Demiurg

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Demiurg (altgr. δημιουργός dēmiourgós[1] „Werkmeister“, „Bildner“, „Handwerker“) ist bei Platon die Bezeichnung des höchsten Gottes, in der Kosmologie der Gnostiker der von dem höchsten Gott unterschiedene (fragwürdige) Schöpfer der mit Fehlern behafteten Sinnenwelt, dem somit — wie der materiellen Welt insgesamt — die Sünde anhaftet. Immer wieder wurde er daher mit dem Judengott (Jahwe, Jehovah) identifiziert oder als bösartiger Weltbildner beschrieben.

Zur Wortgeschichte

In der ältesten Ständeverfassung Attikas wurden die Gewerbetreibenden, im Gegensatz zu den Eupatriden (dem Adel: Εὐπατρίδαι Eupatridai) und Geomoren (den Landbauern) als Demiurgen bezeichnet, zu ihnen wurden die Ärzte und Künstler gerechnet. In einigen peloponnesischen Staaten sowie in Thessalien hießen Demiurgen die Mitglieder der höchsten Regierungsbehörde.

Der ungnädige und bösartige Gott

Der Demiurg setzte die reinen Ideen Gottes als Bauplan der Welt fehlerhaft um und verunreinigte somit jene. Damit entstand das Böse. Die Gnostiker setzten daraufhin den bösen demiurgischen Gott mit dem Gott des Alten Testaments gleich, der, bei einseitiger Bevorzugung eines einzigen Volkes, die Menschen im Zustand der Unkenntnis in der materiellen Welt belasse und ihre Versuche, Wissen und Einsicht zu erlangen, bestrafe.

Die Meinung, daß der höchste Gott als reiner Geist mit der Materie in überhaupt gar keine Berührung zu treten vermöge, war eine jahrtausendelang (ganz unabhängig von der christlichen Dogmatik) wirksame religiöse Idee. Sie führte zur Annahme eines untergeordneten, geistig und sittlich beschränkten Mittelwesens, das in Verbindung mit den seiner Herrschaft untergebenen Planetengeistern aus dem Chaos die Körperwelt geschaffen habe.

Am reifsten ausgebildet erscheint die Lehre vom Demiurgos bei den Valentinianern. Bei den christlichen Kirchenvätern wird zuweilen auch der Logos als Demiurg bezeichnet, sofern er als Organ Gottes bei der Weltschöpfung gedacht wurde.

Die „Urgeschichte aller Dissidenz“

In seiner Einleitung des ersten Bandes der „Weltrevolution der Seele“, dem einschlägigen „Lese- und Arbeitsbuch der Gnosis von der Spätantike bis zur Gegenwart“ schildert Peter Sloterdijk das Demiurg-Konzept (von der totalen Verworfenheit der Materie) als archaische Keimzelle, worin die „Urgeschichte aller Dissidenz“ studiert werden kann. Diese Anthologie aus den frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts spannt die ganz große Folie, vor der zunächst einmal die christliche Glaubens- und Dogmengeschichte klare Konturen gewinnt, die aber auch allen späteren gegenchristlichen, manichäischen, erleuchteten und entsagenden Formen religiöser Opposition einen gut hörbaren Grundbaß aus den Anfängen der Schriftlichkeit beiklingen läßt. Sloterdijk schreibt wörtlich:

Man wird diese Texte [die Gnosis-Quellen aus Nag Hammadi] — eine Mixtur aus alternativen Evangelien und apokryphen Traktaten — auch künftig lesen wie verlorene Briefe an die Nachwelt, wie eine Flaschenpost im Sand, wie Geheimpapiere des Weltgeistes, versteckt vor den Drohungen der christlichen Zensur, versehen mit dem unsichtbaren Vermerk: »aufbewahren für alle Zeiten«. Ihr Studium gehört in den Lehrplan derer, die dem aktuellen Stand von Weltkrieg und Weltkrise auch historisch auf den Grund gehen wollen. In den Originalschriften der Gnostiker meinen wir endlich an die Urgeschichte aller Dissidenz zu rühren; in ihnen liegen die Spuren der metaphysischen Revolte offen. Die »Vollkommenen« der Wüste hatten den Weltungehorsam bis zum Ende erprobt — bis zum Bruch mit allem, was ans Gegebene und Bestehende bindet. Bei ihrer Sezession vom Seienden überhaupt, stellten sich die Autoren von Nag Hammadi zusammen mit ihren ersten Lesern in ein phantastisches Abseits, links von der Schöpfung, fern von den Mächten des Kosmos, in die Fülle des Nichts an Welt und Wirklichkeit. [2]

Literatur

  • Peter Sloterdijk / Thomas H. Macho (Hgg.): Weltrevolution der Seele. Ein Lese- und Arbeitsbuch der Gnosis von der Spätantike bis zur Gegenwart; 2 Bände, Artemis & Winkler Verlag, München/Zürich 1991, ISBN 3-7608-1055-1 [Dieses ehrgeizige Werk ist selbst dissident, insofern es die europäische philosophische Literatur zum Gegenstand absichtlich übergewichtet, gegenüber der orientalisch-religiösen Literatur. So erscheint etwa auch der Erz-Pessimist Emile Michel Cioran in dieser großen Anthologie flugs als Gnostiker.]

Verweise

Siehe auch

Fußnoten

  1. Wortzusammensetzung aus demos (Volk) und ergos (Tätigkeit)
  2. Peter Sloterdijk / Thomas H. Macho (Hgg.): Weltrevolution der Seele. Ein Lese- und Arbeitsbuch der Gnosis von der Spätantike bis zur Gegenwart; 2 Bände, Artemis & Winkler Verlag, München/Zürich 1991, ISBN 3-7608-1055-1, S.19