Lumet, Sidney
Sidney Lumet (* 25. Juni 1924 in Philadelphia, Pennsylvania; † 9. April 2011 in Manhattan) war ein jüdischer Hollywood-Regisseur in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Sidney Lumet wurde am 25. Juni 1924 als Sohn des Schauspielers und Rundfunkautors Baruch Lumet (* 1898; † 1992) und der Schauspielerin Eugenia Wermus in Philadelphia (VS-Bundesstaat Pennsylvanien) geboren. Seine Eltern waren über Polen eingewanderte Ostjuden.[1] 1926 übersiedelte die Familie in ein Arbeiterviertel in Neu York, wo sich Lumet als Jugendlicher politisch in linken Gruppen engagierte. Sidney Lumet besuchte in Neu York die Professional Children's School und erprobte früh seine schauspielerischen Fähigkeiten. Im Alter von vier Jahren wirkte er in einer Hörspielfolge mit, die sein Vater verfasst und inszeniert hatte. Danach spielte er längere Zeit am Yiddish Art Theater in Neu York und ab 1935 in verschiedenen Broadway-Produktionen mit.[2] Von 1942 bis 1946 diente Lumet bei einer Radareinheit in der U.S.-Army.[3]
Wirken
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Sidney Lumet als Schauspieler an den Broadway zurück und versuchte sich zudem mit Erfolg als Regisseur an Off-Broadway-Theatern, The Actor’s Workshop.[4] 1947 gründete er in Neu York eine unabhängige avantgardistische Schauspielschule und leitete dieses Studio bis 1949. Außerdem lehrte er an verschiedenen Kunstschulen. Dank der Vermittlung seines Freundes Yul Brynner erhielt er eine Stellung bei der CBS als Regieassistent und arbeitete dort erfolgreich als Serienregisseur. Schon sein Debütfilm „Die 12 Geschworenen“ (nach dem Bühnenstück von Reginald Rose 1957 mit Henry Fonda in der Hauptrolle von ihm realisiert) brachte ihm den Durchbruch. Erfolgsstreifen wie „Der Mann in der Schlangenhaut“ und „Ein Haufen toter Hunde“ folgten. Mit „Bye, Bye Braverman“ setzte er 1969 „eine jüdische schwarze Komödie“ (Filmkritikerin Liz-Anne Bawden) in Szene.[1] Seit den 1970er Jahren widmete er sich hauptsächlich dem Genre des sogenannten Thrillers („Mord im Orient-Expreß“ usw.). Sein 1976 gedrehter Film „Network“ nach einem Buch seines Abstammungsgenossen Paddy Chayefsky wurde mit vier „Oscars“ ausgezeichnet.[1] 2005 bekam er einen Oscar für sein Lebenswerk verliehen.
Familie
Hollywood-Regisseur Sidney Lumet war in erster Ehe mit Rita Gam, in zweiter Ehe (1956-1963) mit der Schauspielerin und Modeschöpferin Gloria Vanderbilt, in dritter Ehe (1963-1978) mit Gail Jones verheiratet. Seit 1980 war er mit Mary Gimbel verheiratet. Er hatte zwei Töchter, Amy und Jenny, und einen Sohn, Ed.
Lumet war 86-jährig am 9. April 2011 in Manhattan, Neu York an Lymphdrüsenkrebs gestorben. Sein Tod wurde vom Ehemann der Stieftochter Lumets, Marc Kusnetz, bestätigt.
Filmographie
Spielfilme
- 1939: One Third of a Nation (Darsteller)
- 1957: Die zwölf Geschworenen (12 Angry Men)
- 1958: Eines Tages öffnet sich die Tür (Stage Struck)
- 1959: So etwas von Frau! (That Kind of Woman)
- 1959: Der Mann in der Schlangenhaut (The Fugitive Kind)
- 1961: Blick von der Brücke (Vu du Pont)
- 1962: Long Day's Journey Into Night
- 1964: Der Pfandleiher (The Pawnbroker)
- 1964: Angriffsziel Moskau (Fail-Safe)
- 1965: Ein Haufen toller Hunde (The Hill)
- 1966: Die Clique (The Group), Verfilmung des Romans von Mary McCarthy Die Clique
- 1966: Anruf für einen Toten (The Deadly Affair) (Regie/Produktion)
- 1968: Bye Bye Braverman (Regie/Produktion)
- 1968: P/R | Die Möwe (The Seagull) (Regie/Produktion)
- 1969: Ein Hauch von Sinnlichkeit (The Appointment)
- 1970: Blutsverwandte (Last of the Mobile Hot Shots) (Regie/Produktion)
- 1970: Dann war mein Leben nicht umsonst – Martin Luther King (King: A Filmed Record... Montgomery to Memphis) [Dokumentarfilm; Regie zusammen mit Joseph L. Mankiewicz]
- 1971: Der Anderson-Clan (The Anderson Tapes)
- 1972: Child’s Play
- 1973: Sein Leben in meiner Gewalt (The Offence)
- 1973: Serpico – mit Al Pacino
- 1974: Aus Liebe zu Molly (Lovin’ Molly)
- 1974: Mord im Orient-Expreß (Murder on the Orient Express)
- 1975: Hundstage (Dog Day Afternoon)
- 1976: Network (Network)
- 1977: Equus – Blinde Pferde (Equus)
- 1978: The Wiz – Das zauberhafte Land
- 1978: Whiz on Down the Road [Kurzfilm] (Darsteller)
- 1980: Sag mir, was Du willst (Just Tell Me What You Want) (Produktion/Regie)
- 1981: Prince of the City (Prince of the City) (Regie/Drehbuch)
- 1982: Das Mörderspiel (Deathtrap)
- 1982: The Verdict – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit (The Verdict)
- 1983: Daniel (Daniel), Verfilmung des Romans Das Buch Daniel von E. L. Doctorow
- 1984: Die Göttliche (Garbo Talks)
- 1986: Power – Der Weg zum Ruhm (Power)
- 1986: Der Morgen danach (The Morning After)
- 1987: Die Flucht ins Ungewisse (Running on Empty)
- 1989: Family Business (Family Business)
- 1990: Tödliche Fragen (Q & A) (Regie/Drehbuch)
- 1992: Sanfte Augen lügen nicht (A Stranger Among Us)
- 1993: Jenseits der Unschuld (Guilty as Sin)
- 1997: Nacht über Manhattan (Night Falls on Manhattan) (Regie/Drehbuch)
- 1997: Sterben und erben (Critical Care) (Regie/Produktion)
- 1999: Gloria (Gloria)
- 2005: Find Me Guilty (Regie/Drehbuch/Produktion)
- 2007: Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead
Fernsehfilme und -serien
- 1948: Studio One (Studio One Summer Theatre; Studio One in Hollywood; Summer Theatre; Westinghouse Studio One; Westinghouse Summer Theatre) – Fernsehserie (bis 1958); Lumet führte bei einigen Episoden Regie
- 1950: Danger – Fernsehserie (bis 1955); Lumet führte bei einigen Episoden Regie
- 1951: Crime Photographer – Fernsehserie (bis 1952)
- 1952: CBS Television Workshop – Fernsehserie; Lumet führte bei einigen Episoden Regie
- 1953: You Are There – Fernsehserie (bis 1957); Lumet führte bei einigen Episoden Regie
- 1953: The United States Steel Hour (The U.S. Steel Hour) – Fernsehserie (bis 1963); Lumet führte bei zwei Episoden Regie
- 1954: The Best of Broadway – Fernsehserie (bis 1955); Lumet führte bei zwei Episoden Regie
- 1954: The Elgin Hour – Fernsehserie (bis 1955); Lumet führte bei einer Episode Regie
- 1955: The Alcoa Hour – Fernsehserie (bis 1957); Lumet führte bei einer Episode Regie
- 1956: Playhouse 90 – Fernsehserie (bis 1961); Lumet führte bei einigen Episoden Regie
- 1957: Mr. Broadway – Fernsehserie
- 1958: All the King's Men – Fernsehserie
- 1960: The Sacco-Vanzetti Story – Fernsehserie
- 1960: The Iceman Cometh – für das Fernsehen adaptiertes Theaterstück
- 1960: Rashomon – für das Fernsehen adaptiertes Theaterstück
- 2001: 100 Centre Street – Fernsehserie (bis 2002); Lumet führte bei zehn Episoden Regie
- 2004: Strip Search – Fernsehfilm
Auszeichnungen (Auswahl)
Die folgenden Filme von Lumet haben Oscars und Oscar-Nominierungen erhalten:
Jahr | Filmtitel | Kategorie | Nominierung | Gewonnen |
---|---|---|---|---|
1958 | Die zwölf Geschworenen | Beste Regie, Bester Film, Bestes adaptiertes Drehbuch | 3 | |
1963 | Long Day’s Journey Into Night | Beste Hauptdarstellerin (Katharine Hepburn) | 1 | |
1966 | Der Pfandleiher | Bester Hauptdarsteller (Rod Steiger) | 1 | |
1971 | Dann war mein Leben nicht umsonst – Martin Luther King | Bester Dokumentarfilm | 1 | |
1974 | Serpico | Bester Hauptdarsteller (Al Pacino), Bestes adaptiertes Drehbuch | 2 | |
1975 | Mord im Orient-Expreß | Beste Nebendarstellerin (Ingrid Bergman), Bester Hauptdarsteller (Albert Finney), Beste Kamera, Bestes Kostümdesign, Beste Filmmusik, Bestes adaptiertes Drehbuch | 6 | 1 |
1976 | Hundstage | Bestes Originaldrehbuch, Beste Regie, Bester Film, Bester Hauptdarsteller (Al Pacino), Beste Nebendarstellerin (Chris Sarandon), Bester Schnitt | 6 | 1 |
1977 | Network | Bester Hauptdarsteller (Peter Finch), Bester Hauptdarstellerin (Faye Dunaway), Beste Nebendarstellerin (Beatrice Straight), Bestes adaptiertes Drehbuch, Beste Regie, Bester Film, Bester Hauptdarsteller (William Holden), Bester Nebendarsteller (Ned Beatty), Beste Kamera, Bester Schnitt | 10 | 4 |
1978 | Equus – Blinde Pferde | Bester Hauptdarsteller (Richard Burton), Bester Nebendarsteller (Peter Firth), Bestes adaptiertes Drehbuch | 3 | |
1979 | The Wiz – Das zauberhafte Land | Bestes Szenenbild, Bestes Kostümdesign, Beste Filmmusik, Beste Kamera | 4 | |
1982 | Prince of the City | Bestes adaptiertes Drehbuch – gemeinsam mit Jay Presson Allen | 1 | |
1983 | The Verdict – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit | Beste Regie, Bester Hauptdarsteller (Paul Newman), Bester Nebendarsteller (James Mason), Bester Film, Bestes adaptiertes Drehbuch | 5 | |
1987 | Der Morgen danach | Beste Hauptdarstellerin (Jane Fonda) | 1 | |
1989 | Die Flucht ins Ungewisse | Bester Nebendarsteller (River Phoenix), Bestes Originaldrehbuch | 2 |
Weitere Auszeinungen
- 1957: Goldener Bär und OCIC-Preis der 7. Berlinale für Die zwölf Geschworenen
- 1957: „Spezielle Belobigung“ beim Locarno International Film Festival für Die zwölf Geschworenen
- 1958: Silbernes Band des Sindacato Nazionale Giornalisti Cinematografici Italiani für Die zwölf Geschworenen (Kategorie: Bester Regie eines ausländischen Films)
- 1959: Kinema Junpo Award für Die zwölf Geschworenen (Bester ausländischer Film)
- 1960: Blue Ribbon Award für Die zwölf Geschworenen (Bester ausländischer Film)
- 1960: Bodil für Die zwölf Geschworenen (Bester amerikanischer Film)
- 1960: Silberne Muschel des Festival Internacional de Cine de Donostia-San Sebastián für Der Mann in der Schlangenhaut
- 1964: FIPRESCI-Preis („Ehrenhafte Belobigung“) bei der 14. Berlinale für Der Pfandleiher
- 1966: Bodil für Der Pfandleiher (Bester nicht-europäischer Film)
- 1975: Los Angeles Film Critics Association Award für Hundstage (Beste Regie)
- 1976: Evening Standard British Film Award für Mord im Orient-Expreß (Bester Film)
- 1976: Los Angeles Film Critics Association Award für Network (Beste Regie)
- 1977: Golden Globe für Network (Beste Regie)
- 1981: Pasinetti-Preis bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig für Prince of the City
- 1981: New York Film Critics Circle Award für Prince of the City (Beste Regie)
- 1982: Kansas City Film Critics Circle Award für Prince of the City (Beste Regie)
- 1982: National Board of Review Award für The Verdict – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit (Beste Regie)
- 1989: „DGA Honorary Life Member Award“ der Directors Guild of America
- 1993: D. W. Griffith „Lifetime Achievement Award“ der Directors Guild of America
- 1996: „Billy Wilder Award“ des National Board of Review
- 1997: „Evelyn F. Burkey Award“ der Writers Guild of America
- 1998: „Lifetime Achievement Award“ der Gotham Awards
- 2001: „New Technology Award“ bei den Producers Guild of America Awards
- 2004: „Joseph L. Mankiewicz Excellence in Filmmaking Award“ beim Director’s View Film Festival
- 2005: Ehrenoscar für sein Lebenswerk
- 2007: „Career Achievement Award“ der Los Angeles Film Critics Association
- 2007: „Lifetime Achievement Award“ des New York Film Critics Circle
- 2008: Silbernes Band für Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead (Beste Regie eines nicht-europäischen Films)