Diskussion:Speziallager

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Zivilisten in den Speziallagern

Viele Todesopfer gab es auch unter den Gefangenen, die zur selben Zeit Tausende von Kilometern weiter westlich in den zehn sowjetischen „Speziallagern“ der SBZ interniert waren:

In einer Sendung von RIAS-Berlin, Mitte 1949 hieß es:

„Die Ketten zu verlieren und wenigstens ein erträgliches Leben zu gewinnen, das hofften vor vier Jahren nicht nur die Arbeiter, sondern alle freiheitsliebenden Menschen in Deutschland. Sie waren bereit, auch die Rote Armee als Befreier zu begrüßen, als Befreier von der unerträglichen Last des Vernichtungskrieges und als Befreier vom Terror des Naziregimes. Was aber geschah? Nicht von dem wollen wir sprechen, was an Schrecklichem und Gemeinen im ersten Siegesrausch geschah, Krieg und Kampf weckten die dunkelsten Instinkte. Aber was dann geschah, als Kampf und Rausch vorüber waren – darüber dürfen wir nicht schweigen:
Die Moorsoldaten, dieses Lied sangen die Häftlinge der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Der Nationalsozialismus ist wie ein böser Spuk verschwunden. Seine Konzentrationslager sind geblieben: Sachsenhausen, Buchenwald, diese nie auszulöschenden Schandmale nazististen Terrors und Vernichtungswahns bestehen noch heute. In dieser Stunde, in der sie uns zuhören, sind allein in Sachsenhausen und Buchenwald 30.000 Menschen hinter Stacheldraht gefangen.. aber die Nazi-Lager Sachsenhausen und Buchenwald sind zu klein, um alle Opfer des heute kommunistischen Terrors zu fassen. In diesem Jahr sind drei weitere Lager neu belegt worden: Mühlberg in Thüringen, Neubrandenburg und ein KZ für Jugendliche in Michalken. Dazu kommt das immer noch benutzte Durchgangslager für Deportationen nach Russland in Bautzen. Das ist die grausige Statistik der sowjetischen Konzentrationslager in Deutschland.“

Was im Duktus des Kalten Krieges daherkam, war durchaus antisowjetisch gemeint. Die Westberliner hatten gerade die Erfahrung der Blockade hinter sich, die Zweistaatlichkeit Deutschlands stand am Horizont. Nichtsdestrotz sind die Tatsachen mittlerweile sachlich erfasst: In der SBZ saßen zwischen 1945 und 1950 bis zu 200.000 Gefangene hinter Stacheldraht. Mindestens 40.000 davon starben, möglicherweise bis zu 70.000. Rund fünf Prozent der Inhaftierten waren Jugendliche, die manchmal schulklassenweise verhaftet wurden. Der Grund: Verdacht auf Mitgliedschaft in der Organisation Werwolf, Hitlers letztes Aufgebot.

Die NKWD-Keller waren in der Regel die erste Station für Gefangene, die nicht zur Zwangsarbeit nach Russland geschickt, sondern zu Hause der Willkür der Besatzungsmacht ausgesetzt wurden. Solche Berichte – in der DDR sowieso tabu - verschwanden auch im Westen nach und nach aus dem öffentlichen Bewußtsein: Was als Anklage gemeint war, spiegelte die Schattenseite einer Vergangenheit, von der man nichts mehr hören wollte. Vorwärts schauen, aufbauen hieß die Devise.

Aus den Todeslisten, die im Staatlichen Archiv der Russischen Föderation in Moskau liegen und die den Forschern heute zugänglich sind, lassen sich, so Peter Erler, Historiker an der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und Experte für sowjetische Lager in der SBZ, ziemlich genau rekonstrieren, daß allein in Sachsenhausen 12.000 Menschen ums Leben kamen.

„Die sind nach dem berühmten Befehl von Lawrenti Berija – diesem Befehl 00315 vom 18. April – festgenommen worden und da sind verschiedene Kategorien von Personen aufgelistet, die pauschal zu inhaftieren sind, unabhängig davon, ob eine konkrete Schuld nachweisbar ist.“ (Peter Erler)

Der Befehl 00315 diente Stalin und seinem Geheimdienstchef Berija als Grundlage für die Verhaftungen in der SBZ. Bereits vorher – im Januar 1945 – war der Befehl 0016 ausgegeben worden, der die deutschen Ostprovinzen betraf. NKWD-Operativ-Gruppen sollten das Hinterland für die vorrückende Rote Armee von „feindlichen Elementen“ freihalten und Sabotageakte verhindern. Berija baute dazu einen ausgeklügelten Sicherheitsapparat auf. Die Sowjets beriefen sich auch auf Beschlüsse der Allierten, die im Kontrollratsgesetz Nr. 10 und der Kontrollratsdirektive Nr. 38 die Bestrafung von Kriegsverbrechern und derjenigen Personen verankerten, die- Zitat „für die Besatzung...gefährlich sind“. Die Internierungslager in der SBZ waren ursprünglich als Entnazifizierungsstätten geplant, erklärt Peter Erler:

„Der Ansatz war, die Personen dort in den Lagern konkret zu überprüfen, welche konkrete Schuld sie hatten, wenn jetzt zum Beispiel ein Mitarbeiter von einem Werkschutz, der Aufsicht geführt hat über Zwangsarbeiter, dann sollte das in einer Vernehmung erst mal genau eruiert werden, was vorgefallen ist – und dadurch sollte – ähnlich wie im Westen -so etwas, wie ein Persilschein ausgestellt werden, also er sollte dann entnazifiziert und entlassen werden – und das ist aber leider in den sowjetischen Internierungslagern nicht geschehen.“

Wie sich später herausstellte, saßen dort hauptsächlich Mitläufer: Hitlerjungen, kleine Nazis, etwa im Rang von Blockwarten - funktionierende „Rädchen im Getriebe“, aber nicht diejenigen, die an den wichtigen Schaltstellen die Hebel betätigt hatten. Für eine Internierung in der SBZ gab es nach Erkenntnis der Historiker auch ganz andere Gründe:

„Ab Mitte 1946/47 wurden verstärkt Personen inhaftiert, hauptsächlich mit Urteilen von Tribunalen, die sich gegen die sich vollziehende Sowjetisierung in der SBZ gewandt haben, die protestiert haben zum Beispiel gegen die Zwangsvereinigung der KPD und SPD oder die gegen die Allmacht der SED aufgetreten sind. … Es gibt auch immer wieder Personen, die ganz einfach denunziert wurden, aus ganz kleinlichen Gründen, bis hin zu solchen Fällen, dass jemand angezeigt worden ist, der in der NSDAP war, um in die Wohnung desjenigen reinzukommen.“ (Peter Erler)

Im Speziallager Nr. 7 Sachsenhausen – wie in den anderen Lagern der SBZ auch – vegetierten die Menschen, zur Untätigkeit verdammt, dahin.

Aus der SBZ wurde dann die DDR. Dort sorgte eine Amnestie für die Freilassung der meisten Häftlinge.

„1950, da gabs noch drei Lager: Buchenwald, Bautzen und Sachsenhausen, da wurde dann im Neuen Deutschland zum Beispiel dargestellt, wie die Lager aufgelöst worden sind, das wurde dann dargestellt als großzügige Geste der Sowjetunion, die die ehemaligen faschistischen Funktionsträger, Mitläufer jetzt freigelassen hatten.“ (Peter Erler)

In der DDR unterlag dieses Thema bis zur Wende einem Tabu. Neu aufgerollt wurde es erst, als 1991 Massengräber bei Sachsenhausen und in der Nähe des ehemaligen Lagers Fünfeichen entdeckt wurden. Die SED hatte die sowjetischen Militärtribunale und die stalinistischen Lager in Deutschland, in denen nicht nur ihre politischen Gegner zu Tausenden saßen, sondern auch kritische Kommunisten, bereitwillig unterstützt. Diejenigen, die zurückkamen, mußten schweigen, wenn sie nicht wieder verhaftet werden wollten. Und geschwiegen haben auch die Historiker.

„Man hat gewußt, es gab Themen in der DDR, die faßt man besser nicht an: Das Thema sowjetische Speziallager, sowjetische Militärtribunale. … Unthema war auch Emigration von deutschen Politemigranten nach 1933 in die Sowjetunion, die dann Opfer der stalinistischen Massenrepressalien geworden sind. … Wer seine Karriere und seine berufliche Existenz nicht aufs Spiel setzen wollte, hat dieses Thema nicht angerührt.“ (Peter Erler)

Das Schicksal der gefangenen und zur Zwangsarbeit verschleppten Zivilisten blieb auch im Westen jahrzehntelang ein anrüchiges Thema. Erst störte es – wie auch die Erfahrungen der Flüchtlinge – die Wirtschaftswunderwelt. Und es bedrohte den von Willy Brandt begonnenen „Wandel durch Annäherung“ an die Sowjetunion und die „DDR“.[1]