Bauer, Otto (1881)

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Der junge Otto Bauer

Otto Bauer (geb. 5. September 1881 in Wien; gest. 5. Juli 1938 in Paris) war ein jüdischer Politiker und ein führender Theoretiker des Austromarxismus. Er war von 1918 bis 1934 stellvertretender Parteivorsitzender der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP).

Werdegang

Otto Bauer war der Sohn des wohlhabenden jüdischen Textilfabrikanten Philipp Bauer, der sich zum Liberalismus bekannte. Bauer, seit 1907 Redakteur sozialdemokratischer Blätter, geriet 1917 als k. u. k. Soldat in russische Gefangenschaft.[1] Als Nachfolger des Sozialistenführers jüdischer Herkunft Victor Adler war er von November 1918 bis Juli 1919 Staatssekretär des Äußeren der Österreichischen Republik (Außenminister). Am 2. Mai 1919 unterzeichnete er mit dem reichsdeutschen Außenminister von Brockdorff-Rantzau das „Berliner Protokoll“ für den Zusammenschluß der Republiken von Weimar und Wien zu einem Großdeutschen Reich.[1] Reichstag und Reichspräsident sollten abwechselnd in Wien und Berlin residieren. Unter Androhung militärischer Gewalt verhinderten die Alliierten das Entstehen eines demokratischen Großdeutschlands, das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die kommenden Verhängnisse verhindert hätte. Aus Protest gegen das alliierte Anschlußverbot und gegen die Abtrennung Südtirols sowie der Sudetengebiete trat Otto Bauer von seinem Amt zurück.[1] Von 1920 bis 1934 wirkte er als Abgeordneter des Wiener Nationalrates. Otto Bauer zettelte den Februaraufstand 1934 mit an und floh dann in die Tschechoslowakei.[2]

Den Nationalsozialismus lehnte er aufs schärfste ab.[1] Nach dem Anschluß Österreichs im März 1938 plädierte er für eine „gesamtdeutsche Revolution“ und verwarf die Forderung nach Abtrennung Österreichs vom Deutschen Reich.[1]

In Koschs „Biographischem Staatshandbuch“ heißt es über Otto Bauer: „Trotz seiner sonstigen radikal links orientierten politischen Einstellung nahm er eine stark nationale Haltung ein.

Otto Bauer starb am 4. Juli 1938 in der französischen Hauptstadt. Der Jude Bruno Kreisky hielt Bauer 1986 unter den großen Männern, denen er begegnet sei, trotz mancher Fehlbeurteilung von überlegenem Intellekt.[3]

Familie

Otto Bauers 1919 geborener Sohn Martin war erfolgreicher Trickfilmzeichner und Filmproduzent in Österreich, der für zahlreiche außergewöhnliche Fernsehwerbungen der 1950er- und 1960er-Jahre verantwortlich zeichnete. Er produzierte auf eigene Kosten einen Modelltrick-Werbekurzfilm für die SPÖ zur Nationalratswahl 1966.

Seine Schwester Ida Bauer (1882–1945) ist bekannt geworden als Patientin von Sigmund Freud, der eine berühmte Fallgeschichte über sie schrieb, in der er sie mit dem Pseudonym „Dora“ bezeichnete.

Schriften

  • Die Nationalitätenfrage und die Sozialdemokratie, Wien 1908
  • Die Sozialisierungsaktion im ersten Jahre der Republik, Wien 1919
  • Der Weg zum Sozialismus, Berlin 1919
  • Bolschewismus oder Sozialdemokratie?, Wien 1920
  • Die österreichische Revolution, Wien 1923
  • Die Nationalitätenfrage und die Sozialdemokratie, Wien 1924;
  • Der Kampf um Wald und Weide, Wien 1925
  • Sozialdemokratische Agrarpolitik, Wien 1926
  • Sozialdemokratie, Religion und Kirche, Wien 1927;
  • Kapitalismus und Sozialismus nach dem Weltkrieg, Berlin 1931
  • Der Aufstand der österreichischen Arbeiter. Seine Ursachen und seine Wirkungen, Prag 1934
  • Zwischen zwei Weltkriegen? Die Krise der Weltwirtschaft, der Demokratie und des Sozialismus, Prag 1936
  • Die illegale Partei, Paris 1939 (posth.)

Im Europa-Verlag Wien erschien 1975–1979 eine neunbändige Gesamtausgabe von Bauers Werk, für die seine Texte aber sprachlich bearbeitet wurden.

Fußnoten

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 David Korn: Wer ist wer im Judentum? FZ-Verlag. ISBN 3-924309-63-9
  2. Meyers Lexikon, Band 1, Bibliographisches Institut AG., Leipzig, 8. Auflage 1936
  3. Kreisky: Zwischen den Zeiten, S. 222