Nocht, Bernhard

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Der Generalarzt der Seewehr, Bakteriologe, Tropenhygieniker, dreifacher Vater und Gründer des „Institutes für Schiffs- und Tropenkrankheiten“ in Hamburg sowie Leiter des Medizinalamtes, Obermedizinalrat Professor Dr. med. Dr. med. h. c. Bernhard Nocht, gilt als Deutschlands Wegbereiter in der Tropen- und Schiffsmedizin.

Albrecht Eduard Bernhard Nocht (Lebensrune.png 4. November 1857 in Landeshut in Schlesien; Todesrune.png 5. Juni 1945 in Wiesbaden) war ein deutscher Sanitätsoffizier, Hafenarzt, Tropenmediziner und -hygieniker. Von 1900 bis 1930 war er Leiter des 1942 nach ihm benannten Bernhard-Nocht-Instituts für Schiffs- und Tropenkrankheiten.

Werdegang

Prof. Dr. Nocht, 1925
Nocht mit Gemahlin als Ehrengast beim Malaria-Kongreß in Bangkok, 1930
Grabmaltafel Althamburgischer Gedächtnisfriedhof Ohlsdorf
Rangliste der Kaiserlichen Marine 1916
Rangliste der Kaiserlichen Marine 1918
Bernhard Nocht III.png

Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten

Robert Koch und Paul Kohlstock hatten in ihrem Gutachten nach ihrer Reise ins südliche Afrika die Idee eines Reichsinstituts fur Tropenhygiene aufgegriffen. Dieses Institut sollte seinen Sitz in Berlin haben. Hamburg war allerdings schneller: Dort widmete sich bereits eine kleine Abteilung des „Hafenkrankenhauses“ den Krankheiten in den Schutzgebieten. Der Direktor Bernhard Nocht konnte sich mit seinem Plan eines Ausbaus durchsetzen, und am 1. Oktober 1900 wurde das „Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten“ eingeweiht. Zwar wurde es von der Reichsregierung nur teilfinanziert; das kolonialpolitische Ziel unterstützte es aber dennoch, indem es Kolonialärzte in dreimonatigen Kursen ausbildete, medizinische Expeditionen materiell ausstattete und in den Schutzgebieten entnommene Blutproben untersuchte. 1905 wurde das Berliner „Institut für Infektionskrankheiten“ um eine „Tropenabteilung“ erweitert und damit doch noch in der Reichshauptstadt eine Forschungsstätte etabliert.

Das „Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten“ nahm am 1. Oktober 1900 seine Arbeit auf, mit 24 Mitarbeitenden. Heute beschäftigt das „Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin“ (BNITM) ca. 270 Personen und ist damit Deutschlands größte Einrichtung für Forschung, Versorgung und Lehre auf dem Gebiet tropentypischer Erkrankungen und neu auftretender Infektionskrankheiten. Gründungszweck war die Erforschung und Kontrolle tropentypischer Krankheitserreger: Durch den zunehmenden Handel und Verkehr insbesondere mit Übersee wurden seit Ende des 19. Jahrhunderts vermehrt ungewöhnliche Infektionserkrankungen durch Schiffsbesatzungen und Reisende eingeschleppt. Die Cholera-Epidemie von 1892 in Hamburg gab den letzten Anstoß: Etwa 9.000 Menschen waren an der Seuche gestorben. Auch der wirtschaftliche Schaden war immens. Wahrscheinlich hatten russische Segler oder Auswanderer auf der Durchreise das Bakterium mitgebracht. Wegen des überkommenen Trinkwassersystems konnte es sich schnell ausbreiten. Die Stadt Hamburg war gezwungen, ihr Gesundheitssystem neu zu strukturieren und setzte Bernhard Nocht als Hafenarzt ein. Wenig später beschloss die Bürgerschaft die „Umgestaltung des Seemannskrankenhauses und die Verbindung desselben mit einem Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten“. Der neue Hafenarzt erkannte den drängenden Bedarf nach Fortbildungsangeboten für Ärzte zum Umgang mit tropischen Erkrankungen. Nach dem Grundsatz „Forschen, Heilen, Lehren“ machte sich das Institut neben der Krankenversorgung auch die Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Schiffs- und Tropenmedizin zur Aufgabe. Nach den Erfahrungen aus der Choleraepidemie sollten ähnliche Ausbrüche künftig verhindert werden. Auch die Hamburger Kaufleute hatten ein wirtschaftliches Interesse an der Entwicklung der Tropenmedizin. Sie setzten neue Erkenntnisse über die Prävention der Malaria und anderer Erkrankungen auf ihren Schiffen um, damit die Mannschaften gesund und leistungsfähig blieben. Das Institut bot in den ersten Jahren zahlreiche Weiterbildungskurse für Ärzte an und zählte bis 1914 mehr als 800 Teilnehmer. Die Forschung konzentrierte sich auf Laboruntersuchungen exotischer Erreger und ihrer Überträgerinsekten. Zudem führte das Institut Studien an Reisenden und Seeleuten mit eingeschleppten Infektionen durch. Forschungsaufenthalte in den Tropen fanden nur sehr sporadisch statt.[1]

Neue Deutsche Biographie

N. besuchte die Realschule in Landeshut, das Gymnasium in Waldenburg und studierte 1876-80 in Berlin am Medizinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Institut, der sog. Pepinière. Er wurde Militärarzt und arbeitete zunächst ein Jahr lang an der Berliner Charité. 1881 promovierte er zum Dr. med., 1882 folgte die Approbation. 1883 trat er als Assistenzarzt in die Kaiserl. Marine ein. Auslandskommandos führten ihn nach Ostasien und in den Mittelmeerraum. 1887 wurde N. an das Hygienische Institut der Univ. Berlin versetzt, wo er bis 1890 unter Robert Koch arbeitete. Als sich 1892 in Deutschland die Cholera ausbreitete, wurde er im Rahmen der Bekämpfungsmaßnahmen der Reichsregierung zum Leiter der Kontrollstation Hamburg bestimmt. Seine erfolgreiche Arbeit führte im folgenden Jahr zu seiner Berufung auf die neugeschaffene Stelle des Hamburger Hafenarztes und zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven Marinedienst. Es gelang ihm, aus bescheidenen Anfängen einen mustergültigen hafen- und schiffshygienischen Dienst in Hamburg aufzubauen und ein System der Seuchenabwehr zu entwickeln, das weit über die Hansestadt hinaus beispielgebend wurde. Sein eigentliches Lebenswerk jedoch war das „Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten“, das 1900 in Hamburg gegründet wurde und unter N.s 30jähriger Leitung Weltruhm erlangte. Es diente der tropenmedizinischen Forschung und Lehre sowie der Heilung von Tropenkrankheiten. Nach den im Jahr zuvor eröffneten tropenmedizinischen Schulen in London und Liverpool war das Hamburger Tropeninstitut die dritte derartige Einrichtung. Die bahnbrechenden Entdeckungen auf dem Gebiet der Malariaforschung Ende des 19. Jh. hatten die Notwendigkeit einer Kooperation der Kliniker mit Mikrobiologen (insbes. Protozoologen), Entomologen, Chemikern und Pharmakologen deutlich werden lassen. Diese Konzeption weltweit als einer der ersten und innerhalb Deutschlands (in Konkurrenz zu ähnlichen Plänen Kochs) als erster realisiert zu haben, ist N.s größtes Verdienst. Seit 1901 gehörte er dem Reichsgesundheitsrat an, bereits seit 1898 dem Beirat für das Auswandererwesen. 1903 war er Bevollmächtigter des Deutschen Reichs auf der Internationalen Sanitätskonferenz in Paris. 1906 wurde N. mit der Leitung des gesamten hamburgischen Medizinalwesens betraut (1912 Obermedizinalrat). Dies zwang ihn, das Amt des Hafenarztes abzugeben, das er auch nach Gründung seines Instituts weiter ausgeübt hatte. 1911/12 unternahm er eine Studienreise in die damalige deutsche Kolonie Ostafrika. Die Kolonialinteressen des Reichs hatten bei der Gründung des Tropeninstituts eine konstitutive Rolle gespielt; N. – u. a. Mitglied des Alldeutschen Verbandes – war ein überzeugter Vertreter des Kolonialgedankens. Die nächste Reise führte ihn 1913 zum Studium und zur Bekämpfung der Malaria nach Palästina. Kurz nach der Einweihung eines neuen, repräsentativen Institutsgebäudes begann der 1. Weltkrieg. Der neue Bau fungierte als Lazarett, N. selbst als Reservelazarettdirektor in Hamburg-Altona-West. Er wurde außerdem 1917 und 1918 von der Heeresleitung nach Mazedonien zur Untersuchung und Bekämpfung der Malaria berufen. Nach dem Krieg legte N. die Leitung des Hamburger Medizinalwesens nieder und schied endgültig aus der Marine aus (im Rang eines Generalarztes). Bei Gründung der Hamburgischen Universität 1919 wurde er zum apl. o. Professor für Tropenhygiene ernannt (seit 1923 planmäßig; 1920/21 Dekan; 1926/27 Rektor; 1930 Emeritierung).
Auch nach dem Verlust der deutschen Kolonien infolge des Versailler Vertrages, blieb N. ein Anhänger der Kolonialbewegung. 1922-25 war er Mitglied der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei, die über einen starken kolonialrevisionistischen Flügel verfügte. Im „Dritten Reich“ gehörte er dem Reichskolonialbund an. N. wirkte vor allem in den 20er Jahren nachhaltig für das internationale Ansehen der deutschen Wissenschaft und für die Wiederanknüpfung von Auslandsbeziehungen im Bereich der Medizin. Als einer der ersten Deutschen arbeitete N. im Völkerbund mit und wurde bereits 1923 als einziges deutsches Mitglied in dessen Hygienekomitee berufen. 1924-26 leitete er verschiedene Reisen der Malariakommission des Völkerbundes nach Ost-, Südost- und Südeuropa sowie nach Palästina. Nachdem das Deutsche Reich 1926 in den Völkerbund aufgenommen worden war, wurde N. im folgenden Jahr zum Vizepräsidenten der Hygienekommission ernannt. Als Leiter der Leprakommission des Völkerbundes unternahm er 1930/31 eine Ostasienreise. Die Beschäftigung mit Leprafragen führte ihn 1931 auch nach Brasilien und 1934/35 erneut nach Ostasien, nachdem er sich aus politischen Gründen 1933 aus dem Völkerbund hatte zurückziehen müssen. 1938 trat N. als Leiter der deutschen Delegation auf dem III. Internationalen Kongreß für Tropenmedizin und Malaria in Amsterdam noch einmal ins Rampenlicht. Anläßlich seines 85. Geburtstages ehrte ihn Hamburg 1942 mit der Umbenennung des Tropeninstituts in „Bernhard-Nocht-Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten“ (heute Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin). Zusammen mit seiner Ehefrau nahm er sich das Leben.
Neben richtungweisenden hafen- und schiffshygienischen Publikationen sowie grundlegenden Abhandlungen über die Bekämpfung und Therapie der Malaria sind N. wichtige Beiträge zur Beriberiforschung und zur Ätiologie des Schwarzwasserfiebers zu verdanken. Ferner waren seine Untersuchungen des sog. „Romanowsky-Effekts“ maßgeblich für die Entwicklung eines Nachweisverfahrens von Malariaparasiten im Blut durch Gustav Giemsa (1867–1948, „Giemsa-Lösung“). N. war in erster Linie ein hervorragender Organisator und Koordinator, dessen Name untrennbar mit dem Aufbau eines modernen hafenärztlichen Dienstes und einer interdisziplinär ausgerichteten Tropenmedizin verbunden bleibt.[2]

Auszeichnungen und Ehrungen (Auszug)

Ehrenmitgliedschaften

  • Italienische Gesellschaft zum Studium exotischer Krankheiten (1913)
  • Wiener Gesellschaft für Mikrobiologie (1927)
  • Royal Society of Medicine, London (1929)
  • Société Belge de Médecine Tropicale, Antwerpen (1933)
  • Société de Pathologie Exotique, Paris (1935)

Schriften (Auswahl)

  • Vorlesungen für Schiffsärzte der Handelsmarine über Schiffshygiene, Schiffs- und Tropenkrankheiten, Leipzig 1906
  • Tropenhygiene, Berlin u. a. 1908; 2. Auflage 1923
  • Die Malaria, Berlin 1918; 2. Auflage, mit M. Mayer, 1936

Fußnoten