Deutsches Ordensland
Deutsches Ordensland oder Deutschordensland (Staat des Deutschen Ordens; auch Deutschordensstaat) war ein deutscher Staat des Deutschen Ordens in Nordostdeutschland in der Zeit von 1230 bis 1561.
Der Deutschordensstaat umfaßte im Kern etwa das Gebiet des Alten Preußenlandes (des späteren West- und Ostpreußens) sowie bis 1561 als eigenständiges Meistertum Livland, Teile des derzeitigen Estlands und Lettlands. Auch die Ordensprovinzen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, die dem Hochmeister direkt unterstellt waren, können dem Ordensstaat zugerechnet werden.
Nach dem Ersten Weltkrieg gegen Deutschland kam der Oststaat-Plan auf, bei dem eine erneute Abtrennung vom Kernreich diskutiert wurde. Ziel war die Rettung Ostdeutschlands vor dem polnischen Zugriff.
Inhaltsverzeichnis
Zugehörigkeit
Das Gebiet des Deutschen Ordens wird heute von manchen „modernen“ und umerzogenen Historikern fälschlicherweise und Fakten mißachtend nicht als zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gehörig betrachtet, obwohl es vollends deutsch geprägt war und schon 1226 vor seiner offiziellen Gründung in der Goldbulle von Rimini als kaiserliches Lehen betrachtet wurde. Das Ordensland wurde vom römisch-deutschen Kaiser mit Privilegien ausgestattet und das Gebiet als zum Reich zugehörig anerkannt. Auch erklärte der Augsburger Reichstag von 1530 Livland zum Mitglied des Reiches, und die militärische Aneignung und Umwandlung des Ordensgebietes Preußen in ein polnisches Lehensherzogtum wurde vom Reichstag nicht akzeptiert. Das Deutsche Ordensland war somit folglich ein deutscher Staat und ein Teil des ersten Reiches.
Volksgruppen
Stämme
- Der größte Teil des Ordensgebietes war Siedlungsraum baltischer Volksstämme, beispielsweise der Pruzzen, Litauer, Letten und Semgallen.
- Das nördliche Baltikum war von den finno-ugrischen Völkern der Esten und Liven bewohnt.
- In Pommerellen siedelten die zu den Elbe-Oder-Slawen gehörenden Pommern (Kaschuben).
- Im gesamten Küstenraum des Baltikums gab es punktuelle Ansiedlungen von Schweden und Dänen, hauptsächlich in Estland.
- In sämtlichen Städten dominierte der deutsche Bevölkerungsanteil. Massive bäuerliche deutsche Siedlungstätigkeit fand in Preußen statt, hier vor allem im westlichen Teil.
- Polnische Bevölkerungsanteile fanden sich in Pommerellen und im Kulmer Land, seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch im südlichen Ostpreußen (Masuren).
Sprachen
Während die politische und wirtschaftliche Herrschaftsschicht Deutsch sprach, lebten unter der Landbevölkerung vorerst die althergebrachten Sprachen weiter: Prußisch, Livisch, Kurisch, Lettisch und Estnisch. Deutsch – vor allem Mitteldeutsch und in den Küstenregionen Niederdeutsch – wurde anfangs in den Städten gesprochen, die von den deutschen Eroberern, Siedlern, Pionieren und Kaufleuten gebaut wurden. Die deutsche Sprache breitete sich dann allmählich auf die prußische und litauische Bevölkerung sowie auf die aus Masowien geflüchteten Masuren aus. Auch die höheren Amtsträger waren für gewöhnlich Deutsche. Doch kann man nicht von einer ausschließlichen deutschen Amtssprache sprechen, da offizielle Dokumente auch in Lateinisch verfaßt wurden.
Gebietsanspruch
In dem deutsch-polnischen Grenzvertrag von 1990 verzichteten die Nachkriegsregierungen in Berlin und Warschau völkerrechtswidrig zu Lasten Deutschlands und des deutschen Volkes unter anderem, auch für die Zukunft, auf jegliche Gebietsansprüche in Ostdeutschland.[1] Nicht vertraglich geregelt wurde dagegen der Umgang mit sogenannten Individualklagen. Durch den EU-Beitritt Polens sehen einige der Kläger neue rechtliche Chancen, ihr beraubtes Gut wiederzuerlangen.
Die Organisation „Preußische Treuhand“ reichte seit 1990 die Klagen von zahlreichen Deutschen ein, die nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben worden waren. Diese fordern vorzugsweise die Rückgabe ihres früheren Eigentums oder zumindest Entschädigungszahlungen.
Auch der Ritterorden hat berechtigte Ansprüche, als jedoch der Deutsche Orden Ende 1989 in Polen anfragte, ob die Rückkehr in eine der Ordensburgen akzeptiert werden würde, wo er seine karitativen Dienste anbieten würde, wurde dies barsch abgelehnt. Diese erneute Diskussion um Besitztümer im zur Zeit von Polen annektierten Gebiet zeigt, daß die Gründung des Ordensstaats durch den Deutschen Orden noch teilweise die heutige Politik beeinflußt. Es bleibt wichtig, sich mit der Geschichte der Deutschritter zu beschäftigen. Die von Peter von Duisburg in den 1320er Jahren verfaßte Preußische Chronik ist die wichtigste Quelle, um sich mit der mutigen Besiedelung des Ostens durch den Deutschen Orden vertraut zu machen.
Literatur
- Zeitgenössische Chroniken
- Peter von Dusburg:[2] Chronicon Terrae Prussiae (um 1326).
- Nikolaus von Jeroschin: Di Kronike von Pruzinlant (Übertragung des Chronicon Terrae Prussae ins Niederdeutsche mit Ergänzungen, um 1340).
- Hermann von Wartenberg: Chronicon Livoniae (um 1378)
- Peter Suchenwirt: Von Herzog Albrechts Ritterschaft; um 1377, umbenannt 1395 nach dem Tod des Herzogs zu: Vom Zuge Herzog Albrechts -selig-
- Wigand von Marburg: Chronica nova Prutenica (in Fragmenten überliefert, um 1400)
- Johann von Posilge: Chronik des Landes Preußen um 1420
- Quelleneditionen
- Theodor Hirsch, Max Toeppen, Ernst Strehlke: Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergang der Ordensherrschaft; Bände 1–5, Leipzig 1861–1874.
- Klaus Scholz, Dieter Wojtecki: Peter von Dusburg. Chronik des Preußenlandes. Übersetzung und Erläuterung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1984, ISBN 3-534-00604-6 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Band XXV).
- Ēvald Mugurēvičs: Hermanni de Wartberge Chronicon Livoniae.; kommentierte Übersetzung von Chronicon Livoniae. Rīga 2005.
- Juozas Jurginis: H. Latvis, H. Vartbergė. Livonijos kronikos.; kommentierte Übersetzung von Chronicon Livoniae. Vilnius 1991.
- P.Pakarklis, E. Gudavičius und A. Nikžentaitis (Hrsg.) Popiežiaus bulės dėl kryžiaus žygių prieš prūsus ir lietuvius XIII a. [Papstbullen bezüglich der Kreuzzüge gegen Pruzzen und Litauer im 13 Jahrhundert] Vilnius 1987.
- Alois Primisser: Peier Suchenwirt’s Werke aus dem vierzehnten Jahrhunderte: Ein Beytrag zur Zeit- und Sittengeschichte; Wien, 1827
- Wissenschaftliche Literatur
- Reihe Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens. Bisher 60 Bände. Verlag Elwert N.G.
- Hartmut Boockmann: Der Deutsche Orden. 12 Kapitel aus seiner Geschichte. Beck, München 1999 (1981), ISBN 3-406-38174-X.
- Hartmut Boockmann: Deutsche Geschichte im Osten Europas. Ostpreußen und Westpreußen. Durchgesehene und auf den neuesten Stand gebrachte Sonderausgabe. Siedler, München 2002 (1992), ISBN 3-88680-772-X.
- Albert Ludwig Ewald: Die Eroberung Preußens durch die Deutschen. Band 3, 1884 (Nachdruck, eingeschränkte Vorschau)
- Christofer Hermann: Burgen im Ordensland – Deutschordens- und Bischofsburgen in Ost- und Westpreußen Bergstadtverlag Wilhelm Gottlieb Korn, Würzburg 2006
- Wolfgang Kleinknecht, Herbert Krieger: Das Mittelalter. Materialien für den Geschichtsunterricht. 4., neubearb. Aufl. Diesterweg, Frankfurt am Main u.a. 1972 (1960), ISBN 3-425-07332-X (Handbuch des Geschichtsunterrichts. Band 3).
- Stanislaus J. Klimek: Im Zeichen des Kreuzes. Die anerkannten geistlichen Ritterorden. Diethelm Lütze Verlag, Stuttgart 1986.
- Erich Maschke: Der Deutsche Ordensstaat. Gestalten seiner großen Meister. Hanseatische Verlags-Anstalt, Hamburg-Wandsbek 1942 (1935).
- A. M. Pankratowa (Red.): Geschichte der UdSSR. Band I. Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau 1947.
- Otto Piper Burgenkunde Bauwesen und Geschichte der Burgen Verlag R. Piper & Co., München 1912
- Hans Prutz: Die Ritterorden. Weltbild-Verlag, Augsburg 1998, ISBN 3-8289-0287-1 (Nachdruck der Originalausgabe: Die geistlichen Ritterorden. Ihre Stellung zur kirchlichen, politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung des Mittelalters. Bechermünz-Verlag, Berlin 1908).
- Conrad Rethwisch: Die Berufung des Deutschen Ordens gegen die Preußen (Inauguraldissertation zur Erlangung der philosophischen Doktorwürde bei der Georg-August-Universität zu Göttingen). Moeser, Berlin 1868 (Volltext).
- Jürgen Sarnowsky: Der Deutsche Orden. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-53628-1.
- Hermann Schreiber: Preußen und Baltikum unter den Kreuzrittern. Die Geschichte des Deutschen Ordens. Katz, Gernsbach 2003, ISBN 3-925825-83-5.
- Bruno Schumacher: Geschichte Ost- und Westpreußens. 3. Auflage. Holzner, Würzburg 1957.
- Wolfgang Sonthofen: Der Deutsche Orden. Weltbild, Augsburg 1995 (1990), ISBN 3-89350-713-2.
- Marian Tumler: Der Deutsche Orden im Werden, Wachsen und Wirken bis 1400. Panorama-Verlag, Wien 1954.
- Maike Trentin-Meyer für das Deutschordensmuseum – Text von Udo Arnold: Deutscher Orden 1190–2000 – Ein Führer durch das Deutschordensmuseum in Bad Mergentheim, Spurbuchverlag, 2004, ISBN 3-88778-212-7
- Johannes Voigt: Die Zeit von der Unterwerfung der Preußen 1283 bis zu Dieterich von Altenburgs Tod 1341. Bornträger, Königsberg 1880 (Geschichte Preußens, von der ältesten Zeit bis zum Untergange der Herrschaft des Deutschen Ordens. 4. Band. PDF, 25,9 MB).
- Ewald Volgger (Hrsg.): Die Regeln des Deutschen Ordens in Geschichte und Gegenwart. Deutschordens-Verlag, Lana 1985.
- Johann Matthias Watterich: Die Gründung des Deutschen Ordensstaates in Preußen. Leipzig 1857 (Volltext)
- Uwe Ziegler: Kreuz und Schwert. Die Geschichte des Deutschen Ordens. Böhlau, Köln u.a. 2003, ISBN 3-412-13402-3.
- Dieter Zimmerling: Der Deutsche Ritterorden. Econ-Verlag, Düsseldorf u.a. 1988, ISBN 3-430-19959-X.
- Belletristik
- Henryk Sienkiewicz: Die Kreuzritter, 1900.
- Ernst Wichert: Heinrich von Plauen – Historischer Roman aus dem deutschen Osten; Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin 1881 (gutenberg.de).
- Ernst Wichert: Der Bürgermeister von Thorn – Historischer Roman aus dem deutschen Osten; Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin 1886 (gutenberg.de).
Verweise
- Emil Karl Richard Waschinski: Erziehung und Unterricht im Deutschen Ordenslande bis 1525 mit besonderer Berücksichtigung des Niederen Unterrichtes (1907); PDF-Datei
- ordensland.de
- Geschichte der Bistümer im Deutschordensland