Völkerpsychologie
Die Völkerpsychologie wurde von Wilhelm Wundt als Begriff etabliert und beschreibt die soziale und historische Dimension gemeinsamen menschlichen Erlebens und Verhaltens im Sinne einer Organischen Geschichtsbetrachtung, aus der sich wiederum ein Volk beschreibt. Also diejenigen Erscheinungen geistigen Lebens, an deren Zustandekommen eine Gemeinschaft einzelner und unter Umständen ein ganzes Volk beteiligt ist.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenhang
Wundt sah die Völkerpsychologie im entwicklungsgeschichtlichen Kontext von Denken, Fühlen und Willen mittels der Analyse von Sprache, Mythos und Sitte einer Volksseele. Die Völkerpsychologie hat mit Soziologie nur sehr wenig und mit Rassenkunde noch weniger zu tun, sondern bezieht daraus nur einige ihrer Erklärungsversuche. Die Sprache spielt eine Schlüsselrolle bei der Völkerpsychologie.
- Völkerpsychologie ist jener Teil der Psychologie, der es mit den aus dem Wechselwirken der Bewußtseinseinheiten innerhalb einer socialen Gemeinschaft entspringenden geistigen Gebilden (Sprache, Mythus, Religion, Kunst, Wissenschaft, Recht, Sitte, Sittlichkeit) zu tun hat, indem hier die Gesetzmäßigkeiten im Ursprung und in der Entwicklung dieser Gebilde auf comparativem Wege untersucht werden. Von dem in der allgemeinen Völkerpsychologie Gefundenen wird die Anwendung auf das geistige Leben der verschiedenen socialen Gruppen, Volkseinheiten gemacht, so daß die Völkerpsychologie grundlegend für diese Seite der Interpretation der Geschichte und Sociologie (s. d.) wird.[1]
Moritz Lazarus✡ und Heymann Steinthal✡ hatten zuvor in ähnlicher Weise bereits einen Volksgeist (Volksseele) beschrieben, der vom Individuum unabhängig und über längere historische Zeiträume gesehen, eine grundlegende gemeinsame Anschauung eines Volkes schafft. Aber erst Carl Gustav Jung erklärte die Völkerpsychologie auch im psychologischen Kontext.
Kritik
„Anders als der Name suggeriert, befasste sich diese Richtung nicht mit den psychologischen Eigenschaften von Völkern, sondern wollte den „Elementen und Gesetzen des geistigen Völkerlebens“ nachspüren. Tatsächlich handelte es sich um eine Ideenpsychologie […]. Hintergrund war die aus der Romantik stammende Vorstellung objektiver Ideen, die sich im Völkerleben verwirklichen. Soweit sie sich dabei empirischen Tatbeständen zuwandte, galt ihr Interesse primitiven außereuropäischen Gesellschaften, in denen sie die vermuteten Phänomene am reinsten beobachten zu können glaubte. Für die Erforschung der deutschen Regionalcharaktere blieb die „Völkerpsychologie“ ohne Bedeutung.“[2]
Siehe auch
Verweise
- Völkerpsychologie: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907
- Völkerpsychologie - Das Eigene und das Fremde erkennen (Handelsblatt, 20. 8. 2008)
- Wilhelm Wundt und die Volksgeister. Haben Völker eine Seele? (Junge Freiheit, 09/12 24. Februar 2012)
Literatur
- Andreas Vonderach: Völkerpsychologie. Was uns unterscheidet, Antaios, Schnellroda 2013 (Bestellmöglichkeit)
- Wilhelm Wundt: „Völkerpsychologie. Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache, Mythus und Sitte“ (gemischte Auflagen)
- Band 1, Teil 1 (PDF-Datei)
- Band 1, Teil 2 (PDF-Datei)
- Band 2, Teil 1 (PDF-Datei)
- Band 2, Teil 2 (PDF-Datei)
- Band 2, Teil 3 (PDF-Datei)
- Band 3 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- Band 8, Teil 2 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- Band 9 (PDF-Datei)
- Alle zehn Bände in ihren Teilungen (Netzbücher und einzelne Seiten als PDF-Dateien speicherbar) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- „Probleme der Völkerpsychologie“ (PDF-Datei, HTML-Version)
- Lazarus Schweiger: „Philosophie der Geschichte, Völkerpsychologie und Sociologie in ihren gegenseitigen Beziehungen“ (1899) (PDF-Datei)
- Wilhelm Emil Mühlmann: Geschichte der Anthropologie, Wiesbaden 1986 (4. Auflage) HTML-Fassung der 2. Auflage
- Christa M. Schneider, Martin Müller: Die Völkerpsychologie – Entstehung und Weiterentwicklung unter kulturpsychologischen Aspekten. In: Schweizerische Zeitschrift für Psychologie 52 (1993), S. 93–102