung war es gemäß, daß er aus reiner Freude an der mathematischen Theorie wichtigste neue Regeln der hohen Rechnung schuf. Doch schon greift herrisch die praktische Zeit hinein in dies stille Werk, als Gauß zusammen mit Weber den Telegraphen erfindet, der kurz danach helfen wird, der Erde einen neuen Lebensrhythmus zu geben.[1]
Namensgeber
Von Gauß entwickelte Methoden oder Ideen, die seinen Namen tragen, sind:
- das gaußsche Eliminationsverfahren zur Diagonalisierung und Invertierung von Matrizen und damit zur Lösung von linearen Gleichungssystemen
- das gaußsche Fehlerfortpflanzungsgesetz
- das gaußsche Fehlerintegral
- der gaußsche Integralsatz, auch Satz von Gauß-Ostrogradski oder Divergenzsatz genannt, in der Vektoranalysis
- das gaußsche Gesetz in der Elektrostatik
- die gaußsche Krümmung in der Differentialgeometrie
- die gaußsche Osterformel, zur Berechnung des Osterdatums
- die gaußsche Wochentagsformel, zur Berechnung eines Wochentages anhand eines Datums
- die gaußsche Trapezformel, zur Berechnung einer Fläche aus Koordinaten durch Zerlegung in Dreiecke bzw. Trapeze
- das gaußsche Prinzip des kleinsten Zwanges in der Mechanik
- die gaußschen Quadraturformeln, numerisches Integrations-Verfahren (siehe auch Gauß-Quadratur)
- die Stützpunkte bei der Gauß-Quadratur (z. B. Gauß-Legendre-Integration) heißen Gaußpunkte
- die gaußsche Normalverteilung, auch gaußsche Glockenkurve genannt (die Glockenkurve schmückte, neben dem Portrait von Carl Friedrich Gauß platziert, von 1989 bis 2001 die 10-DM-Banknote der Bundesrepublik Deutschland)
- die gaußschen Zahlen, eine Erweiterung der ganzen Zahlen auf die komplexen Zahlen
- die gaußsche Zahlenebene als geometrische Deutung der Menge der komplexen Zahlen
- die Gaußklammer, eine Funktion, die Zahlen auf die nächstkleinere ganze Zahl abrundet
- der Gauß-Prozess, ein stochastischer Prozess
- das Lemma von Gauß, ein Schritt in einem seiner Beweise des quadratischen Reziprozitätsgesetzes
- Der kleine Gauß: Addition einer Reihe (gaußsche Summenformel)
Methoden und Ideen, die teilweise auf seinen Arbeiten beruhen, sind:
- der Satz von Gauß-Bonnet in der Differentialgeometrie
- das Gauß-Elling-Verfahren, ein Verfahren zur Flächenberechnung nach Koordinaten
- der Gauß-Jordan-Algorithmus, eine Weiterentwicklung des gaußschen Eliminationsverfahrens
- das Gauß-Krüger-Koordinatensystem und die Gauß-Krüger-Projektion
- das Gauß-Markow-Theorem über die Existenz eines BLUE-Schätzers in linearen Modellen
- die gaußsche Optik, eine mathematische Beschreibung der Ausbreitung von Laserlicht
- das Gauß-Newton-Verfahren, ein Verfahren zur Lösung nichtlinearer Gleichungen
- das Gauß-Seidel-Verfahren, ein Verfahren zur Lösung von linearen Gleichungssystemen
- das Gaußgewehr, Geschütz, das ein ferromagnetisches Projektil mittels (Elektro-)Magneten beschleunigt, ähnlich Linearmotor
Zu seinen Ehren benannt sind:
- Wissenschaft und Technik
- das Gauß, die veraltete cgs-Einheit der magnetischen Flussdichte im gaußschen Einheitensystem
- das Gaußsche Einheitensystem
- mehrere Forschungsschiffe, siehe Gauss (Schiff)
- der Gauß-Lehrstuhl an der Georg-August-Universität Göttingen
- die Carl-Friedrich-Gauß-Fakultät für Mathematik, Informatik, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der TU Braunschweig
- Natur
- der Gaußberg im Kaiser-Wilhelm-II.-Land in der Antarktis
- der Mondkrater Gauß
- der Asteroid Gaussia
- Gebäude
- der Gaußturm auf dem Hohen Hagen bei Dransfeld
- ca. zehn Schulen in Deutschland und weitere weltweit
- das Gauß IT Zentrum der TU Braunschweig
- Software
- Ehrungen
- die Carl-Friedrich-Gauß-Medaille der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft
- die Gauß-Medaille in verschiedenen Ausführungen von 1977 der Akademie der Wissenschaften der DDR, die an verdiente Wissenschaftler verliehen wurde
- die festliche Gauß-Vorlesung der Deutschen Mathematiker-Vereinigung zu Facetten der Mathematik aus historischer und aktueller Perspektive (einmal pro Semester seit 2001 an wechselndem Ort)[2]
Schriften
- Demonstratio nova theorematis omnem functionem algebraicam rationalem integram unius variabilis in factores reales primi vel secundi gradus resolvi posse (Neuer Beweis des Satzes, dass jede algebraische rationale ganze Funktion einer Veränderlichen in reelle Faktoren des ersten oder zweiten Grades zerlegt werden kann), C. G. Fleckeisen, Helmstadii (Helmstedt) 1799 (lateinisch; Doktorarbeit über den Fundamentalsatz der Algebra; bei der HU Berlin: [1]; auch in Gauß: Werke. Band 3, S. 3–30: [2], [3], [4])
- Disquisitiones Arithmeticae (Arithmetische Untersuchungen), Gerhard Fleischer jun., Lipsiae (Leipzig) 1801 (lateinisch; auch Gauß: Werke. Band 1, zweiter Abdruck: [5])
- Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium (Theorie der Bewegung der Himmelskörper, die in Kegelschnitten die Sonne umlaufen), F. Perthes und I. H. Besser, Hamburgi (Hamburg) 1809 (lateinisch; auch in Gauß: Werke. Band 7, S. 1–261)
- Disquisitiones generales circa seriem infinitam <math>1 + \tfrac{\alpha\beta}{1.\gamma} x + \tfrac{\alpha(\alpha+1) \beta(\beta+1)}{1\ .\ 2\ .\ \gamma(\gamma+1)} xx + \tfrac{\alpha(\alpha+1)(\alpha+2) \beta(\beta+1)(\beta+2)}{1\ .\ 2\ .\ 3\ .\ \gamma(\gamma+1)(\gamma+2)} x^3 +</math> etc. Pars I (Allgemeine Untersuchungen über die unendliche Reihe 1+… Teil I; 30. Januar 1812), Commentationes Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis recentiores 2 (classis mathematicae), 1813, S. 3–46 (lateinisch; auch in Gauß: Werke. Band 3, S. 123–162: [6], [7], [8])
- Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae (Theorie der den kleinsten Fehlern unterworfenen Kombination der Beobachtungen), Commentationes Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis recentiores 5 (classis mathematicae), 1823, und Dieterich, Gottingae (Göttingen) 1823 (lateinisch; bei Google Books: [9])
- Pars prior (Erster Teil; 15. Februar 1821), S. 33–62 (auch in Gauß: Werke. Band 4, S. 3–26)
- Pars posterior (Zweiter Teil; 2. Februar 1823), S. 63–90 (auch in Gauß: Werke. Band 4, S. 27–53)
- Supplementum theoriae combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae (Ergänzung zur Theorie der den kleinsten Fehlern unterworfenen Kombination der Beobachtungen; 16. September 1826), Commentationes Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis recentiores 6 (classis mathematicae), 1828, S. 57–98 (lateinisch; auch in Gauß: Werke. Band 4, S. 55–93)
- Disquisitiones generales circa superficies curvas (Allgemeine Untersuchungen über gekrümmte Flächen; 8. Oktober 1827), Commentationes Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis recentiores 6 (classis mathematicae), 1828, S. 99–146, und Dieterich, Gottingae (Göttingen) 1828 (lateinisch, mit dem Theorema egregium auf S. 120 oder S. 24; bei Google Books: [10]; auch in Gauß: Werke. Band 4, S. 219–258)
- Principia generalia theoriae figurae fluidorum in statu aequilibrii (Allgemeine Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten im Zustand des Gleichgewichts; 28. September 1829), Commentationes Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis recentiores 7 (classis mathematicae), 1832, S. 39–88, und Dieterich, Gottingae (Göttingen) 1830 (lateinisch; bei Google Books: [11]; auch in Gauß: Werke. Band 5, S. 31–77: [12])
- mit Wilhelm Weber (Hrsg.): Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1836–1841, Weidmannsche Buchhandlung, Leipzig 1837–1843 (bei Google Books: 1836–1838, 1839–1841)
- mit Wilhelm Weber (Hrsg.): Atlas des Erdmagnetismus. Nach den Elementen der Theorie entworfen, Weidmann’sche Buchhandlung, Leipzig 1840 (bei Google Books: [13]; auch in Gauß: Werke. Band 12, S. 335–408)
- Dioptrische Untersuchungen (10. Dezember 1840), Abhandlungen der Mathematischen Classe der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 1, 1843, S. 1–34 (bei Google Books: [14]), und Dieterich, Göttingen 1841 (bei Gallica: [15]; auch in Gauß: Werke. Band 5, S. 245–276: [16])
- Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodaesie. Erste Abhandlung (23. Oktober 1843), Abhandlungen der Mathematischen Classe der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen 2, 1845, S. 3–34 (auch in Gauß: Werke. Band 4, S. 261–290)
- Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodäsie. Zweite Abhandlung (1. September 1846), Abhandlungen der Mathematischen Classe der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen 3, 1847, S. 3–35 (auch in Gauß: Werke. Band 4, S. 303–334)
Denkmäler
- Statue für Braunschweig (Inselwall/Schubertstraße), 1880, nach Entwurf von Fritz Schaper, ausgeführt von Hermann Heinrich Howaldt.
- Gauß-Weber-Denkmal in Göttingen, das Gauß zusammen mit Wilhelm Weber zeigt.
- Drei Göttinger Gedenktafeln.
- Gauß-Denkmal in Berlin (Kriegsverlust, nicht erneuert)
- Auf der „10 DM“-Banknote der vierten Serie der Deutschen Mark ist eine Abbildung Gauß’ zusammen mit einer Darstellung der Glockenkurve und wichtiger Gebäude Göttingens zu finden. An ihn erinnern ebenso zwei Sondermünzen, die 1977 aus Anlass seines 200. Geburtstages in der Bundesrepublik Deutschland (5 DM) und in der DDR (20 M) herausgegeben wurden.
- In Deutschland erinnern drei Briefmarken an Gauß: 1955 gab die Deutsche Bundespost aus Anlass seines 100. Todestages eine 10-Pf-Briefmarke heraus; 1977 erinnerte die DDR mit einer 20-Pf-Briefmarke an den 200. Geburtstag, ebenso die Deutsche Bundespost mit einer 40-Pf-Briefmarke
- Gedenktafel am Standort des Geburtshauses Wilhelmstraße 30 in Braunschweig.
- Gaußstein oberhalb der Ruine von Burg Lichtenberg bei Salzgitter-Lichtenberg
- Am 12. September 2007 wurde eine von Georg Arfmann geschaffene Gauß-Büste in der Gedenkstätte Walhalla enthüllt.[3]
Bildnisse
Von Gauß gibt es relativ viele Bildnisse, unter anderem:
- 17?? Silhouette aus den Jugendjahren
- 1803 Portrait (Ölgemälde) von Johann Christian August Schwarz (1755/56–1814)[4]
- 1810 Büste von Friedrich Künkler
- 18?? Zeichnung von Johann Benedict Listing (1808–1882)
- 1828 Lithographie von Siegfried Detlev Bendixen (1786–1864)
- 1840 Ölgemälde des dänischen Malers Christian Albrecht Jensen. Ort: Sternwarte Pulkowa in St. Petersburg
- 18?? Lithographie von Eduard Ritmüller (1805–1869) Gauss auf der Terrasse der Göttinger Sternwarte
- 1850 Altersbildnis 1 (Stahlstich?)
- 1854 Altersbildnis 2 (Stahlstich?)
- 1855 Daguerreotypie auf dem Totenbett von Philipp Petri (1800–1868)
- 1887 Kopie des Portraits von Jensen (1840) von Gottlieb Biermann. Ort: Hörsaal der Göttinger Sternwarte
Literatur
- Hans Schimank: Gauß und Weber, in: Willy Andreas / Wilhelm von Scholz (Hg.): Die Großen Deutschen. Neue Deutsche Biographie. Propyläen Verlag, Berlin, 4 Bde. 1935–1937, 1 Ergänzungsbd. 1943; Dritter Band, S. 266–279
Fußnoten
Kategorien:
- Deutscher Physiker
- Deutscher Mathematiker
- Hochschullehrer (Georg-August-Universität Göttingen)
- Deutscher Hochschullehrer
- Träger des Pour le Mérite (Friedensklasse)
- Träger des Bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst
- Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
- Mitglied der Königlich-Niederländischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglied der American Academy of Arts and Sciences
- Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglied der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften
- Träger der Copley Medal
- Walhalla-Genosse
- Ehrenbürger von Göttingen
- Ehrenbürger von Braunschweig
- Geboren 1777
- Gestorben 1855