Exegese
Exegese (altgr. ἐξήγησις exḗgēsis = „das Erklären“, „Auslegung“) bedeutet, im eigentlichen Sinne, das Interpretieren, Auslegen, Vermitteln und Erklären eines Textes. Der Exeget (lat. soviel wie „Interpret“) ist somit zunächst ein (gelehrter) Schriftausleger.
Im besonderen wird der Begriff heute jedoch im Zusammenhang mit der Auslegung religiöser, namentlich biblischer Texte (→ Buchreligionen) verwendet. Diese – fast ausnahmslos von Theologen betriebene – Bibelexegese (Exegetik, biblische Exegese) erhebt den Anspruch wissenschaftlicher Geltung: ihrer äußeren Form nach zu Recht, als hierzu zunächst möglichst umfassende Kenntnisse der Sprachen, in welcher die Bibel abgefasst ist, der Geschichte und des häuslichen, bürgerlichen und religiösen Lebens des Zeitalters, in welches die Abfassung derselben fällt, gefordert (und gelegentlich auch erfüllt) sind; ihrer Motivation und ihres Inhalts nach jedoch meist zu Unrecht, da die zugrunde liegende Prämisse allen biblischen Exegesierens vorwiegend religiös (christlich), mithin also nicht im eigentlichen Sinne frei und vorurteilslos, und somit nicht wissenschaftlich motiviert ist. Das heißt, die hierfür unerläßliche, notwendig unvoreingenommene Betrachtung fehlt nahezu allen biblischen Exegeten, welche statt dessen – als conditio sine qua non all ihrer Untersuchungen – dem Dogma von der Bibel als „heiliger Schrift“ mehr oder minder anhängen.
Geschichte
In den ersten fünf Jahrhunderten n. d. Z. blühte die Exegese durch die Griechen Origenes, Chrysostomus, Theodoret, Diodorus von Tarsus und den Lateiner Hieronymus.
Im Mittelalter hatte man neben den Catenae, „Ketten“, d. h. Sammelwerken aus exegetischen Schriften der Kirchenväter, einen Beda, Alkuin, Thomas von Aquin, Bonaventura, Hugo de Sancto Caro, Paulus Burgensis und viele andere. Durch die mit Petrarca und Boccaccio beginnende Wiederaufnahme des Studiums der Antike und durch die Reformation kam der durchgreifendste Unterschied der Exegese, nämlich der der alten offenbarungsgläubigen Exegese, welche die Mitteilungen der kanonischen Bücher als unmittelbare Eingebungen des heiligen Geistes und die Kirche als erklärende Autorität betrachtet, und der neuen vernunftorientierteren Exegese, welche die Bibel zwar als einzige Glaubensquelle, dabei aber – trotz II Petr. 1, 20, 21 – die Vernunft jedes Einzelnen als erste und letzte Instanz in Sachen des Glaubens gelten lassen will.