Richard I. Löwenherz
Richard I. (genannt Löwenherz, eigentlich Richard Plantagenêt); 8. September 1157 in Oxford; 6. April 1199 in Chinon, Westfränkisches Reich) aus dem Haus Plantagenet war von 1189–1199 König von England und Herrscher über das Angevinischen Reiches.
Inhaltsverzeichnis
Normannen und Angelsachsen
Obgleich selbst Normanne, erkannte Richard dennoch, wie wichtig es war, den Konflikt zwischen den einstigen normannischen Eroberern aus dem Norden des westlichen Frankenreichs und den alteingesessenen Angelsachsen beizulegen. Wollte er die Angelsachsen für seine militärischen Pläne zuverlässig nutzen können, so mußte er nicht nur deren Treue, sondern auch deren Akzeptanz bei den Normannen gewinnen. Gegen die Widerstände des normannischen Adels erließ Richard das Edikt, daß es fortan keine Unterscheidung mehr nach Normannen und Angelsachsen gebe, sondern nur noch ein Volk.
Leben und Wirken
Der Normanne Richard sammelte seine Kriegserfahrungen in zahllosen lokalen Konflikten mit rebellierenden Vasallen im Poitou und in der Auseinandersetzung mit seinen Vater Heinrich II.. Richard war eine der dominierende Persönlichkeit des Dritten Kreuzzugs. Er brach zusammen mit Philipp II. August im August 1190 von Vézelay auf und traf in Massilien auf seine unter dem Kommando des späteren Großmeisters des Templerordens Robert de Sablé stehende Flotte aus 100 Fracht- und 20 Kriegsschiffen.
Nachdem auf der Weiterfahrt im am Frühjahr am 1. Mai 1191 ein Sturm das Schiff von Joan und Richards Verlobten Berengaria von Navarra nach Zypern verschlagen hatte, wurden sie von dem selbsternannten Kaiser Isaak Dukas Komnenos als Geiseln festgehalten. Als dieser die Frauen nicht entlassen wollte, unterwarf Richard in einem kurzen Feldzug die ganze Insel.
Wenige Wochen nach seiner Ankunft im „Heiligen Land“ am 8. Juni 1191 gelang es dem Heer der Kreuzfahrer am 11. Juli 1191 Akko nach zweijähriger Belagerung einzunehmen. Als Saladin mit der Bezahlung des vereinbarten Lösegeldes von 200.000 Besants zusammen mit der Rückgabe des wahren Kreuzes und der Freilassung von 1.500 Christen im Austausch für die mohammedanischen Einwohner von Akko in Verzug geriet, ließ Richard 2.700 von ihnen kurzerhand enthaupten.
Im September 1191 besiegte er die Mohammedaner in der Schlacht von Arsuf und gewann in den folgenden Monaten den Küstenstreifen bis Askalon für das lateinische Königreich zurück. Mangels ausreichender militärischer Ressourcen war jedoch auch er nicht in der Lage Jerusalem anzugreifen. Da auch die Muslime nach fünf Jahren fast ununterbrochener Kämpfe ebenfalls nicht mehr über die Kräfte verfügten, die Kreuzfahrer aus den Küstenstädten zu vertreiben, wurde dieser Status in dem zwischen Richard und Saladin im September 1192 abgeschlossenen Friedensvertrag auf fünf Jahre festgeschrieben.
Auf seiner Heimreise verschlug ein Sturm seine kleine Flotte an die adriatische Küste nahe Ragusa. Wegen des bevorstehenden Winters wählte Richard den Weg zu Land. Verkleidet versuchte Richard mit geringer Gefolgschaft die Länder seines Schwagers Heinrich des Löwen zu erreichen.
Doch in der Nähe Wiens wurde er erkannt und am 21. Dezember vor Herzog Leopold V. gebracht, den Richard bei der Erstürmung von Akko schwer beleidigt hatte. Der deutsche Fürst Ostarrichis Leopold setzte seinen Gefangenen zunächst auf der Burg Dürnstein an der Donau fest und übergab ihn dann dem römisch-deutschen Kaiser Heinrich VI..
Nachdem die Königstreuen in England gegen den Widerstand von Richards intriganten Bruder Johann Ohneland schließlich das geforderte Lösegeld in der Höhe von 150.000 Silbermark aufbringen konnten, wurde Richard am 4. Februar 1194 freigelassen. Sofort nahm Richard erneut den Kampf um die Besitzungen seiner Erblande im Westfrankenreich auf und gewann sie bis 1198 wieder von Philipp II. August zurück.
Tod
Richard Löwenherz starb während der Belagerung der Burg eines unbotmäßigen Vasallen im Limousin, Châlus, an den Folgen der durch einen Armbrustbolzen am 26. März verursachten Verwundung am 6. April 1199.
Literatur
- Karl Alois Kneller: Des Richard Löwenherz Deutsche Gefangenschaft 1192-1194 (1893) (PDF-Datei)
- Karl Brunner: Der mittelenglische Versroman über Richard Löwenherz. Kritische Ausgabe nach allen Handschriften mit Einleitung, Anmerkungen und deutscher Übersetzung (1913) (PDF-Datei)
- Dieter Berg: Richard Löwenherz. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007, ISBN 978-3-534-14511-9 (aktuelle und umfassende fachwissenschaftliche Biographie).
- Jean Flori: Richard the Lionheart. King and knight. University Press, Edinburgh 2006, ISBN 0-7486-2046-X (Richard, cœur de lion).
- John Gillingham: Richard Löwenherz. Eine Biographie. Pawlak, Herrsching 1990, ISBN 3-88199-738-5.
- Knut Görich: Verletzte Ehre. König Richard Löwenherz als Gefangener Kaiser Heinrichs VI. In: Historisches Jahrbuch 123, 2003, S. 65–91
- Ulrike Kessler: Richard I. Löwenherz. König, Kreuzritter, Abenteurer. Verlag Styria, Graz 1995, ISBN 3-222-12299-7.
- Robert-Tarek Fischer: Richard I. Löwenherz 1157–1199. Mythos und Realität. Böhlau, Köln 2006, ISBN 3-205-77544-9.
- Régine Pernoud: Der Abenteurer auf dem Thron. Richard Löwenherz, König von England. Dtv, München 1999, ISBN 3-423-30538-X. (Mit Vorsicht zu genießen, da nicht fachwissenschaftlich)
- Ralph V. Turner, Richard R. Heiser: The reign of Richard Lionheart: ruler of the Angevin empire, 1189–1199. Pearson Education, Harlow u. a. 2000, ISBN 0-582-25660-7.
- Wilfried Westphal: Richard Löwenherz und Saladin. Der dritte Kreuzzug. Thorbecke, Ostfildern 2006, ISBN 3-7995-0162-2.