Frakturschrift

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Die Frakturschrift (auch Deutsche Schrift, fälschlicherweise auch oft Gotische Schrift oder Altdeutsch) ist eine gebrochene (Druck-)Schrift (Bruchschrift) und im engeren Sinn eine bestimmte Abart der gotischen Schrift, die durch eine eckige, gebrochene Linienführung und meist auch mit gewundenen und abschwellenden Linien bei Anfangsbuchstaben gekennzeichnet ist. Sie war die offizielle Amtsschrift mancher deutscher Staaten, z. B. des Deutschen Reiches. Auch andere Länder verwendeten die Schrift, in Deutschland hielt sie sich jedoch am längsten, weshalb man sie auch als „deutsche Schrift“ bezeichnete. Vorgänger der Fraktur ist die karolingische Minuskel.

Die Fraktur- oder deutsche Schrift wurde 1941 trotz erheblichen Widerstandes von Adolf Hitler als Amtsschrift des Deutschen Reiches abgeschafft, an ihre Stelle trat die Antiqua-Normalschrift, der Beschluß wird bis heute befolgt.

Fraktur vor 1941

Schriftarten in Europa um 1900
Übersicht über Unterschiede bei gebrochenen Schriften
Ähnlich aussehende Buchstaben in der deutschen Schrift
Gedenkmarsch 2009 zur Bombardierung Chemitz': Den dort gezeigten Nationalisten war offensichtlich nicht bekannt, daß ch in der deutschen Schrift eine Ligatur darstellt und somit nicht getrennt geschrieben werden kann.
Alle in der deutschen Schrift vorkommenden Ligaturen

Die Frakturschrift erschien im Buchdruck zuerst in verschiedenen Unterarten in Drucken Hans Schönspergers um 1513. Die endgültige Fassung erhielt sie durch Hieronymus Andreä Formschneider, der sie unter den Augen Albrecht Dürers neben vier anderen Fassungen nach Vorlagen des Schreibmeisters Johann Neudörfer schnitt. Der erste Druck erschien 1522. Seit Ende des 18. Jahrhunderts entstand als eine damals und im 20. Jahrhundert wieder viel gebrauchte Abart der eigentlichen Fraktur die Ungerfraktur. Besonders nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Fraktur von der Antiqua stark zurückgedrängt.

Drittes Reich

Im Dritten Reich wurde sie für deutsche Texte jedoch wieder stark bevorzugt, bis sie am 1. September 1941 auf Anweisung Hitlers abgeschafft und an ihrer Stelle die Antiqua als „deutsche Normalschrift“ eingeführt wurde. Der Grund für die Abschaffung ist heute nicht bekannt, der offizielle Grund war die angebliche jüdische Herkunft der Lettern, die im Schreiben als „Schwabacher Judenlettern“ bezeichnet wurden. Ein möglicher Grund ist, daß Hitler selbst das deutsche Mittelalter, in dem die Schrift aufkam, als zu christlich orientiert ablehnte und die Antike als Vorbild nahm, was sich besonders in der Kunst zeigte. Möglicherweise wollte Hitler auch die Schrift in Europa nach Ende des Krieges vereinheitlicht haben. Auf einer Kulturtagung der NSDAP äußerte er sich bereits in seiner Rede vom 5. September 1934 zur deutschen Schrift folgendermaßen:

„Zum zweiten aber muß der nationalsozialistische Staat sich verwahren gegen das plötzliche Auftauchen jener Rückwärtse, die meinen, eine 'teutsche Kunst' aus der krausen Welt ihrer eigenen romantischen Vorstellungen der nationalsozialistischen Revolution als verpflichtendes Erbteil für die Zukunft mitgeben zu können … Eure vermeintliche gotische Verinnerlichung paßt schlecht in das Zeitalter von Stahl und Eisen, Glas und Beton, von Frauenschönheit und Männerkraft, von hochgehobenem Haupt und trotzigem Sinn. Was tausend Jahre lang gefesselt wurde, wird zum Heile und zur Gesundheit unseres Volkes und der anderen frei.“[1]

Und Ende 1941, in Hoffnung auf einen erfolgreichen Ausgang des Krieges, erläuterte er:

Unsere Sprache wird in hundert Jahren die europäische Sprache sein. Die Länder des Ostens, des Nordens wie des Westens werden, um sich mit uns verständigen zu können, unsere Sprache lernen. Die Voraussetzung dafür: An die Stelle der gotisch genannten Schrift tritt die Schrift, welche wir bisher die lateinische Schrift nannten und jetzt Normalschrift heißen. Wir sehen jetzt, wie gut es war, daß wir uns im Herbst vorigen Jahres zu diesem Schritt entschlossen haben. Für einen, der Russisch lernen wollte – wir tun es nicht –, bedeutete allein schon die Fremdheit der Buchstaben Mühsal! Ich glaube dabei, daß wir mit der sogenannten gotischen Schrift nicht etwas verlieren, was uns eigentümlich ist. Die nordischen Runen gleichen doch viel mehr den griechischen Schriftzeichen. Warum sollen barocke Schnörkel gerade der Ausdruck des Deutschen sein![2]

Lage nach 1941

Entwicklung

Nach 1941 ging die Verwendung der Frakturschrift stark zurück, die Normalschrift setzte sich durch.

Mit der Besetzung des Deutschen Reiches 1945 führte der Feind sofort eine Postzensur ein. Unter den vielen Zensurregelungen war auch ein Verbot der Verwendung der Deutschen Schrift. Dafür gab es ein einleuchtendes Argument: Die alliierten Postschnüffler konnten die deutsche Schrift schlecht oder gar nicht lesen, daher war es einfacher, die Antiqua festzusetzen. Auf dieser Tatsache basiert auch der Irrglaube, die Fraktur sei durch die Alliierten endgültig als Zeichen der NS-Ideologie verboten worden.

Auffällig ist, daß nach Kriegsende viele Bücher plötzlich wieder in Fraktur gesetzt auf den Markt gebracht wurden, und noch bis in die 1960er Jahre wurden viele Bücher in Fraktur gehalten. Auch die Kirchen bestanden noch lange Zeit auf die Verwendung der Frakturschrift. Heutzutage trifft man die deutsche Schrift noch auf Produktverpackungen und Hausinschriften an, wobei zu beobachten ist, daß die Frakturregeln oftmals nicht beachtet werden. Interessanterweise war die Frakturschrift in der DDR deutlich verbreiteter als in der Bundesrepublik, so fanden sich in der DDR noch einige Straßenschilder in Fraktur gesetzt, und auch die FDJ verwendete die Schrift noch eine Weile.

Vorurteile

Die deutsche Schrift wird von den meisten als antiquiert und schwerer lesbar angesehen. Forschungen belegen jedoch, daß Menschen, die Antiqua und Fraktur fließend lesen können, in Fraktur gesetzte Texte aufgrund der Form der Buchstaben deutlich schneller und besser lesen können. Dies hängt damit zusammen, daß die Fraktur eine „gewachsene“ Schrift ist, die durch diverse Abänderungen besser als die Antiqua für das Lesevermögen geeignet ist.

Ein Grund für die angeblich schlechtere Lesbarkeit ist, daß die Buchstaben „G“ und „E“, „N“ und „R“, „k“ und „t“, „h“ und „y“, „x“ und „r“, „f“ und „s“ für Leute, die bisher keine Erfahrung damit gemacht haben, leicht zu verwechseln sind. Mit der Zeit stellt dies allerdings kein Problem mehr dar. Meist ist es der mangelnde Wille, die Schrift erlernen und lesen zu wollen, an dem es scheitert.

Politisierung

Seit den 1970er Jahren wurde die Schrift in den Medien als „NS-Schrift“ und politisch motiviert dargestellt, was mit den Tatsachen nicht übereinstimmt, da Hitler selbst die Schrift nie wirklich gemocht (und schließlich auch abgeschafft) hatte und Schrift zudem grundsätzlich unpolitisch ist.

Oftmals werden auch in Zeitschriften wie dem „Stern“ bei Berichten über die NPD oder „Rechtsextremismus“ manche Wörter in den Überschriften in Fraktur gesetzt, was die Lüge über diese Schrift noch mehr fördert.

Gerne benutzen aber auch Nationalisten die deutsche Schrift, wobei viele – wie man an diversen CD-Veröffentlichungen oder Transparenten sehen kann – die dafür notwendigen Regeln nicht beherrschen und die deutsche Schrift somit entstellen (→ Falsche Frakturschrift).

Sowohl die Presse als auch deutsche Nationalisten haben somit dazu beigetragen, daß diese Schrift in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals mit negativen Assoziationen verknüpft wird.

Digitalisierung

Im Zuge des Aufkommens der neuen Medien ist es auch möglich geworden, die deutsche Schrift am Rechner zu verwenden, im Weltnetz lassen sich verschiedenste Schriftarten dazu finden. Oft beinhalten diese aber nicht alle notwendigen Sonderzeichen, womit ein ordungsgemäßes Setzen der Schrift nicht möglich ist, hinzu kommt, daß viele Anwender keine Kenntnisse der Fraktur-Regeln haben und somit lieblos Antiqua-Buchstaben durch Fraktur-Buchstaben ersetzen. Dabei geht jedoch die Vielfalt der Fraktur vollkommen verloren.

Frakturregeln

Die deutsche Schrift unterscheidet sich von der lateinischen nicht nur im äußeren Bild, sondern auch durch einige Besonderheiten, z. B. das lange s und die Zwangsligaturen.

Die Zwangsligaturen sind ch, ck und tz. Das ß gilt als eigener Buchstabe. Die Zwangsligaturen werden im gesperrten Schriftsatz nicht mitgesperrt, sondern bleiben zusammen.

Im Fraktursatz wird unterschieden zwischen dem langen s (ſ) und dem runden s (s). Folgende Regeln sind bei der Verwendung der deutschen Schrift zu beachten:

  • 1. Für lateinisches s steht in der deutschen Schrift in der Regel das ſ: ſein, ſtehen, ſpitz, Häuſer, Haſt, Kiſte, Erbſe, Knoſpe, Iſlam, grauſig, Waſſer, riſſig.
  • 2. Nur wenn eine Art Wortschluß vorliegt, steht statt ſ ein Schluß-s. Im einzelnen erkennt man am Schluß-s:
  • 2.1 den Schluß eines Wortes: Haus, des, Vaters, Reis;
  • 2.2 die Wortfuge (das heißt: den Schluß eines sonst selbständigen Teilwortes; nach dem Schluß-s beginnt ein neues sonst selbständiges Teilwort): Hauserker, Amtschef, Arbeitsamt, Geburtstag; AUCH: Ausſicht, weisſagen, Hausſegen, dasſelbe;
  • 2.3 die Nachsilbenfuge (das heißt: nach dem Schluß-s kommt eine mit einem Mitlaut beginnende Nachsilbe): Mäuschen, Wachstum, lesbar, grauslich, Realismus

Das lange s im Antiquasatz

Spezielle Verwendung des langen „s“ im sonst „langes s“-losen Antiquasatz: „ſs“ als Ersatz für „ß“

Bis ins 18./19. Jahrhundert war es auch in den Antiquaschriften üblich, das Lang-s zu verwenden. Seitdem ist sein Gebrauch in lateinischen Schriften nicht mehr verbreitet und wird teilweise als störend empfunden. In den deutschen Schriften ist sein Gebrauch aber ein Muß. In manchen Schriften wurde aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts statt „ß“ in Antiquatexten „ſs“ geschrieben.

Anmerkungen zum Abschluß-s:

1. Das Schluß-s kann nie am Anfang eines Wortes oder einer Silbe stehen.

2. Es können niemals mehrere Schluß-s aufeinanderfolgen. Falsch: dass, er muss, Flussschifffahrt, Herr Weiss, Frau Straussberger, du musst usw.

Richtig: daſs, muſs, Fluſsſchifffahrt, Herr Weiſs, Frau Strauſsberger, du muſſt usw.

Organisationen

Der Bund für deutsche Schrift und Sprache setzt sich sowohl für den Erhalt der Frakturschrift als auch der deutschen Schreibschrift in Deutschland ein. Seine Vierteljahrschrift ist je nach Ausgabe in verschiedenen Frakturdrucksätzen gedruckt.

Siehe auch

Literatur

  • Dietrich Kiewel / Inghild Stölting: Wir lesen deutsche Schrift. Ein Arbeitsheft zum selbständigen Lesenlernen der deutschen Schrift. Orion-Heimreiter, Kiel 2000, ISBN 978-3890930213

Verweise

Fußnoten

  1. zitiert in: Julius Streicher: Reichstagung in Nürnberg 1934, S. 167f.; auch zitiert in: Offizieller Bericht über den Verlauf des Reichsparteitages mit sämtlichen Reden: Der Kongreß zu Nürnberg von 5. bis 10. Sept. 1934, Franz Eher-Verlag 1936
  2. In: Monologe im Führerhauptquartier – die Aufzeichnungen Heinrich Heims, herausgegeben von Werner Jochmann, Wilhelm Heyne Verlag, München 1980, ISBN 3-453-01600-9 (Aufzeichnung vom 2. November 1941, Seite 124)