Phantomzeit

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Karl der Große, eine der bedeutendsten Gestalten der abendländischen Geschichte, gilt nach der Phantomzeit-Theorie nur als eine erfundene historische Persönlichkeit. Nach offizieller Geschichtsschreibung überquerte Karl der Große im frühen Mittelalter mehrmals mit Truppen die Alpen, was einem Hannibal beim Höchststand antiker Technologie zuvor einmal gelang.

Das sogenannte Erfundene Mittelalter (auch Phantomzeit) ist eine von Heribert Illig seit den 1990er Jahren neu fundierte und in der akademischen Forschung entrüstet abgelehnte Theorie, nach der etwa 300 Jahre des europäischen Mittelalters, beginnend mit dem 7. Jahrhundert, eine reine Erfindung sind. So soll auf das Jahr 614 chronologisch das Jahr 911 gefolgt sein. Der Volksschullehrer und Schriftsteller Wilhelm Kammeier (1889–1959) ist jedoch der Urheber der These vom „erfundenen Mittelalter“, die er in den 1920er Jahren entwickelte und 1935 in Buchform veröffentlichte. Sein Hauptargument besteht in der Beobachtung, daß frühmittelalterliche Quellen oftmals nur dem einzigen Zweck dienten, einen Eigentumstitel zu fälschen und sich als Raubritter oder Tributbischof in den Besitz von Wasserquellen, Wäldern oder Erzminen zu bringen. Die akademische Forschung bestätigt, daß es sich bei frühmittelalterlichen Pergamenten in auffallend großer Zahl um Fälschungen handelt.

Chronologiekritik in der internationalen Diskussion

Die Chronologie des Mittelalters müsse, den vielgelesenen Ausführungen Heribert Illigs zufolge, korrigiert werden, da die Zeit zwischen Chlodwig I. und Otto dem Großen lediglich ein Phantasieprodukt sei. Personen wie Karl der Große, andere Karolinger oder Karl III. der Einfältige hätten demnach nie existiert oder seien zeitlich anders einzuordnen.

Ebenso seien die Wikinger und ihre Überfälle auf das Festland eine spätmittelalterliche Erscheinung, die normannische Geschichte auf dem Festland beginne erst 911. Hans-Ulrich Niemitz schloß sich der Grundthese an und gab dem mutmaßlich erfundenen Zeitraum die Bezeichnung Phantomzeit. Führende Vertreter der Mittelalterforschung bezeichnen die Theorie der Phantomzeit jedoch als unhaltbar. Mit den aufgestellten Thesen befassen sich daher in der BRD fast nur Dissidenten. Der akademisch höchstrangige (= aufgrund seiner weiteren Arbeiten zuvor schon meistzitierte) Wissenschaftler, der der Phantomzeit-These zuneigt und an sie andere Arbeiten zur Korrektur historischer Zeitachsen hinzufügte, ist Gunnar Heinsohn.

International ist die Diskussion zu Fragen der Zeitfälschung weitaus weniger eng gefaßt, und sie ist auch nicht von dem empörten Schicklichkeitsgehabe bestimmt, das für öffentliche Debatten in der BRD so typisch ist, sondern engagiert-kritisch. Chronologiekritik ist ein wesentliches Thema des stets nötigen – und in jeder Generation ja auch unabweislich geleisteten – Geschichtsrevisionismus. Allein in der BRD tun Akademiker und ihre tagespublizistischen Mitläufer so, als sei das, was an Universitäten gelehrt werde, unantastbar, während in der Realität genau umgekehrt universitäre Lehren weitaus stärker im Wandel begriffen sind als alle religiösen, gewerkschaftlich-politischen oder anderen Auffassungen, die seit dem vorletzten Jahrhundert (oder sogar seit dem Beginn der Neuzeit) ständig wiederholt werden.

Die heute weltweit meistdiskutierten Forscher zum Themenkomplex Zeitfälschung/Chronologiekritik sind, aufgrund des langwährenden Niedergangs der freien Rede im deutschen Sprachraum, der russische Psychoanalytiker Immanuel Velikovsky (1895–1979) und der russische Mathematiker (der Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften ist) Anatoli Fomenko (Lebensrune.png 1945).

Argumente für die Theorie der Phantomzeit

Wesentliche Argumente liefert die Technikgeschichte (am Beispiel der Steigbügel und der Bautechnik, etwa im Falle der Aachener Pfalzkapelle). Ein zentrales Argument Illigs ist der Übergang vom julianischen zum gregorianischen Kalender, bei welchem (seinen Berechnungen zufolge) eine falsche Zahl von Pantomtagen im Kalender fortgelassen wurde. Grundlegend wichtig ist das Wissen darum, daß im frühen Mittelalter die sonst überwältigend vorhandenen Alltagsschriften (Kaufverträge, Gerichtsurteile, Testamente, Nekrologe) fast vollständig fehlen. Geschichtsschreibung zum frühen Mittelalter ist daher – anders als bei jeder anderen Epoche – auf einzelne wenige Chroniken angewiesen, die ausschließlich von Hagiographen zu dynastischen, politischen und dogmatischen Zwecken abgefaßt wurden.

„Chronologiekritikern wie Heribert Illig wird oft entgegengehalten, die Existenz des Islam beziehungsweise der islamischen Zeitrechnung sei ein absolut unwiderlegbarer Beweis dafür, daß die These vom ‚Erfundenen Mittelalter‘ nicht stimmen könne, denn in dem mit Europa aufs engste verflochtenen Kulturraum des Nahen Ostens gäbe es keine ‚Phantomzeit‘ zwischen 614 und 911 nach christlicher Zeitrechnung. Dem widerspricht Illig jetzt aber in seinem Hausblatt Zeitensprünge (1/2013), indem er mit einiger sachlicher Berechtigung darauf verweist, wie wenig gesichert unser Wissen über die Frühzeit des Islam sei, was wiederum erlaube, die These zu formulieren, daß es sich bei Mohammeds Übersiedlung von Mekka nach Medina im Jahre 622, welche den Nullpunkt der islamischen Zeitrechnung bilde, um ein rein fiktives Ereignis handele. Dabei stützt er sich in seiner Argumentation auf den Kreis der kritischen Islamwissenschaftler um Karl-Heinz Ohlig, der schon seit längerem die Geschichtlichkeit der Person des Propheten anzweifelt. Jedenfalls, so Illig, ermögliche das Fehlen eines stringenten Geschichtsverlaufes in der älteren arabisch-islamischen Welt, die Omayyaden ins 6. Jahrhundert und die nachfolgenden Abbasiden ins 10. Jahrhundert zu versetzen, womit sich ebenfalls drei Phantomjahrhunderte ergäben.“[1]

Argumente wider die Theorie der Phantomzeit

Die Theorie kann jedoch nicht erklären, wie es möglich gewesen sein soll, 300 Jahre Geschichte zu erfinden, ohne daß es dabei zu Konflikten mit der Geschichtsschreibung anderer Völker, etwa der Araber oder der Mauren in Spanien, die in den umstrittenen Jahrhunderten das Westgotenreich eroberten, kommen kann. Es muß in umfangreichem Maße gepfuscht und zurechtgemacht worden sein bei der Synchronisation mongolischer, arabischer, persischer und chinesischer Geschichte zur Geschichte der katholischen Länder. Es stellt sich die Frage, ob die vielen juristisch motivierten mittalalterlichen Fälschungen über frühe oder erste Eigentumstitel sich tatsächlich zur Großfälschung eines ganzen Zeitalters haben auswachsen können.

Mittels der astronomischen Überlieferung aus verschiedenen Gebieten müßte eine Lücke von mehreren Jahrhunderten eigentlich ausgeschlossen werden können. Der Halleysche Komet etwa wurde seit dem Altertum immer wieder in regelmäßigen Abständen gesichtet. Auch im Falle dieser Einwände kehrt jedoch das Problem der prekären (und für das frühe Mittelalter sehr dünnen) Überlieferungslage wieder.

Verarbeitung in der Literatur

Der deutsche Autor Oliver Henkel fühlte sich durch die Theorie der Phantomzeit zu seinem Erstlingsroman „Die Zeitmaschine Karls des Großen“ (2001) inspiriert. Dort werden die 300 umstrittenen Jahre zwar als wirklich angesehen, durch eine Veränderung der Zeitlinie wird jedoch aufgrund des Fortbestandes des Weströmischen Reiches die geschichtliche Bedeutung des Frankenreiches nichtig. In Henkels drittem Roman „Im Jahre Ragnarök“ (2009) findet sich zudem eine deutliche Anspielung auf die Phantomzeit: Als die SS dort ihre Zeitreisen plant, meint an einer Stelle einer der Mitarbeiter, daß es bisher aus unbekannten Gründen nicht möglich sei, den Zeitraum von 614 bis 911 auszuwählen und fügt hinzu, man könnte glatt den Eindruck bekommen, diese Jahre habe es nie gegeben.

Siehe auch

Literatur

  • Wilhelm Kammeier:
    • Die Fälschung der deutschen Geschichte, Adolf Klein Verlag, Leipzig 1935
    • Neue Beweise für die Fälschung der Deutschen Geschichte, Adolf Klein Verlag, Leipzig 1936
    • Die Wahrheit über die Geschichte des Spätmittelalters, 1936
    • Die Fälschung der Geschichte des Urchristentums, Verlag für ganzheitliche Forschung, Wobbenbühl 1982 (posthum), ISBN 3-922314-03-1
  • Heribert Illig:
    • Das erfundene Mittelalter, Econ Verlag, 1996 (PDF-Datei)
    • Wer hat an der Uhr gedreht? Wie 300 Jahre Mittelalter erfunden wurden, Econ Taschenbuch Verlag, München ³2000, ISBN 3-612-26561-X
    • Aachen ohne Karl den Großen – Technik stürzt sein Reich ins Nichts, Mantis-Verlag, Gräfelfing 2011, ISBN 978-3928852432 (Bestellmöglichkeit)
    • Des Kaisers leeres Bücherbrett. Wer bewahrte das antike Erbe? Mantis-Verlag, Gräfelfing 2017, ISBN 978-3-928852-51-7 [293 S.]
  • Hans-Erdmann Korth:
    • Der größte Irrtum der Weltgeschichte. Von Isaac Newton 1689 entdeckt – bis heute unvorstellbar, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2013, ISBN 978-3-95488-494-0
  • Uwe Topper:
    • Zeitfälschung. Es begann mit der Renaissance. Das neue Bild der Geschichtsschreibung, Herbig, München 2003, ISBN 3-776-62348-9
    • Das Jahrkreuz. Sprünge im Verlauf der Zeit (495 Seiten, 150 zum Teil farbige Abbildungen); Hohenrain Verlag, Tübingen 2016, ISBN 978-3-89180-154-3
    • Kalendersprung, Grabert Verlag, Tübingen 2006
  • Reinhard Schmoeckel:
    • Deutschlands unbekannte Jahrhunderte. Geheimnisse aus dem Frühmittelalter, Lindenbaum Verlag, 2012, ISBN 978-3938176412

Verweise

Fußnoten