Willensfreiheit
Als Willensfreiheit oder Freier Wille, Freiheit des Willens wird im allgemeinen die Vorstellung bezeichnet, nach welcher der Mensch bzw. dessen Wille oder dessen individuelles Wollen und sein hieraus motiviertes Handeln frei, d. h. nicht vorherbestimmt seien; mithin der einzelne Mensch somit nicht dem Kausalitätsgesetz unterliege, sondern von diesem in seinen Entscheidungen unabhängig sei.
Ergibt sich bereits durch diese postulierte Sonderstellung des Menschen zu den ihm umgebenden Dingen ein gewisser Widerspruch, so wird dieser noch auffälliger bezüglich der Tierwelt, in welcher den einzelnen Lebewesen die Willensfreiheit — in der Regel mit Hinweis auf die hier fehlende Vernunft — häufig ebenfalls[1] abgesprochen wird. Da jedoch die intellektuellen Übergänge zwischen den klügsten Tieren und schwachsinnigsten Menschen, und wiederum zwischen diesen und der restlichen Menschheit vollkommen fließend sind, lässt sich von den Vertretern der Willensfreiheit nicht angeben, wann diese denn nun beim einzelnen menschlichen Individuo eintrete. Daher war die Vorstellung von einer quasi exklusiven menschlichen Willensfreiheit von jeher ein Feld anhaltender Streitigkeiten.
Inhaltsverzeichnis
Philosophie
In der Philosophie bezeichnet der Terminus darüber hinausgehend die metaphysische Freiheit des Willens. Diese Erkenntnis wurde zuerst durch Arthur Schopenhauer formuliert, der zugleich die gebräuchliche Vorstellung von einer Willensfreiheit des einzelnen Menschen innerhalb seines Lebenslaufes strikt verwarf. Zugestanden wurde dem (als jedem Menschen zugrundeliegend erkannten) Willen hingegen, in seinem Erscheinen durch die Geburt als derjenige Charakter ins Dasein zu treten, der ihm angemessen ist; so daß der einzelne Mensch demnach zwar voll und ganz frei verantwortlich ist, für das was er an für sich darstellt, sein hieraus resultierendes Handeln und auch Denken im individuellen Leben aber, wie alle in der Welt erscheinenden Dinge, durchaus mit strenger Notwendigkeit geschehen und mitnichten frei sind. Die Freiheit liegt somit nicht im Handeln (Operari) sondern im Sein (Esse).
Religion
Ähnlich äußert sich die eigentliche christliche Mystik, welche die menschliche, nicht der Vernunft sondern dem individuellen Willen zugehörige Güte oder Bosheit als außerhalb der einzelnen Willkür (Velle non discitur „Wollen lässt sich nicht lernen“) betrachtet und dementsprechend die kirchliche Dogmatik außergewöhnliche Güte oder Heiligkeit als Gnadenwirkung benennt, beim allgemein sündigen Menschen aber von der Erbsünde spricht.
Zitate
- „La liberté est un mystère“ [Die Freiheit ist ein Mysterium] — Nicolas Malebranche
- „Sobald wir dem Menschen die Freiheit zugestehen, ist es um die Allwissenheit Gottes getan; denn sobald die Gottheit weiß, was ich tun werde, bin ich gezwungen zu handeln, wie sie es weiß.“ — Johann Wolfgang von Goethe[2]
- „Notwendigkeit ist das Reich der Natur; Freiheit ist das Reich der Gnade.“ — Arthur Schopenhauer[3]
- „Weder unser Thun, noch unser Lebenslauf ist unser Werk; wohl aber Das, was Keiner dafür hält: unser Wesen und Daseyn. Denn auf Grundlage dieses und der in strenger Kausalverknüpfung eintretenden Umstände und äußern Begebenheiten geht unser Thun und Lebenslauf mit vollkommner Nothwendigkeit vor sich. Demnach ist schon bei der Geburt des Menschen sein ganzer Lebenslauf, bis ins Einzelne, unwiderruflich bestimmt; so daß eine Somnambule in höchster Potenz ihn genau vorhersagen könnte.“ — Arthur Schopenhauer[4]
Filmbeiträge
Literatur
- Zur Lehre von der Freiheit des menschlichen Willens. Briefe an Herrn Professor Griepenkerl von Herbart, 1836 (PDF-Datei)
- Augustinus: Der freie Wille. Übersetzt von Carl Johann Perl. 4. Aufl., unveränd. Nachdruck. Paderborn 1986, ISBN 3-506-70462-1
- Ulrich Pothast (Hg.): Seminar: Freies Handeln und Determinismus. Frankfurt am Main, Suhrkamp 1978, ISBN 3-518-07857-7 [Beiträge von Jean-Paul Sartre, George Edward Moore, Moritz Schlick, John L. Austin, Max Planck, Donald Davidson, Ernst Bloch u.v.a.]
- Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. I: 1818, I+II: 1844. ISBN 3-458-33573-0 , und: Über die Freiheit des menschlichen Willens. In: Die beiden Grundprobleme der Ethik. Kleinere Schriften II. Diogenes, Zürich 1977, ISBN 3-257-20426-4.