Deutschlands Ehre (Gedicht)

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„Deutschlands Ehre“ ist ein 1793 entstandenes Gedicht von Johann Gottfried Herder,[1] der sich nach Reichsherrlichkeit sehnte und das Ehrenhafte des Vaterlandes pries, aber doch wehmütig erkannte, daß das Heilige Römische Reich Deutscher Nation am Scheideweg der Geschichte stand.

Text

Deutschlands Ehre
Welchen Helden und Mann des Vaterlandes
Willst Du singen, o Saitenspiel, das Orpheus
Einst in Hainen empfing? Ihm lauschten horchend
Felsen und Haine;
Ströme standen im Lauf; die Stürme senkten
Ihre Schwingen; die Eichen und der Eichen
Harte Kinder erstaunten seinem süßen,
Hohen Gesange.
Sing' ich Jenen zuerst, der Rom's gewalt'ge,
Strenge Bande zerriß? O traure, Deutschland!
Siegen konnte Dein Hermann, aber Deine
Siege nicht sichern.
Neid durchbohrte den Retter seines Volkes;
Den kein Römer bezwang, bezwangen Deutschlands
Fürsten. Trauriges Spiel! Sie drängten Heere
Ueber die Welt aus,
Bis von deutschem Gebein die Welt bedeckt lag,
Longobarden, Alanen, Gothen, Sueven;
Großer Dieterich, Du auch liegst begraben
Jenseit der Alpen!
Soll ich singen den Mann, der Deutschland würgte,
Oder taufete; den der Römerbischof,
Der den Bischof in Rom zum Herrn der Welt log?
Leyer, o nenne
Nicht den Franken und seines Stammes Keinen!
Laß die Inful[2] ihn preisen, der sie schmückte.
Heinrich singe mein Lied! vom Vogelherde
Zog er zum Sieg aus,
Deutschlands Mauer und Deutschlands Städtestifter;
Er verachtete Roma's Zauberkrone,
Der sein ganzes Geschlecht erlag. Erliegen
Seh' ich der Kaiser
Mächt'ge Reihen. Der Arno, Po und Tiber
Strömt germanisches Blut; der Jordan wälzet
Deutsche Leichen – und Deutschlands Fürsten rauben
Unter einander.
Keinen nenne, mein Lied! Die Edlen nenne,
Die vom Baume der Weisheit uns einst Zweiglein
Brachten – Friederich, Dich, den Erst- und Zweiten!
Glänzende Sterne,
Warum sanket Ihr? Ach, warum erblaßte
Conradin? Das vergossne Blut der Edlen
Ruft gen Himmel und netzt den Römerpurpur,
Nimmer vertrocknend.
Gute Fürsten (o, wäre Fürstengüte
G'nug, zu retten die Welt!), Ihr Maximili-
ane, hinter den Geiern, zwo geliebte
Friedliche Tauben –
Leyer, singe sie nicht! Den Adler preise,
Der mit mächtigen Klau'n die Hyder faßte,
Luther singe der Welt, und vor und mit ihm
Viele verfolgte
Weisen! Süßer Melanchthon, Du vor Allen,
Du, der glühenden Sonne sanfter Folger,
In still wachsendem Glanz; so strahlet Luna
Unter den Sternen.
Eure Namen, die Ihr die Welt umfaßtet,
Eure Namen, Copernikus und Keppler,
Stehn am Himmel; und mit den zwei'n ein dritter
Güldener Name,
Leibnitz. Manche der Edeln möcht' ich nennen,
Lambert, Haller und Kleist und Nathan-Lessing,
Auch den Lebenden, der am Belt den Rand maß
Aller Gedanken.
Aber schweige, mein Lied, bis einst die Sonne
Neu aufglänzet; sie ging mit König Friedrich
Unter; singe Du dann den Mann und Helden
Neuer Geschlechter!
Der, wenn Jupiter hoch am Himmel donnert
Und mit Blitzen die Lüfte reinigt, unten,
Nur ein Hirte, regiert, der Menschenbrüder
Vater und Wächter.

Verweise

Fußnoten

  1. Zu lesen im Dritten Buch von „Werke. Erster Theil. Gedichte“, herausgegeben von Heinrich Düntzer im Hempel-Verlag, Berlin 1879, S. 195-197.
  2. Altrömische weiße Stirnbinde der Priester und der kaiserlichen Statthalter.