Freikörperkultur

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Unter Freikörperkultur (FKK) auch Nacktkultur, Naturismus, Nudismus verstehen wir die kommunale Nacktheit einer Gruppe von Menschen. Diese Nacktheit zielt darauf ab, (Selbst-) Achtung und Ehrfurcht für Mensch und Natur zu schaffen und zu fördern.

Geschichte

Freikörperkultur und Waldgängertum der Wandervogelbewegung

Den ersten Anschub bekam die Freikörperkultur wohl durch den in Rostock lehrenden Prof. Dr. Samuel Gottlieb Vogel (1750–1837). Als Leibarzt von Friedrich Franz I. und Initiator zur Gründung des ersten deutschen Seebades forderte er: „Im Bade sind die Badekleider nicht anzuraten, denn sie inhibieren den Nutzen desselben!“ Von ihm stammt auch folgende Feststellung: „Daß das Baden in der See unfruchtbare Weiber fruchtbar mache, kann zwar dadurch nicht bewiesen werden, daß manches Frauenzimmer dieser Art von Seebadeorten geschwängert zurückkommt, wovon es in Engelland Beyspiele genug geben soll, indessen ist gar nicht zu bezweifeln, daß es Ursachen der weiblichen, so wie in der männlichen Impotenz gibt, welche durch das Baden in der See gehoben werden.“

FKK-Pioniere

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Ein Pionier der Freikörperkultur in Deutschland war Heinrich Pudor.

Lebensreformbewegung

Um 1900 fordert die Lebensreformbewegung eine Erneuerung der gesamten Lebensführung (Ernährung, Kleidung, Wohnung, Gesundheits- und Körperpflege). In Anknüpfung an medizinisch-naturheilkundliche Konzepte, die seit Ende des 18. Jahrhunderts dem unbekleideten „Baden in Licht, Luft und Sonne“ eine besondere gesundheitsfördernde Wirkung zuschreiben, wird der nackte Körper als natürlichster Ausdruck der Körperlichkeit, wiederentdeckt. Die Verfechter der Nacktkultur (der Begriff Freikörperkultur wird erst nach dem Erster Weltkrieg gebräuchlich) werten Nacktheit zur eigentlichen sittlichen und 'natürlichen' Lebensweise auf. Den Vorwurf ihrer Gegner, gegen Moral und „gute Sitten" zu verstoßen, kehren sie damit offensiv um. Praktizierte Nacktheit propagieren sie als Mittel der „Befreiung von einer krankmachenden Lebensweise in einer kranken Gesellschaft“.

Nacktkultur versteht sich als ein umfassendes gesellschaftspolitisches Konzept, das Gesellschaftsveränderung durch Selbstreform anstrebt. Bestandteile der Nacktkulturideologie sind die Verpflichtung zu einer naturgemäßen Lebensweise (Vegetarismus, Abstinenz, Mäßigung) und eugenische und rassenhygienische Vorstellungen zur „Formung eines gesunden Volkskörpers“. In der Praxis wird Nacktkultur größtenteils nach Geschlechtern getrennt und nicht völlig entblößt betrieben - Männer tragen die „Sonnenbadehose“, Frauen das „Luftbadekleid“. Nur in wenigen Vereinigungen wird der radikale Schritt zur gemeinsamen Nacktheit beider Geschlechter getan.

Weimarer Republik

Seit Beginn der Weimarer Republik kann die FKK-Bewegung zunehmend offensiv agieren. Zahlreiche Vereine entstehen, die das gesamte politische Spektrum der Weimarer Republik widerspiegeln und unterschiedliche Konzeptionen von FKK verfechten. Eine umfangreiche Publizistik propagiert, von Verboten und Zensur weitgehend unbehelligt, die Ziele der Freikörperkultur. FKK wird zu einer Massenbewegung, die am Ende der Republik circa 100.000 organisierte Anhänger zählt. Neben reichsweiten FKK-Verbänden mit ihren Ortsgruppen und den lokalen Vereinen entsteht eine touristische Infrastruktur, die auch nicht organisierten FKK-Anhängern Möglichkeiten für Freizeit- und Urlaubsaufenthalte im „Lichtkleid“ bietet.

Drittes Reich

Nach dem Wahlsieg der NSDAP wird die FKK-Bewegung per Erlaß nominell verboten. Das Verbot betrifft vor allem die kommunistischen und sexistischen FKK-Vereine. Die meisten bürgerlichen FKK-Vereine schließen sich nach Ausschluß derjenigen Mitglieder, die fortan als „Nicht-Arier“ und/oder als politische Gegner des Nationalsozialismus gelten, im „Kampfring für völkische Freikörperkultur“ (ab 1934 „Bund für Leibeszucht“) zusammen.

Weltanschaulich betont der „Bund“ von Anfang an seinen besonderen Beitrag für die „rassische, gesundheitliche und sittliche Hebung der Volkskraft“. Aber erst mit der verstärkten Aufmerksamkeit für Körperertüchtigung im Zusammenhang mit der angestrebten Wehrhaftmachung des deutschen Volkes nach den vom Ausland abgelehnten Abrüstungsvorschlägen Hitlers ab 1935 wird FKK zunehmend durch staatliche und parteiamtliche Stellen anerkannt und gefördert. Besondere Unterstützung und Wertschätzung erfährt die FKK durch die Allgemeine SS, die auf persönliche Initiative Himmlers die Weiterarbeit des „Bunds für Leibeszucht“ bis zum Frühjahr 1945 ermöglicht.

Nachkriegszeit

Nach dem Verbot des „Bunds für Leibeszucht“ durch die Alliierten werden in den westlichen Besatzungszonen FKK-Vereine ab 1946 nach und nach wieder zugelassen. In den ersten Jahren der BRD verbleibt die FKK im gesellschaftlichen Abseits. Das repressive Klima der Ära Adenauer äußert sich unter anderem im rigorosen Kampf gegen „Schmutz und Schund" und jede Form von Nacktheit.

Erst mit dem fundamentalen Wandel im Umgang mit Nacktheit in Medien und Alltagspraxis gewinnt FKK ab Mitte der 1960er Jahre eine bislang ungeahnte gesellschaftliche Akzeptanz. FKK wird nun zu einer unorganisierten Massenbewegung. Sie wird zunehmend nicht nur als Urlaubsvergnügen praktiziert, sondern erobert sich als sommerliche Freizeitbetätigung zunehmend Räume in den Naherholungsgebieten und städtischen Grünanlagen jenseits der für FKK freigegebenen Gelände. In der organisierten FKK-Bewegung werden die lebensreformerischen Positionen des alten Nudismus weitgehend marginalisiert. Die Vorstellungen von FKK als einer umfassenden Lebensweise mit kultur- und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen werden durch ein Selbstverständnis als gesundes, gemeinschaftsförderndes Freizeitvergnügen zur Familienerholung und sportlichen Betätigung ohne weiterreichenden Anspruch ersetzt.

In der DDR entwickelt sich FKK zu einer Massenbewegung, die alle Altersgruppen und Bevölkerungsschichten umfaßt. FKK ist an dafür freigegebenen Badestellen erlaubt, die Bildung von FKK-Vereinen bleibt hingegen verboten. Schon seit den 1950er Jahren breitet sich FKK auch jenseits der freigegebenen Gelände aus. Anfänglich immer wieder behindert, zum Teil auch strafrechtlich belangt, werden die „wilden“ FKK-Anhänger schließlich geduldet, zahlreiche „wilde“ Badeplätze legalisiert.

Mit dem Verblassen tradierter bürgerlicher Moralvorstellungen, insbesondere in Fragen der Sexualmoral, wird FKK ab Mitte der 1960er Jahre für viele Bürgerinnen und Bürger zu einem selbstverständlichen Bestandteil ihrer Freizeitkultur. Ende der 1980er Jahre zeigt sich an den meisten Badestellen ein äußerst uneinheitliches Bild. Jeder und jede badet so, wie er und sie es will und für richtig hält, nackt oder in Badekleidung.

Heute gehört FKK zum sommerlichen Alltag nicht nur an vielen Badestellen, sondern auch in den innerstädtischen öffentlichen Parks und Schwimmbädern. Die Inbesitznahme öffentlicher Räume durch die Nackten wird in den Medien zwar in jeder Saison kontrovers diskutiert, aber ernstlich Anstoß wird nicht mehr genommen. Im Gegensatz zur „verhüllten Gesellschaft" des Kaiserreichs, in der Nacktheit in jeder Form als Schamlosigkeit und sittliche Gefährdung betrachtet wurde, hat FKK heute alles Skandalöse verloren.

Siehe auch

Literatur

Verweise