Haebler, Konrad

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Professor Dr. phil. Konrad Haebler, Nestor der deutschen Inkunabelkunde[1]

Konrad Haebler (ursprünglich: Häbler; Lebensrune.png 29. Oktober 1857 in Dresden, Königreich Sachsen; Todesrune.png 13. Dezember 1946 in Wehlen bei Dresden, Sächsische Schweiz) war ein deutscher Bibliothekar, Einbandforscher, Buchwissenschaftler und Fachmann für Wiegendrucke und frühe Typographie.

Leben

Ein Portrait Konrad Haeblers während der Arbeit mit einer Inkunabel. Ölgemälde von Walther Witting, 1926

Konrad Haebler wurde 1857 in Dresden geboren und besuchte dort die Kreuzschule. Er studierte in Leipzig Geschichte und Philologie. 1882 promovierte er dort mit einer Arbeit über „Den Streit Ferdinands des Katholischen und Philipps I. um die Regierung von Castilien 1504–1506“. Auch in den folgenden Jahren beschäftigte er sich, der seit 1879 an der Königlichen Bibliothek in Dresden angestellt war und dort nach eigener Aussage viel Zeit für seine wissenschaftliche Arbeit hatte, überwiegend mit der spanischen Geschichte, bevor er auf Umwegen zur Inkunabelkunde gelangte. Während der Vorarbeiten zu einer Publikation über die Wirtschaftsgeschichte Spaniens („Die wirtschaftliche Blüte Spaniens im 16. Jahrhundert und ihr Verfall“, 1888) stieß Haebler auf zahlreiche Drucker und Verleger im Spanien des 15. und frühen 16. Jahrhunderts. Die daraus resultierenden Arbeiten zum frühen Buchdruck in Spanien durch Deutsche, u. a. die zweibändige „Bibliografía Ibérica del siglo XV“ (1903-1917) qualifizierten ihn nachdrücklich für die ab 1898 laufende Erfassung der Inkunabelbestände der Königlichen Bibliothek zu Dresden.

Aufgrund seiner profunden druckhistorischen Kenntnisse und der bei der Inkunabelkatalogisierung in Dresden gesammelten Erfahrungen wurde Haebler schließlich 1904 zum Vorsitzenden der neu gegründeten „Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegendrucke“ (GW) an der Königlichen Bibliothek in Berlin berufen, welche die vollständige Erfassung aller weltweit nachweisbaren Inkunabelbestände, um so das unvollendet gebliebene „Repertorium Bibliographicum“ Ludwig Hains und dessen Ergänzungen durch ein nach einheitlichen Standards gearbeitetes Nachschlagewerk zu ersetzen, zum Ziel setzte. Die Wiegendruckkommission, die neben Haebler aus Konrad Burger, Ernst Voulliéme, Adolf Schmidt, Ernst Freys und Isak Collijn bestand, sammelte in den Jahren 1904 bis 1914 etwa 40.000 handschriftliche Inkunabelbeschreibungen. Der von der Kommission entwickelte Standard für die Beschreibungen war sehr hoch und orientierte sich eher an der Beschreibung von Handschriften als an der bibliographischen Erfassung moderner Druckwerke. Neben den bibliographischen Grunddaten werden auch Angaben zu Lagenzusammensetzung, Buchschmuck, Drucktypen sowie ausführliche Transkriptionen relevanter Textstellen verzeichnet.

Haeblers größtes Verdienst um die Inkunabelkunde war während seiner Arbeiten in Dresden und am GW: das sechsbändige „Typenrepertorium der Wiegendrucke“ (1905-1924). Bereits in seinen Arbeiten zum spanischen Frühdruck hatte Haebler sich die von Jan Willem Holtrop, Henry Bradshaw und Robert Proctor entwickelte Methode angeeignet, durch stilistische Analysen und Vergleiche der benutzten Drucktypen die Urheber unfirmierter Inkunabeln zu identifizieren. Nach seiner Pensionierung faßte Haebler seine profunden druckgeschichtlichen Kenntnisse im „Handbuch der Inkunabelkunde“ (1925) zusammen und brachte das biographische Nachschlagewerk „Die deutschen Buchdrucker des XV. Jahrhunderts im Auslande“ (1924) heraus. Daneben widmete er sich verstärkt der Einbandkunde („Rollen- und Plattenstempel des 16. Jh.“, 1928 f.).

Sächsische Biografie

Der Altmeister der Inkunabelforschung legte 1876 das Abitur an der Dresdner Kreuzschule ab und studierte Sprachen und Geschichte an der Leipziger Universität. Bereits 1879 erhielt er eine Stelle als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden, wo er 1881 zum Bibliotheks-Sekretär, 1896 zum Bibliothekar und Professor ernannt wurde. Mit der Promotion 1882 bei Karl von Noorden an der Universität Leipzig über „Den Streit Ferdinands des Katholischen und Philipps I. um die Regierung von Castilien 1504-1506“ begann H.s Beschäftigung mit seinem ersten großen Forschungsschwerpunkt, der iberischen Geschichte, den er später um portugiesische und amerikanische Bereiche erweiterte. Zahlreiche Veröffentlichungen über diese Gebiete ließen ihn zu einem „bedeutenden Vertreter der realistischen Geschichtsforschung“ (W. Schmidt) werden. Viele Studienreisen führten H. nach Spanien, Portugal, England und Italien. 1889 begleitete der 32-Jährige den späteren sächsischen König Friedrich August III. auf dessen spanischer Brautreise. Bei der Erarbeitung seines 1888 erschienenen Werks „Die wirtschaftliche Blüte Spaniens im 16. Jahrhundert und ihr Verfall“ stieß H. auf zahlreiche deutsche Drucker des 15. und 16. Jahrhunderts, die in Spanien ihre Pressen errichtet hatten. Über die spanischen Inkunabeln - Früh- oder Wiegendrucke bis 1500 - veröffentlichte er zwei Bände, ehe er die bibliografische Erfassung der Inkunabeln der Dresdner Bibliothek begann. Diese Arbeit konnte er später auf die Inventarisierung in den gesamten sächsischen Beständen ausdehnen. 1904 übertrug man ihm die Leitung der Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegendrucke in Berlin. Während seiner Tätigkeit an der Königlichen Bibliothek zu Berlin wurde H. 1907 zum Oberbibliothekar, 1908 zum Titular-Direktor und 1914 zum Direktor der Handschriftenabteilung ernannt. Unter H.s Ägide wurden bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs etwa 40.000 Beschreibungen erfasst, wobei er selbst mehrere Standorte u. a. in Sachsen und Thüringen bereiste. H.s große Verdienste liegen aber nicht nur in der Erfassung von Inkunabeln, sondern auch in der typografischen Erforschung derselben. Mit dem „Typenrepertorium der Wiegendrucke“ (1905-1924) gelang es ihm, ein handhabbares Arbeitsinstrument zu schaffen. Mit Hilfe des Drucktypenvergleichs wurde es möglich, „einen Druck der Inkunabelzeit nach Ort, Drucker und dem Spielraum weniger Jahre festzulegen“ (W. Schmidt). Nach der Emeritierung kehrte er 1921 nach Dresden zurück und widmete sich verstärkt der Einbandforschung. – H. war Ehrenmitglied der Bibliographical Society in London, korresponierendes Mitglied der Real Academia de Historia in Madrid, später der Akademien in Barcelona (Spanien) und Uppsala (Schweden) sowie der Hispanic Society of New York (USA). Für seine Verdienste um die spanische Geschichte wurde er 1886 mit dem Ritterkreuz des spanischen Isabellenordens ausgezeichnet.[2]

Neue Deutsche Biographie

Nachdem H., zuvor Kreuzschüler in Dresden, seine historischen und philologischen Studien in Leipzig 1882 bei K. von Noorden mit der Promotion abgeschlossen hatte, widmete er sich, seit 1879 an der Königlichen Bibliothek in Dresden tätig, zunächst Forschungen zur politischen und Wirtschaftsgeschichte Spaniens, wobei er sich als ein von K. Lamprechts wirtschaftsgeschichtlich betonten Auffassungen beeinflußter Historiker erwies. Mit weiteren Veröffentlichungen über Karl V., die Fugger, die Welser, aber auch mit zusammenfassenden Abrissen für die weltgeschichtlichen Sammelwerke von H. Helmolt und J. von Pflugk-Harttung dehnte er diese Forschungen auch auf die portugiesische und amerikanische Geschichte aus. Bei seinen iberischen Archiv- und Bibliotheksreisen (1890, 1897-98) war er auf die Bedeutung der Ausländer, besonders der deutschen Buchdrucker, für die Entwicklung Spaniens im 15. und 16. Jahrhundert aufmerksam geworden. Damit kam er zur Wiegendruckforschung. Nachdem er bereits 1894 mit einer vorläufigen Liste der von ihm aufgefundenen Inkunabeln die bisherigen Kenntnisse wesentlich erweitert hatte, faßte er seine ersten Ergebnisse in dem von der Bibliographical Society in London 1897 veröffentlichten Werk „The early Printers of Spain and Portugal“ zusammen, das er später (1923) zu der abschließenden „Geschichte des spanischen Frühdrucks in Stammbäumen“ ausformte. Inzwischen hatte er, seit 1898 in Dresden, 1896 zum Bibliothekar und Professor ernannt, die Katalogisierung der dortigen Inkunabeln begonnen. Als man sich in Berlin unter Althoffs Initiative, angeregt durch K. Burger, K. Dziatzko und andere, entschloß, zur Ergänzung und Erneuerung des unvollendet gebliebenen bibliographischen Repertoriums der Wiegendrucke von L. Hain ein Gesamtinventar der in den deutschen Bibliotheken vorhandenen Inkunabeln und auf dieser Grundlage einen Weltkatalog aller nachweisbaren Wiegendrucke herstellen zu lassen, wurde H. zum Vorsitzenden der zu diesem Zwecke gegründeten Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegendrucke berufen (1904). Er wurde damit, seit 1907 an der Königlichen Bibliothek in Berlin, einer der Organisatoren des wissenschaftlichen Großbetriebs, der sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert auch im deutschen Bibliothekswesen auszubilden begann. H. hat aber einen großen Teil der Inventarisationsarbeit in Deutschland, vor allem in Sachsen und Thüringen, selbst bewältigt. 1904-14 wurden von der Wiegendruckkommission (außer H. waren in ihr K. Burger, E. Voulliéme, A. Schmidt, E. Freys, I. Collijn tätig) gegen 40 000 Inkunabeln, auch aus außerdeutschen Bibliotheken, erfaßt. In dieser minutiös ordnenden Aufarbeitung großer Stoffmassen erreichte H. seine eigentliche schöpferische, auf positivistischer Wissenschaftsauffassung beruhende Leistung. Bei seinen spanischen Wiegendruckforschungen hatte er bereits die von Holtrop, Bradshaw und Proctor vorgebildete Methode des Drucktypenvergleichs, mit der die zahlreichen nicht datierten und signierten Inkunabeln bestimmt wurden, meisterhaft angewendet. Er entwickelte sie jetzt zu einem messenden Verfahren. In seinem „Typenrepertorium der Wiegendrucke“ (6 Bände, 1905–24) hat er, ausgehend von dem 20 Zeilen-Maß und von den Leitformen des gotischen Majuskel-M und des Antiqua-Q, eine Übersicht über die nachweisbaren Typen des 15. Jahrhunderts und damit, unter Hinzunahme aller sonstigen Anhaltspunkte für die Bestimmung einer Inkunabel, ein Arbeitsinstrument für die typographische Methode geschaffen, die sich damit als exakte Stilkritik darstellte. An der Ausarbeitung der Inkunabelbeschreibungen und der Drucklegung des Gesamtkatalogs der Wiegendrucke (seit 1925), bei der jüngere Mitarbeiter (E. von Rath, dann K. Ohly, C. Wehmer) neben der typographisch-buchgeschichtlichen ergänzend die literärgeschichtlich-quellenkundliche und bibliographische Bedeutung der Inkunabeln berücksichtigen wollten, hat H. nicht mehr mitgewirkt. In dem „Handbuch der Inkunabelkunde“ (1925) hat er seine Erfahrungen zusammengefaßt. Seit 1920 von der Wiegendruckkommission entpflichtet, seit 1921 wieder in Dresden, wandte er sich vorwiegend der Erforschung des Bucheinbandes zu. Noch bis gegen 1940 hin tätig, beschäftigten ihn wieder die spanische Geschichte, insbesondere die Fueros und die Rechtsgeschichte, die Dresdener Maya-Handschrift wie auch die Briefdrucke des Aeneas Silvius und die Geschichte der eigenen Familie. Ein stets lebendiger Intellekt und eine Arbeitskraft, die er jeweils auf das gesetzte, aus einer eher intuitiv konzipierten Idee erwachsene Ziel konzentrierte, haben es ihm in mehr als 50jähriger Tätigkeit ermöglicht, seine vielseitigen Forschungen, über das Riesenwerk des Gesamtkatalogs der Wiegendrucke hinaus, in hunderten von Publikationen und einem ausgedehnten Briefwechsel niederzulegen.[3]

Familie

Konrad war der Sohn des Gymnasiallehrers, Dichters und Privatgelehrten Dr. phil. Carl Gotthelf Haebler (1829–1909) und dessen Frau Marie, geb. Petzsch. Haebler heiratete 1883 Elisabeth Lagatz und in zweiter Ehe 1913 Ruth Schiffner.

Schriften (Auswahl)

„Die deutschen Buchdrucker des XV. Jahrhunderts im Auslande“ (1924)

Verweise

  • Häbler, Konrad (Schriften und Werke), in: „Regesta Imperii – Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz“

Fußnoten

  1. Die Inkunabelkunde oder Inkunabelforschung beschäftigt sich mit dem gedruckten Buch des 15. Jahrhunderts. Ihr Gegenstand sind die Inkunabeln bzw. Wiegendrucke, mithin Druckwerke, die seit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern durch Johannes Gutenberg bis zum Jahre 1500 hergestellt wurden.
  2. Katrin Nitzschke: Konrad Haebler, in: „Sächsische Biografie“, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V.
  3. Haebler, Konrad, in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 422 f.