Seckendorff, Veit von

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Veit Ludwig von Seckendorff.jpg

Veit Ludwig von Seckendorff (Lebensrune.png 20. Dezember 1626 in Herzogenaurach; Todesrune.png 18. Dezember 1692 in Halle [Saale]) war ein deutscher Gelehrter, Historiker, Schriftsteller, Staatsmann und Staatstheoretiker. Er gilt als Hauptvertreter des älteren deutschen Kameralismus.

Leben und Werk

Der Sohn des vom schwedischen Staat wegen Verrats 1642 enthaupteten Obersten Joachim Ludwig von Seckendorff studierte in Straßburg Jurisprudenz, Philosophie, Geschichte und Theologie, trat 1645 als Aufseher über die herzogliche Bibliothek in die Dienste Ernsts I. von Sachsen-Gotha (des „Frommen“), wurde 1651 gothaischer Hof- und Justizrat, 1656 Geheimer Hof- und Kammerrat sowie Hofrichter in Jena und 1663 Wirklicher Geheimer Rat und Kanzler. 1664 trat er als Geheimrat, Kanzler und Konsistorialpräsident in die Dienste des Herzogs Moritz von Sachsen-Zeitz.

Nachdem er seit 1681 auf seinem Gut Meuselwitz bei Altenburg gelebt hatte, folgte er 1691 einem Ruf als kurbrandenburgischer Geheimrat nach Berlin und wurde noch im selben Jahr zum Kanzler der neu gegründeten Universität zu Halle ernannt, starb aber unmittelbar nach der Ankunft in der Universitätsstadt am 18. Dezember 1692.

Neue Deutsche Biographie

Quelle
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S. verbrachte seine Jugend hauptsächlich in Coburg, Mühlhausen und Erfurt. In Coburg wurde er mit Hzg. Ernst I. (dem Frommen) (1601–75) bekannt, der ihn 1640 in seine neue Residenzstadt Gotha mitnahm. Dort besuchte S. das Gymnasium, wo ihn der Pädagoge →Andreas Reyher (1601–73) und der Theologe Salomo Glassius (Glaß) (1593–1656) tief beeindruckten. 1642 wurde S.s im schwed. Heer dienender Vater wegen einer geplanten Desertion zu den kaiserl. Truppen hingerichtet. Bald danach wurde S. an der Univ. Straßburg immatrikuliert und kam hier in Kontakt mit dem Gelehrtenkreis um Heinrich Boecler (1611–72), der sich v. a. mit Geschichte, Philologie und Politik befaßte. Die Chronologie der weiteren Lebensstationen bis 1646 ist nicht eindeutig. 1646 hielt S. sich jedenfalls am Darmstädter Hof auf, wo ihn die Einladung Hzg. Ernsts erreichte, in Gotha in seine Dienste zu treten. Dort war S. zunächst in einer Art privaten Anstellung als Bibliothekar und Vorleser beim Herzog tätig, 1648–64 übernahm er verschiedene Ämter im Staats- und Gerichtswesen des Hzgt. Sachsen-Gotha (u. a. 1652 Hofrat, 1657 Hofrichter). Im Alter von knapp 30 Jahren verfaßte er sein literarisches Hauptwerk, den „Teutschen Fürstenstaat“. 1663 wurde er zum Präsidenten (nicht Kanzler) der Regierung ernannt, legte aber bereits im folgenden Jahr alle Ämter nieder und verließ den Hof. Die ältere Literatur folgt S.s Selbstaussage, wonach er aus Arbeitsüberlastung seine Dienste quittiert habe. Tatsächlich bildeten schwere Zerwürfnisse mit Hzg. Ernst den Hauptgrund für S.s Schritt. 1665 trat er als Kanzler und Konsistorialpräsident in den Dienst des Hzg. Moritz von Sachsen-Zeitz (1619–81), litt aber auch hier bald an den Querelen des Hoflebens und äußerte immer wieder sein „herzlich Verlangen und seufzen zur ruhe“. Nach dem Tod des Herzogs zog sich S. weitgehend ins Privatleben auf sein Gut Meuselwitz zurück. Hier entstand sein literarisches Alterswerk, v. a. der „Christenstaat“ und der „Commentarius historicus et apologeticus de Lutheranismo“. Im Zusammenhang mit diesen Arbeiten entwickelte sich ein ausgedehnter Briefwechsel mit zahlreichen Gelehrten seiner Zeit, u. a. Otto Mencke, Adam Rechenberg, Abraham Calov, Philipp Jakob Spener und G. W. Leibniz, welcher (mit Ausnahme der letzteren) bis heute kaum erschlossen ist. In seinen letzten Lebensjahren geriet S. in die Streitigkeiten um den Pietismus, dem er in der von Ph. J. Spener vertretenen Form nahestand und den er publizistisch unterstützte. Die mystischen und gegen die Amtskirchen gerichteten Spielarten des Pietismus lehnte er dagegen ab. 1692 ernannte ihn Kf. Friedrich III. von Brandenburg zum Kanzler der geplanten Univ. Halle.

S.s konnte die Auseinandersetzungen zwischen den Pietisten um August Hermann Francke und der orthodox-luth. Stadtgeistlichkeit noch beilegen, starb aber kurz darauf in seinem neuen Wirkungsort. S. entfaltete nachhaltige Wirkung einerseits in der Praxis als Reorganisator eines frühabsolutistischen luth. Territorialstaates mäßigen Umfanges nach Ende des 30jährigen Krieges und anderseits als Theoretiker, der seine in Sachsen-Gotha unter Hzg. Ernst dem Frommen gesammelten Erfahrungen in seinem „Teutschen Fürstenstaat“ zusammenfaßte. Dieses 1665–1754 oft aufgelegte Buch übte bis in die Mitte des 18. Jh. maßgeblichen Einfluß auf das Staatsdenken aus. Der ideale „Fürstenstaat“ war für S. geprägt durch Treue zu Kaiser und Reich, eine Politik der Vermeidung militärischer Konflikte, einen gemäßigten Absolutismus unter Berücksichtigung der Rechte der Stände, Förderung des Schulwesens und der wirtschaftlichen Wohlfahrt, Aufsicht über die Kirche und genaue Wahrung der Rechtspflege. Weitere detaillierte Ausführungen betreffen die Regierungspolitik, insbesondere das Polizei- und Finanzwesen. Entscheidend ist für S. jedoch die strikte christliche Fundierung aller Politik. Damit zählt er zu einer Gruppe von sich als Laientheologen verstehenden Staatsmännern seiner Zeit, die in einem praktischen Christentum als Grundlage des staatlichen und bürgerlichen Lebens die Rettung aus der Notsituation nach dem 30jährigen Krieg sahen. S. entwickelt im „Christenstaat“ den Gedanken eines ganz und gar christlich begründeten Staatswesens weiter. Die drei Stände, die das Gemeinwesen konstituieren (Kirche, Obrigkeit, Hausväter) sieht er in einer tiefen Krise, die nur durch Rückbesinnung auf die Religion in ihrer „Simplicitas“ überwunden werden könne. S. kam es, ähnlich wie den Pietisten, darauf an, die Moraltheologie aufzuwerten gegenüber der Dogmatik, die durch ihre Verbindung mit der weltlichen Philosophie korrumpiert sei. Von dieser Position aus gelangt S. zur Ablehnung des modernen Naturrechts eines Samuel Pufendorf (1632–94), das für ihn die Gefahr einer Abwendung vom Christentum in sich birgt. S.s Beteiligung am Streit zwischen Pufendorf und dessen Hauptgegner Valentin Alberti (Leipzig) endete nach schweren Zerwürfnissen mit der Aussöhnung der bedeutendsten Staatstheoretiker ihrer Zeit, die sich in Berlin auch persönlich kennenlernten. S.s immer deutlichere Hinwendung zu Fragen der Theologie und Kirche dokumentiert sich u. a. auch in seinen Rezensionen zahlreicher theol. Publikationen in den Leipziger „Acta Eruditorum“. Die größte Bedeutung kommt jedoch dem „Commentarius historicus“ zu, den S. in Abwehr einer Geschichte des Luthertums des Jesuiten Louis Maimbourg verfaßte und dessen bleibender Wert in der außerordentlichen Fülle an erstmals öffentlich zugänglich gemachten Dokumenten zur Reformationsgeschichte begründet ist. Dies war nur dadurch möglich, daß S. über seine ausgezeichneten Beziehungen zu allen wettin. Höfen einen für die Zeit ungewöhnlich weitgehenden freien Zugang zu den Archiven besaß.


Werke

Veit Ludwig von Seckendorff, Teutscher Fürsten-Stat.jpg
Veit Ludwig von Seckendorff, Teutscher Fürsten-Staat.jpg
  • Teutscher Fürsten-Stat/Staat, Götze, Frankfurt (Main) 1656 in dem S. die Wohlfahrt der deutschen Fürstentümer analysierte und dem Regenten einen Leitfaden an die Hand geben wollte, den Reichtum, die Gerechtigkeit und die staatliche Sicherheit und Ordnung zu wahren und zu mehren. (auf Google-Bücher)
    • Ab der 3. Aufl. 1664 mit Zusätzen versehen.
    • 5. Auflage, Franckfurt 1665
    • verm. Aufl. Franckfurt und Leipzig 1687
    • verm. Aufl. Franckfurt und Leipzig 1703
    • weiter Auflage, Johann. Meyers Wittwe, Jena 1720
    • mit Zusätzen von Biechling, Andres Simson von, [10.,] neueste Aufl. Franckfurt und Leipzig 1737
    • Nachdruck 1972
  • Kurtzer und deutlicher Beweiß daß weder die Verkündigung zukünftiger Dinge aus der Bewegung des Gestirns ins gemein noch insonderheit die Anmerkung gewisser Jahre Menschliches Lebens welche vor andern gefährlich sein sollen und bey den Gelehrten Climacterici genennet werden beständigen Grund habe; sondern solche Unterscheidung an sich selbst nichtig und vergeblich sey, Weimar 1660
  • Schola Latinitatis ad copiam verborum et notitiam rerum comparandum usui paedagogico in ducatu Gothano accomodata et ita iussu ser. Ducis Sax., Ernesti, Gotha 1662
  • Iustitia Protectionis Saxonicae In Civitate Erffurtensi etc., [S.l.] 1663
  • Repetita et necessaria defensio justae protectionis etc., Mainz 1664
  • Compendium historiae ecclesiasticae, decreto S. Ernesti, Sax. J. in usum Gymnasii Goth. compositum, Gotha 1660–1664
  • Christen-Stat, in drey Bücher abgetheilet. Im ersten wird von dem Christenthum an sich selbst / und dessen Behauptung / wider die Atheisten und dergleichen Leute; im andern von der Verbesserung des weltlichen / und im dritten des geistlichen Standes / nach dem Zweck des Christenthums gehandelt, Leipzig 1685 (Netzbuch)
    • [2. Aufl.] Leipzig 1693
    • [3. Aufl.] Leipzig 1706
    • 4. Aufl. Leipzig 1716
  • Teutsche Reden, an der Zahl vier und vierzig, samt einer ausführlichen Vorrede von der Art und Nutzbarkeit solcher Reden, Leipzig 1686. 2., verm. und überarb. Aufl. 1691
    • Nachdruck 2006
  • Defensio relationis de Antonia Burignonia, adversus anonymi famosa chartas, sub titulo moniti necessarii publicatas etc., Leipzig 1686
  • Commentarius historicus et apologeticus de Lutheranismo, Gotha 1688 (3 Bde., vollendet, Frankf. u. Leipz. 1692), eine Entgegnung auf Louis Maimbourgs Histoire du Luthéranisme.