Rabenschlacht (Dietrichepik)

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Könnecke - Drei Strophen aus der Rabenschlacht.jpg

Rabenschlacht ist der Titel einer mittelhochdeutschen Heldendichtung des 13. Jahrhunderts, die der Gruppe der historischen Dietrichepik zugerechnet wird und die Fortsetzung der Dichtung Dietrichs Flucht darstellt.

Erläuterung

Sie berichtet in Form von 1140 vierzeiligen Strophen, wie Dietrich von Bern ein weiteres Mal, jedoch erfolglos versucht, sein Reich wieder zu gewinnen. Er ist in der zwölftägigen Schlacht bei Raben (→ Rabenschlacht zwischen den Germanen Odoaker und Theoderich der Große) zwar Sieger über seinen Widersacher Ermrich (→ Ermanarich/Ermenrik), doch durch unglückliche Fügung verlieren die Söhne des Hunnenkönigs Etzels, Orte und Scharpfe, und Dietrichs jüngerer Bruder Diether im Kampfe mit Witege (→ Wittich) ihr Leben. Ermenrich kann entfliehen. Dietrich kehrt an Etzels Hof zurück, durch Fürsprache Rüdigers wird er vom ihrer Söhne beraubten Herrscherpaar in Gnaden aufgenommen.

Wie auch Dietrichs Flucht ist dieses Gedicht voller drastischer Ausdrücke. So wird erwähnt, daß Dietrichs Rüstung im Kampfe vor Hitze weich wird. Blut schießt über das Schlachtfeld und bedeckt die Toten, so daß man sie nicht mehr sieht.

Der wesentliche formale Unterschied zum Epos „Dietrichs Flucht“ liegt in der Verwendung der eher höfischen Nibelungenstrophe im Gegensatz zur Verwendung von Reimpaaren im vorangehenden Epos ‚Dietrichs Flucht‘. Es ist anzunehmen, daß die Rabenschlacht-Dichtung mit Instrumentbegleitung singend vorgetragen wurde, die Reimpaare von Dietrichs Flucht jedoch mit Sprechstimme. Da in vier der fünf Handschriften die Rabenschlacht gemeinsam mit Dietrichs Flucht überliefert ist, kann man annehmen, dass beide Dichtungen dem gleichen Publikum vorgetragen wurden, das für beide Formen (Gesang und Sprechvortrag) empfänglich war.

Text

Quelle
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Die Schlacht vor Raben

Im Streite um das Vatererbe war Dietrich vor seinem Oheim Ermenrich aus dem Lande gewichen und hatte an König Etzels Hof gastfreie Aufnahme gefunden. »Ich werde dir einst helfen, dein Reich zurückzuerobern«, versprach ihm der Hunnenkönig, und Dietrich dankte ihm die Gastfreundschaft, indem er Etzel auf seinen Kriegsfahrten begleitete und ihm im Kampfe tapfer zur Seite stand.
Als das Heer sich nun zum Rachezuge rüstete, um Dietrich die Herrschaft zurückzugewinnen, ließen Etzels zwei Söhne nicht ab zu bitten, man möge sie doch mitreiten lassen. Ihre Mutter wollte nicht zustimmen, denn sie hatte geträumt, ein Drache habe die beiden Jünglinge entführt und vor ihren Augen zerrissen. Da bat Dietrich, die unerfahrenen Knaben seiner Hut anzuvertrauen: »Ich werde treu auf eure beiden Söhne achtgeben«, versprach Dietrich den Eltern. So gab Etzel nach, weil auch Königin Helche Dietrichs Worten vertraute, und ließ sie ziehen.
Als der heimkehrende Dietrich die Grenzen seines Landes überschritt, zeigte es sich, daß die Heimat ihn nicht vergessen hatte. Seine Königsstadt Bern öffnete ihm willig die Tore, und viele Getreue scharten sich um ihn. Man rüstete sich zum Kampfe gegen Ermenrich, der sich bei der Stadt Raben mit seinem Heere zur Entscheidung stellte.
Etzels Söhne, Ort und Scharf, dazu seinen jungen Bruder Dieter hatte Dietrich dem kühnen Elsan anvertraut. Mit seinem Leben mußte dieser dafür bürgen, sie nicht vor die Stadt ziehen zu lassen. Doch heimlich übertraten die kühnen Jünglinge das Verbot und ritten ohne Elsan davon. Ohne es zu wissen, gerieten sie auf die Straße nach Raben. Vor dieser Stadt stießen sie auf den starken Witege, der einst Dietrichs Gefolgsmann gewesen und in Ermenrichs Dienst getreten war.
»Wir müssen unsern Herrn Dietrich an dem Verräter rächen!« riefen die drei Jünglinge voller Kampfeseifer und drangen auf den Helden ein. Vergeblich mahnte Witege sie, vom Streite abzulassen, da sie ihn doch nicht bestehen könnten. Er mußte sich jedoch ihres Ungestüms erwehren und erschlug mit Mimung, seinem guten Schwerte, König Etzels beide Söhne, dann Dieter, den jungen Bruder des Berners.
Während Dieter und die Etzelsöhne mit Witege kämpften und sich ihr Schicksal vollzog, entbrannte vor der Stadt Raben eine schwere Schlacht zwischen den Mannen Dietrichs und König Ermenrichs. Lange Zeit tobte der Kampf hin und her. Dann gelang es Dietrich und seinen Recken, den Widerstand von Ermenrichs Scharen zu brechen. Der harterkämpfte Sieg hatte schwere Opfer gekostet. Viele Erschlagene und Verwundete lagen in ihrem Blute, und Dietrich befahl, die Verwundeten zu pflegen und die Toten zu bestatten.
Da sah er, wie eben Elsan auf die Walstatt geritten kam. Dietrich fragte sogleich nach den Jünglingen, die er dem Schutz des Recken anvertraut hatte. Er erfuhr, Schlimmes fürchtend, Elsan habe sie aus den Augen verloren, und bald darauf kamen Boten, die meldeten, Dieter und die Söhne Etzels lägen erschlagen auf der Heide.
»Habe ich sie dir, Elsan, nicht auf Leben und Tod übergeben?« rief Dietrich klagend aus. Dann übermannte ihn der Zorn, und er erschlug Elsan auf der Stelle. Als er die Toten fand und ihre Wunden untersuchte, erkannte er den Täter. Nur das Schwert Mimung schlug solche Wunden, und Witege war es, der dieses Schwert führte. Das Verlangen, den Tod der Jünglinge zu rächen, wurde übermächtig in ihm. Aber wo sollte er den Mörder finden?
Der treue Rüdeger von Bechelaren, dessen junger Sohn in der Rabenschlacht gefallen war, hatte Dietrich zur Todesstätte begleitet. Er war es auch, der Witege und seinen Neffen Rienold über die Heide reiten sah.
Dietrich nahm sofort die Verfolgung auf, als beide vor dem berserkerhaft wütenden Feinde flohen. Schließlich stellte sich der junge Rienold Dietrich entgegen und griff ihn mutig an. Er konnte jedoch Dietrichs rasendem Zorn nicht widerstehen und fiel nach kurzem Kampfe.
Witege, von furchtbarem Schrecken erfüllt, vergaß das Gebot der Ehre und suchte das Heil in der Flucht, auf die Schnelligkeit seines Pferdes vertrauend.
Aber der Abstand zwischen Witege und seinem Verfolger wurde immer kleiner, und da der Fliehende die Richtung auf das Meer nahm, hoffte Dietrich ihn am Strande zum Kampfe zu stellen. Schon verzweifelte Witege selbst an der Rettung, da erhob sich aus den Fluten eine Meerfrau, seine Urahne Waghild, die den letzten Sproß ihres Geschlechtes samt seinem Roß mit sich in die Tiefe zog. Vergeblich harrte Dietrich lange am Strande, in der Hoffnung, der Feind werde wieder auftauchen. Aber nichts zeigte sich über der weiten Flut, und Dietrich mußte erkennen, daß Witege seiner Rache für immer entzogen war.
Trotz des Sieges über Ermenrich blieb Dietrich bei den harten Verlusten seines Heeres nichts anderes übrig, als an Etzels Hof zurückzukehren. Durfte er aber wagen, nach dem Tode der Königssöhne, für deren Leben er sich verbürgt hatte, vor König Etzel und Königin Helche hinzutreten? In dieser Not bat er Rüdeger von Bechelaren um Beistand, und der wackere Kampfgenosse übernahm es, das hunnische Hilfsheer zurückzuführen und die Verzeihung des Königspaares zu erwirken.
Noch bevor er eintraf, erschienen die herrenlosen Rosse der beiden Königssöhne vor dem Palast. Sie hatten allein den Weg in die Heimat gefunden. Die blutigen Sättel kündeten von unheilvollem Geschehen.
Der Schmerz übermannte Etzel und Helche, als sie durch Rüdeger über das Schicksal der Söhne Gewißheit erlangten. Den Zorn des Königspaares über Dietrichs Wortbruch wußte Rüdeger jedoch zu besänftigen, indem er auf die unglückselige Fügung hinwies, die das Zusammentreffen der Jünglinge mit Witege bewirkt hatte.
Als Dietrich bald darauf vor Etzel und Helche erschien, neigte er sich bis zur Erde und bat, der König möge sein Leid an ihm rächen und ihn töten. Da Helche die Erniedrigung des Helden sah, brach sie in Tränen aus. König Etzel aber nannte ihn schuldlos und versicherte ihn seiner Huld. Lange Jahre lebte Dietrich noch an Etzels Hof, wegen seiner Tapferkeit und seines klugen Rates hoch geehrt und geachtet. Als Etzel nach Frau Helches Tod die schöne Kriemhild als Gattin heimführte und diese, voll Rachedurst gegen Sigfrids Mörder, die Burgunden ins Land lockte, um sie zu verderben, war es Dietrich, der König Gunther und den starken Hagen von Tronje im letzten Kampf überwand.
Nach dem Untergang der Burgunden war das Leben an Etzels Hofe grau und trostlos geworden. Etzels Lebensmut war gebrochen. Seine besten Mannen, unter ihnen Markgraf Rüdeger, waren im Kampfe gegen die Burgunden gefallen. Der einzige Sohn aus der Ehe mit Kriemhild hatte durch Hagens Schwert den Tod gefunden. Dietrich hielt nichts mehr im Hunnenlande zurück.
Er verließ Etzels Hof, um die Herrschaft in Bern zu übernehmen. Den alten Hildebrand, seinen getreuen Waffenmeister, schickte er voraus. An der Landesgrenze trat Hildebrand ein wehrhafter Recke entgegen; der Alte erkannte ihn nicht. Drohende Reden flogen hin und her, und bald ritten die beiden Kämpfer erbittert aufeinander los. Die Speere zersplitterten, die Schilde krachten, die Recken sprangen von den Pferden und begannen den Schwertkampf. Keiner konnte den andern überwinden, und schließlich wurden sie so müde, daß sie rasten mußten.
»Nenne mir deinen Namen und gib deine Waffen heraus!« rief Hildebrands Gegner zornig. Der Alte lachte höhnisch und verlangte von dem andern das gleiche. Da hieben beide wieder aufeinander ein, bis ihnen die Kräfte schwanden.
Schließlich schlug Hildebrand dem jungen Recken mit seinem Schwerte eine schwere Wunde, und endlich schien sich dieser besiegt zu bekennen. »Hier, nimm mein Schwert, denn du bist stärker als ich«, sagte er und reichte es dem Alten. Doch als Hildebrand danach griff, schlug der Junge zu. »Diesen Schlag lehrte dich ein Weib!« schrie der Alte voller Zorn und drang auf den andern ein. Er warf ihn zu Boden und richtete das Schwert dem Liegenden auf die Brust, dann nannte er ihm seinen Namen. Nun gab auch der Unterlegene den eigenen preis: Es war Hadubrand, Hildebrands Sohn.
Da warf der Alte das Schwert von sich, schloß den Sohn voller Freude in die Arme und küßte ihn unter Tränen. Gemeinsam ritten sie zu Frau Ute. Die wunderte sich über den fremden Gast. »Ich bringe dir meinen Vater Hildebrand«, sagte Hadubrand. Da umarmte Ute den Gatten, den sie über drei Jahrzehnte nicht gesehen hatte.
Nur kurze Zeit rasteten Vater und Sohn, dann ritten sie zusammen nach Bern an König Dietrichs Hof. Ermenrich, der ihm so lange die Herrschaft streitig gemacht hatte, war im Kampfe gefallen, und nun endlich konnte Dietrich sich in Rom, der Ewigen Stadt, mit der Königskrone schmücken lassen, die ihm rechtmäßig zustand. Die lange Zeit der Trennung von der Heimat hatte ihn erfahren und weise gemacht.
Viele Jahre trug der Gotenkönig in strahlendem Ruhm die Krone auf dem Haupte, und alles Volk verehrte seine Macht und seine Gerechtigkeit, seine Milde und wahre Mannestugend.


Siehe auch

Literatur

  • Karl Joseph Simrock: Das Amelungenlied: Th. Die beiden Dietriche. Die Rabenschlacht. die Heimkehr, 1871 (PDF-Datei)
  • Ernst Martin: Alpharts Tod: Dietrichs Flucht; Rabenschlacht in: Deutsches Heldenbuch Band 2, 1866 (PDF-Datei)
  • Albert Wilhelm Boesche: Sprachliche Untersuchungen zu Dietrichs Flucht und Rabenschlacht, 1905 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  • Ludwig Bückmann: Die Rabenschlacht, nach dem altdeutschen Heldengedicht, 1887 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  • Adolf Lange: Deutsche Götter - und Heldensagen für Haus und Schule, 1903, Vierter Abschnitt: „Dietrichs Zug gegen Ermenrich. Die Rabenschlacht“, S. 332ff. (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  • Ludwig Ettmüller: Daz maere von vrounn Helchen sünen, aus der Ravennaschlacht, 1846 (Netzbuch und einzelne Seiten als PDF-Dateien speicherbar)
  • Josef Breitbach: Die Rabenschlacht und andere Erzählungen, Verlag S. Fischer 1973
  • Joachim Heinzle: Einführung in die mittelhochdeutsche Dietrichepik, Berlin, de Gruyter, 1999 ISBN 3-11-015094-8
  • Elisabeth Lienert (Hg.): Rabenschlacht: textgeschichtliche Ausgabe, hrsg. von Elisabeth Lienert und Dorit Wolter, Tübingen, Niemeyer, 2005 ISBN 3-484-64502-4

Verweise