Menge, Wolfgang
Wolfgang Menge ( 10. April 1924 in Berlin; 17. Oktober 2012 ebenda) war ein jüdischer Schriftsteller, Rundfunkautor, Publizist und Journalist.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Wolfgang Menge wurde am 10. April 1924 in Berlin geboren. Sein Vater war Studienrat, wandte sich aber später einem anderen Beruf zu, seine jüdische Mutter stammte aus Rumänien.[1] Menge wuchs in Hamburg auf. Er legte zur nationalsozialistischen Zeit in Berlin das Abitur ab und diente dann in der Großdeutschen Wehrmacht. Nach dem Krieg wandte er sich zunächst dem Journalismus zu und absolvierte ein Volontariat beim „German News Service“, dem Vorläufer der „Deutschen Presse Agentur“.[2]
Wirken
Nach seinem Volontariat wurde Wolfgang Menge Assistent bei einem Korrespondenten in London. Ab Januar 1949 war er Reporter beim neu gegründeten „Hamburger Abendblatt“. Ab 1954 war er Korrespondent der WELT in Ostasien, mit Sitz in Tokio und Hongkong. Er war der erste bundesdeutsche Journalist, der nach dem Zweiten Weltkrieg mit der transsibirischen Eisenbahn von Peking nach Moskau reisten durfte.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland etwa Mitte der 1960er Jahre begann Menge Drehbücher zu schreiben. In der Bundesrepublik avancierte er zum erfolgreichen Drehbuchautor für Kriminalfilme („Stahlnetz“,[3] „Tatort“ usw.), zum „Talkmaster“ im Fernsehen und zum Erfinder von Fernsehgestalten („Ekel Alfred“ und „Motzki“). Er schrieb aber auch mancherlei Umerziehungsstücke.
Bereits als Journalist legte Menge erste Arbeiten für Rundfunk und Fernsehen vor, in denen er seine besondere Begabung bewies, politische Zeitprobleme auf dem Wege spannender Unterhaltung bewußtzumachen. U. a. schrieb er Anfang der 1950er Jahre für den NWDR-Hörfunk (Nordwestdeutscher Rundfunk) die Dialog-Serie „Adrian und Alexander“, aus der später im Fernsehen die Serie „Hallo Nachbarn“ entwickelt wurde.[4] Außerdem schrieb er die Drehbücher zu den Filmen „Strafbataillon 999“, „Polizeirevier Davidswache“, „Ich bin ein Elefant, Madame“ und „Villa Tannenberg“. Erste Fernseherfolge hatte er mit Fernsehspielen wie „Zeitvertreib“, „Eines schönen Tages“, „Verhör am Nachmittag“, „Der Deutsche Meister“ und mit Drehbüchern zur Kriminalfilmserie „Stahlnetz“.
Wolfgang Menge schrieb Anfang der 1970er Jahre einige Fernsehspiele, die durchweg in ihrer realistischen, alle Möglichkeiten des Mediums Fernsehen ausnutzenden Inszenierung großes Aufsehen erregten. Sein bekanntester Protagonist ist der Antiheld aus „Ein Herz und eine Seele“, Alfred Tetzlaff, dieser „Sozi-Hasser“ ist,[5] in Menges Darstellung, der stereotype reaktionäre bundesdeutsche Spießer. Sein chauvinistisches bis frauenverachtendes Auftreten, Ausfälle gegen die SPD-Regierung, seinen Schwiegersohn und deren Idealisierung der 68er-Bewegung, gegen Ausländer, Gastarbeiter und vieles mehr bedienen dabei sämtliche Klischees. Diese „Polit-Satire“, die zunächst nur in den Dritten Programmen lief, wurde Ende 1973 dann aber auch ins erste ARD-Programm übernommen. Bis heute wird die „Ekel-Alfred“-Serie mit ihren zahllosen Wiederholungen zu den größten Fernseh-Erfolgen gerechnet.
Mit seiner 1984 ausgestrahlten, Preußen verunglimpfenden Serie in fünf Teilen „So lebten sie alle Tage“ erlebte Menge, was die Einschaltquoten angeht, einen Reinfall.[6] Sein Fernsehspiel „Kennwort Möwe“ (1986), in dessen Mittelpunkt eine fiktive Flugzeugentführung und ihre Beendigung bei konkurrierendem Verhalten von Polizei und ministeriellem Sonderstab stand, erntete Aufmerksamkeit. Zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987 präsentierte der Erfolgsautor den zweiteiligen ARD-Film „Reichshauptstadt privat“, eine Geschichte des Berliner Alltagslebens der Jahre 1938 bis 1944.[7]
1991 wurde der zweiteilige Fernsehfilm „Ende der Unschuld“ (WDR/ARD) über die Atombombe nach einem Menge-Drehbuch produziert. In diesem Zusammenhang verstieg sich der Literat dazu, die hauptsächlich von jüdischen Wissenschaftlern gebaute Hiroschima-Bombe auch noch auf das deutsche Schuldkonto zu schreiben. Er verbreitete: „Die amerikanische Bombe, die über Hiroschima abgeworfen wurde, ist nur gebaut worden, weil man vor der deutschen Bombe Angst hatte. Der Abwurf hatte dann zwar andere Ursachen, aber im Grunde ist das auch unsere Bombe. Ohne die Deutschen hätte es diese Bombe nicht gegeben. Vielleicht gar keine.“[1]
Mit „Negerküsse“ (WDR/ARD, 1992), einer politisch korrekten Komödie um das Verhältnis der „Ersten Welt“ zur „Dritten Welt“, demonstrierte Menge erneut sein satirisches Talent. Für heftige Kontroversen sorgte dann 1993, nach der Teilvereinigung, Menges deutschfeindliche Satire-Serie „Motzki“ über einen Berliner Frührentner, der wöchentlich im ARD-Abendprogramm seine „Ossi“-Vorurteile gegenüber seiner aus der Ex-DDR stammenden Schwägerin verbreiten durfte. Medienkommentatoren vermißten allerdings den Humor, den die Ekel-Alfred-Reihe noch ausgezeichnet hatte. Trotz guter Einschaltquoten wurde nach der 13. und letzten Folge von einer Fortsetzung des „Motzki“ abgesehen.[7]
Den Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin verarbeitete Menge satirisch in der Komödie „Spreebogen“ (1994), bevor er sich an eine Neuauflage von „Ekel Alfred“ wagte. Schauspieler Jaecki Schwarz trat als Arnold Tetzlaff die Nachfolge des legendären Nörglers Alfred Tetzlaff an und war ab Frühjahr 1998 in der reaktivierten Familienserie, nun unter dem Titel „Das Wort zum Sonntag“, Freitagabend in der ARD zu erleben, wo er in altbekannter Spießermanier, mit seiner Frau Edith (gespielt von Rotraud Schindler) an der Seite, über aktuelle politische Probleme und den modernen Zeitgeist herziehen durfte.
Bei der Wiederbelebung der „Stahlnetz“-Reihe 1999 war er als „Berater“ an der Drehbuchentwicklung von Jessica Schellack (der Tochter von Jürgen Roland) und Kerstin Oesterlin beteiligt.
Im April 2000 wurde Menge, in der Vergangenheit bereits mit namhaften Preisen geehrt, mit dem Schillerpreis der Stadt Mannheim ausgezeichnet. „Wolfgang Menge ist ein homo politicus, der es versteht, unzeitgemäße Themen einem großen Publikum auf unterhaltsame Weise nahe zu bringen.“ hieß es in der Laudatio anläßlich der Preisverleihung. Menges jüngstes Drehbuch befaßte sich mit dem Leben der von ihrem Lebensgefährten Gert Bastian mit in den Tod genommenen Grünen-Politikerin Petra Kelly, das 2001 vom WDR unter dem Titel „Eine tödliche Liebe“ verfilmt wurde.[7]
Autor
Aufgrund seiner Vertrautheit mit der chinesischen Küche verfaßte er das Kochbuch Ganz einfach – chinesisch.[8]
Fernsehmoderator
In den 1980er Jahren war Menge einer der Moderatoren der Gesprächsrunde „III nach Neun“ (Radio Bremen) und moderierte auch die Talkshow „Leute“ im Berliner Café Kranzler. Legendär ist der Auftritt Wolfgang Neuss’ aus dem Jahre 1983, als dieser dem damaligen Regierenden Bürgermeister Berlins Richard von Weizsäcker in der Sendung „Leute“ ungeniert über den Mund fuhr und ihn mit dem Kosenamen „Richie“ ansprach.
Restaurantkritiker
Während damals Gerd von Paczensky die Spitzengastronomie beurteilte, kümmerte Menge sich um die normalen Restaurants. Sein Bogen war weit gespannt. Er reichte von dem ungewöhnlichen Abruzzenrestaurant in Berlin mit einem mehrgängigen Menü bis zur urdeutschen Gaststätte an der Ostsee (die besten Bratkartoffeln in Deutschland). Seine Erlebnisse und Kritiken hat er in seiner typischen Erzählweise verfaßt.
Familie
Menge war mit der Journalistin Marlies Menge verheiratet und hatte drei Söhne: Moritz, David und Jacob. David arbeitet als Kantor in Gifhorn, Jacob als Journalist. Die Ferien verbrachte er mit seiner Familie bevorzugt auf Sylt.
Wolfgang Menge starb am 17. Oktober 2012 in Berlin. Er wurde auf dem städtischen Waldfriedhof Zehlendorf bestattet.
Filmographie
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Auszeichnungen
Wolfgang Menge erhielt für seine Arbeiten unter anderem den „Ernst Reuter Preis“, den „Prix Futura“, den „DAG-Preis“ und den „Prix Italia“.
- 1966: Jakob-Kaiser-Preis
- 1971: Primo Italia
- 1972: Bambi (Auszeichnung)
- 1972: Adolf-Grimme-Preis
- 1973: Fernsehfilmpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste für Smog
- 1979: Ernst-Schneider-IHK-Medienpreis✡
- 1987: Pfeifenraucher des Jahres
- 1987: Adolf-Grimme-Preis, Kategorie „Besondere Ehrung“
- 1998: Schillerpreis der Stadt Mannheim
- 1991: Fernsehfilmpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste für Ende der Unschuld
- 1991: Nominierung zum International Emmy Award
- 2001: Deutscher Fernsehpreis - Ehrenpreis der Stifter