Kurfürst
Ein Kurfürst (lat. princeps elector imperii) war ein deutscher Reichsfürst bzw. Fürst des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, dem das Recht vorbehalten war, den deutschen König zu wählen. Er gehörte dem Kurfürstenkollegium an, welches aus zunächst sieben, später neun, sowohl weltlichen wie auch geistlichen Mitgliedern bestand. Die Kurfürsten waren die bevollmächtigten Vertreter des Deutschen Volkes und sein eigentliches Regierungsgremium.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Der Begriff Kurfürst ist einzig mit dem Hochadel des Deutschen Adels des Deutschen Reiches verbunden. Auf Grund der Bedeutung des Titels eines Kurfürsten wurde der Begriff Kurfürstentum stets auf das gesamte durch einen Kurfürsten regierte Gebiet ausgeweitet.
Recht zur Königswahl
Bis Ende des 12. Jahrhunderts waren alle deutschen Reichsfürsten wahlberechtigt. Der staufisch-welfische Streit führte zu der Bestimmung, daß die Teilnahme des Pfalzgrafen und der drei Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier notwendige Bedingung für die Gültigkeit der Wahl ist. In dieser Bestimmung ist ein Übergang vom Stammes- zum Territorialprinzip festzustellen. Es wurde auch gefordert, daß mindestens vier Kurfürsten bei einer Wahl anwesend zu sein hätten. Die Doppelwahl von 1257 (Alfons der Weise / Richard von Cornwall) fügte den König von Böhmen dem Kurkollegium hinzu.
Seit 1338 galt das Prinzip der Mehrheitswahl, diese Regel führte gelegentlich zu Doppelwahlen. Seit dieser Wahl (Wilhelm von Holland) war die Siebenzahl verbindlich, zu den fünf bereits genannten Kurfürsten kamen nun noch hinzu: 6. Herzog von Sachsen, 7. Markgraf von Brandenburg. Die Kurfürsten genossen etliche Vorrechte im Reich. Sie durften in Reichsangelegenheiten beraten, ihre Territorien galten als unteilbar, in den weltlichen Kurfürstentümern galt grundsätzlich die Primogenitur. Im Reichstag bildeten sie die 1. Kurie.
Die Hofämter
Die Hofämter wurden durch die Kurfürsten wahrgenommen: Die Mainzer Erzbischöfe als Erzkanzler für den deutschen Teil des Reiches (SRI Archicancellarius per Germaniam) erlangten mehr und mehr eine Schlüsselposition für das deutsche Königtum. Sie erreichten früh eine Begrenzung der zur Wahl berechtigten Fürsten auf das spätere siebenköpfige Kurfürstenkollegium mit dem Mainzer Erzbischof an der Spitze. Als Königswähler und Coronator trat z. B. Sifrid II. von Eppenstein (1200-1230 Aeps.) auf, der Friedrich II. in seinem Dom zum Gegenkönig gegen Otto IV. krönte. Sein Nachfolger Sifrid III. (1230-1249 Aeps.) trat als Coronator von Heinrich Raspe (1246/47) und Wilhelm von Holland (1247-56) auf, und Gerhard II. von Eppenstein (1289-1305) betrieb die gescheiterte Absetzung Albrechts I. im Kurfürstenbündnis von Heimbach, das zum Rheinischen Krieg führte.
Die Erzbischöfe von Trier agierten, seit 1308 auch dauerhaft, als Erzkanzler für den gallischen Reichsteil und das Königreich Arelat (SRI archicancellarius per galliam et regnum Arelatensis). Die Erzbischöfe von Köln waren (seit 1031) neben ihren regulären Aufgaben auch Erzkanzler für Italien (SRI archicancellarius per Italiam). Der König von Böhmen versah als Kurfürst die Aufgabe des S. R. I. Mundschenk. Der Pfalzgraf bei Rhein (von der Pfalz) war (bis zur Verlust der Kurwürde 1623) S.R.I. Erztruchseß und Reichsvikar im Bereich salischen / fränkischen Rechts. Nach seiner Rückkehr ins Kurkollegium führt er die Würde des S.R.I. Erzsäckelmeister. Der Kurfürst von Sachsen war S.R.I. Erzmarschall und Reichsvikar im Bereich sächsischen Rechts. Der Kurfürst von Brandenburg war S.R.I. Erzkämmerer. Die Erzämter wurden in der Ausübung oft vertreten durch die Erbtruchsesse, Erbschenken usw., falls sie diese Ausübung zu erblichen Lehen übertrugen. Die Wahlkapitulationen der zu Wählenden gaben weitere besondere Rechte an die Kurfürsten ab.
Die erste Wal in Frankfurt/Main war diejenige Heinrichs, des zehnjährigen Sohnes Kaiser Konrads III. im Jahre 1147[1]. Heinrich starb bereits 1150. 1152 wurde Friedrich I. Barbarossa, der Neffe (Brudersohn Konrads) in Frankfurt gewählt. Der in dieser Zeit begonnene Frankfurter Dom war der Wahl der Deutschen Könige gewidmet. Seither waren alle Wahlen in Frankfurt. Von 1562 bis 1792 wurde auch die Krönung am Wahlort (Frankfurt) vollzogen, nun durch den Erzbischof von Mainz.
Der Wahlvorgang
- Einzug der Kurfürsten oder derer Gesandten in Stadt Frankfurt am Main.
- Bei Anbruch des folgenden Tages versammelten sich die Fürsten in der Kirche Sankt Bartholomäus, um an der Messe de sancto spiritu teilzunehmen.
- Nach der Messe versammelte man sich am Altar und legte den Eid am offenen Johannes-Evangelium ab. Die geistlichen Kurfürsten kreuzten dabei die Hände vor der Brust, die weltliche Kurfürsten legten ihre Hand auf das Evangeliar.
- Die Wahl durch die Kurfürsten sollte binnen 30 Tagen erfolgen, danach wurde ihre Kost auf Wasser und Brot reduziert.
- „Nachdem aber die mehrgenannten Kurfürsten oder ihre Gesandten in die Stadt Frankfurt eingezogen sind, sollen sie sogleich bei Anbruch des folgenden Tages in der Kirche des Heiligen Apostels Bartolomäus daselbst in vollzähliger Anwesenheit die Messe 'de Sancto Spiritu' singen lassen, damit der Heilige Geist ihre Herzen erleuchte und ihren Verstand mit dem Licht seiner Kraft erfülle, auf daß es ihnen gelinge, mit seinem Beistand einen gerechten, rechtlichen und tüchtigen Mann zum römischen König und künftigen Kaiser zu wählen zum Heil der Christenheit.
Wenn nun diese Messe zu Ende ist, sollen alle Kurfürsten oder deren Gesandte an den Altar herantreten, wo diese Messe gesungen worden ist; allda sollen die geistlichen Kurfürsten vor dem Evangelium Johannes „Am Anfang war das Wort”, das daselbst vor sie hinzulegen ist, mit Ehrfurcht ihre Hände auf der Brust kreuzen, die weltlichen Kurfürsten aber sollen das besagte Evangelium leiblich mit Ihren Händen berühren, sie sollen aber dort allesamt mit ihrem ganzen Gefolge unbewaffnet zugegen sein.
Und der Erzbischof von Mainz wird ihnen die Eidesformel vorsprechen und er zugleich mit ihnen und sie zugleich mit ihm werden den Eid leisten in ihrer Landessprache ... Wenn nun die Kurfürsten oder ihre Gesandten in vorerwähnter Weise diesen Eid geleistet haben, sollen sie zur Wahl schreiten[2]
Weitere Geschichte der Kur/Chur
- 1300 - 1708: Die böhmische Kurwürde ruhte von etwa 1300 bis 1708, da Böhmen nach seiner Erhebung zum Königreich (regnum) nicht mehr als Teil des Deutschen Regnums betrachtet wurde.
- 1623: Während des 30jährigen Krieges wurde die Pfälzischen Kur auf die bayrische (katholische) Linie Wittelsbach übertragen.
- 1648: Neuanschaffung der Pfälzischen Kur (Nun acht Kuren).
- 1692: Schaffung einer neuen neunten Kur für Hannover. Träger der erst 1708 voll anerkannten Kur wurde der Herzog von Braunschweig und Lüneburg in Kalenberg und Grubenhagen.
- 1706: Wegen der reichsfeindlichen Beteiligung am Spanischen Erbfolgekrieg wurden die Kurfürsten von Bayern und Köln aus dem Hause Wittelsbach geächtet.
- 1708: Die böhmische Kur wurde wieder aktiviert.
- 1777: Nach Aussterben der bayrischen Wittelsbacher erfolgte die Vereinigung von Pfalz und Bayern unter einem Haus und Kurhut. Jetzt existieren wieder acht bzw. sieben Kurstimmen.
- 1803: Der Reichsdeputationshauptschluß konstatierte den Wegfall der Kölner und Trierer Kur aufgrund französischer Annexion. Mainz wurde auf das neugeschaffene geistliche Kurfürstentum Regensburg des Fürstbischof Dalberg übertragen, das bis 1806 bzw. bis 1810 bestand. Dalberg war übrigens Freimaurer und somit ipso facto aus der Kirche ausgeschlossen.
- 1806: Im Vertrag von Preßburg erfolgte die Übertragung der Salzburger Kur auf Würzburg. Seit Franz II. die Kaiserkrone 1806 niederlegte, wurden die Kurrechte nicht wieder ausgeübt. Der Kurfürst von Hessen-Kassel führte den Titel „Kurfürst“ aus Reichstreue weiter, bis 1866 sein Kurfürstentum von Preußen annektiert wurde.
Der RDHS schuf vier weitere neue Kuren:
- 1. Salzburg (bis 1805),
- 2. Württemberg (bis 1806) mit dem Herzog von Württemberg als S.R.I. Reichsbannerträger,
- 3. Baden (bis 1806) und
- 4. Hessen-Kassel (bis 1866).
Robert Holtzmann schreibt:
König Konrad hat bei seinen Zeitgenossen manches günstige Urteil erfahren. Selbst der Sachse Widukind nennt ihn einen „tapferen und fähigen Mann, vortrefflich im Krieg und Frieden, durch Freigebigkeit berühmt, in den Zierden aller Tugenden ausgezeichnet". Am Erfolge gemessen, kann man freilich nur sagen: er ist gescheitert. Begünstigt von der Geistlichkeit, aber sonst fast nur auf die Kräfte des heimischen Rheinfrankens gestützt, hat er auf allen Punkten Niederlagen erlitten.
Thüringen blieb mit Sachsen vereinigt, in Schwaben hat sich die Bildung des Herzogtums eben während seiner Regierung vollendet, in Bayern brachten die Säkularisationen dem Herzog eine neue große Stärkung, die Kirchen in Sachsen, Schwaben und Bayern standen in der Gewalt der Herzöge, Lothringen hatte nicht zurückgewonnen werden können und auch mit dem Schutz des Reiches vor den Einfallen der Ungarn war es um nichts besser geworden. Diesen allgemeinen Mißerfolg und seinen Grund, die Schwäche des fränkischen Herzogtums, hat Konrad selbst erkannt. Darum designierte er vor seinem Tod den Sachsenherzog Heinrich zu seinem Nachfolger. Die Designation ist nach damaliger, bis in die Zeit der Staufer lebendiger Anschauung eine rechtsgültige Handlung, durch die der Herrscher den Anspruch auf die Nachfolge auf eine bestimmte Person festlegen kann.
Im Deutschen Reich galt bis ins 13. Jahrhundert ein Wahlrecht der Fürsten, das sich im allgemeinen, wenn keine ganz besondere Veranlassung zu anderer Entscheidung vorlag, nach dem Geblütsrecht, d. h. nach dem Erbanspruch des herrschenden Geschlechtes (ohne Bevorzugung der Erstgeburt) richten sollte. Durch die Designation konnte der König diesen Anspruch auf ein bestimmtes Mitglied seines Geschlechtes beschränken oder auch den Fall für ein Abgehen von der Erblichkeit gegeben erklären und dabei ebenfalls einen geeigneten Anwärter nennen. Die Wahl hatte dann diese Designation zu bekräftigen, wenn nicht etwa wieder besondere Gründe anderes erforderten.
Man hat, wie schon hieraus ersichtlich, bei diesem deutsch-rechtlichen Brauchtum eines gebundenen oder allenfalls freien Wahlrechts von vielen modernen Begriffen abzusehen. Auch die Anschauung, daß jede Wahl einstimmig sein mußte, entsprach dem deutschen Recht; die Wähler handelten unter göttlichem Beistand, Gott wählte durch menschliche Stimmen. Schon deshalb konnte es nur einstimmige Wahlen geben. Eine Minderheit hatte sich entweder zu fügen oder sie nahm ihrerseits an einem anderen Orte eine ebenso einstimmige Wahl vor. Dann bestand ein Gegenkönigtum, und die beiden Erkorenen mochten sehen, wie sie sich auseinandersetzten. Wie es dabei hergehen konnte, darüber wird uns sogleich der erste Fall dieser Art in der deutschen Geschichte belehren.
Konrad hatte keine Kinder, aber einen Bruder, Eberhard, der auch in der Tat sein Nachfolger als Herzog von Franken geworden ist. Die Nachfolge im Königtum dagegen wandte Konrad durch die Designation dem Herzog Heinrich von Sachsen zu. über den Hergang bei der Designation erzählt uns Widukind einiges, eine längere Rede des sterbenden Konrad an Eberhard mit der Aufforderung, die Reichsinsignien (Krone, Zepter, Stab, Schwert und Mantel mit goldenen Spangen) an Heinrich zu überbringen, und daß Eberhard unter Tränen seine Einwilligung dazu gab. Hier mag manches ausgemalt sein, und der Wortlaut der Rede ist gewiß ein Werk des Historikers. Aber die Tatsache der Designation ist auch anderweit genügend verbürgt. Sie ist ein hoher Ruhmestitel für den unglücklichen König Konrad. Denn daß ein Herzog den Stammesgedanken derartig hinter den Reichsgedanken zurückstellte, ist ein in der deutschen Geschichte des Mittelalters einzigartiger Fall, während die Beispiele vom Gegenteil nicht zu zählen sind. So schied der erste deutsche König mit einer vorbildlichen, großen, wahrhaft königlichen Handlung aus dieser Welt.[3]
Kurfürstentümer
- Kurbaden (1803–1806)
- Kurbayern
- Kurböhmen
- Kurbrandenburg
- Kurhannover (1692–1814; mit Unterbrechung)
- Kurhessen (1803–1866)
- Kurköln
- Kurmainz
- Kurmark
- Kurpfalz
- Kursachsen
- Kursalzburg
- Kurtrier
- Kurwürttemberg (1803–1806)