Judenemanzipation

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Als Judenemanzipation bezeichnen vor allem Gesinnungsjuden den Weg zur geforderten Gleichstellung der Juden. Der Begriff „Juden-Emanzipation“ taucht ab 1817 auf. Bis dahin wurde die Thematik als „bürgerliche Verbesserung“, „Naturalisation“ oder „Gleichstellung“ der Juden beschrieben.

Entwicklung

Ein Ausgangspunkt der Debatte war das einflußreiche Werk Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden (1781) des preußischen christlichen[1] Juristen Christian Wilhelm von Dohm. Sein Freund, der jüdische Philosoph Moses Mendelssohn, und sein Verleger Friedrich Nicolai veranlaßten Dohm zu dieser Schrift. Dohm erörtert darin die Idee, Juden in die Nation integrieren zu können und sie damit für die Gesellschaft nützlich zu machen.

Frankreich überzieht Europa mit Krieg und „emanzipiert“ die Juden

In den von napoleonischen Truppen eroberten Ländern erlebten die Juden ebenfalls eine erste volle Gleichstellung: Zuerst in den linksrheinischen Departements, dann im Großherzogtum Berg und 1808 im Königreich Westfalen. Allerdings wurde die Gleichstellung noch im selben Jahr durch das von Napoleon I. erlassene „décret infâme” wieder eingeschränkt. Die Geltungsdauer des Dekrets wurde auf vorläufig 10 Jahre festgelegt, da sich Napoleon eine zukünftige Besserung der Juden erhoffte.

Noch unter dem Einfluß der Französischen Revolution wurden in fast allen deutschen Staaten Emanzipationsgesetze erlassen, so 1809 im Großherzogtum Baden, 1811 im Großherzogtum Frankfurt und 1813 im Königreich Bayern. Überall schafften die Edikte traditionelle Sonderabgaben ab, doch manche Beschränkungen wie der Ausschluß der Juden aus dem Staatsdienst oder die Nichtgewährung der Gemeindebürgerschaft blieben noch in Kraft. Man wollte die Juden schrittweise „verbessern“. Eine sofortige Ausstattung mit vollem Bürgerrecht lehnte man größtenteils ab. Lediglich in den Fürstentümern Anhalt-Bernburg und Anhalt-Köthen wurde 1810 bzw. 1812 die volle Gleichberechtigung proklamiert. In Österreich geschah dagegen jahrzehntelang nichts, Württemberg kam erst 1828 zu einem allgemeinen Judengesetz und Staaten wie Sachsen oder Hannover erst 1838 bzw. 1842.

Einen Sonderfall stellt die preußische Gesetzgebung dar, die an die Emanzipationsbestrebungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts anknüpfte und über die Napoleonische Zeit hinaus Wirkung entfaltete. In dem vom preußischen Staatskanzler Karl August von Hardenberg betriebenen und durchgesetzten und am 11. März 1812 von König Friedrich Wilhelm III. verkündeten „Edikt, betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in den preußischen Staaten“ wurden die Juden dann in § 1 als „Inländer und preußische Staatsbürger“ bezeichnet. Doch in § 9 hieß es einschränkend, daß über Zulassung der Juden zu „öffentlichen Bedienungen und Staatsämtern” erst später entschieden werden könne. Das Judenedikt galt zudem nicht in der Provinz Posen, die 1815 wieder an Preußen ging und wo die meisten Juden lebten. Allein in Preußen existierten rund 20 verschiedene Judenordnungen.

Kritik

Die Gleichstellungspolitik stieß auf scharfe Kritik, u. a. von Johann Gottlieb Fichte (1762–1814), der den Juden 1793 vorwarf, einen „Staat im Staate“ zu bilden.

K. W. F. Grattenauer, Friedrich Rühs und Jacob F. Fries waren bekannte Kritiker der Judenemanzipation.

Die Judenemanzipation wurde zu einer zentralen politischen Streitfrage des Vormärz. Die Ablehungsfront verlief quer durch die traditionellen Parteilager: Neben konservativen Gegnern der Emanzipation wie dem Berliner Historiker Friedrich Rühs (1779–1820), der die Emanzipationsforderung 1816 aufgrund der germanischen und christlichen Elemente des deutschen Nationalstaates ablehnte, gab es auch nationalliberale Gegner wie Ernst Moritz Arndt (1769–1860), der bereits 1814 zu der Schlußfolgerung kam, daß die Juden einem „verdorbenen und entarteten Volk“ angehörten und sich deshalb nicht mit dem „germanischen Stamm“ vermischen dürften. Der Jenaer Philosophieprofessor Jacob Friedrich Fries (1773–1843) betrachtete die Juden ebenfalls als fremdes Volk und rief zu ihrer Bekämpfung auf: Die Juden müßten „mit Stumpf und Stiel“ ausgerottet werden. Hartwig Hundt alias v. Hundt-Radowsky (1759–1835) war ebenfalls ein ausgesprochener Gegner der Judenemanzipation.

Zitate

„Trotzdem erfolgte 1869 die völlige Befreiung der Juden von allen Einschränkungen, wobei besonders darauf hinzuweisen ist, daß der rassische Unterschied durch dieses Gesetz zum rein konfessionellen umgedeutet wurde. Diese Verschleierung des wahren Tatbestandes hat dem jahrzehntelangen Kampf der Judengegner, die sich der Rechte des betrogenen Volkes annahmen, ungeheure Schwierigkeiten bereitet, denn in schikanöser Auslegung wurde jedes Wort, das gegen die Juden fiel, in einen Angriff auf die anerkannte Religionsgesellschaft umgedeutet. Die Regierung kämpfte somit dauernd gegen die gesunden Volksinstinkte; war sie vor 1869 judenfreundlich, so war sie nachher judenhörig. Die Verordnung hat folgenden Wortlaut:
‚Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen usw., verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrates und des Reichstages, was folgt: Einziger Artikel. Alle noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses hergeleiteten Beschränkungen der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte werden hierdurch aufgehoben. Insbesondere soll die Befähigung zur Teilnahme an der Gemeinde- und Landesvertretung und zur Betreibung öffentlicher Ämter vom religiösen Bekenntnis unabhängig sein. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Bundes-Insiegel. Gegeben Schloß Babelsberg, den 3. Juli 1869. Wilhelm Gr. v. Bismarck-Schönhausen.‘
Die antijüdische Bewegung entwickelte sich hieraus zwangsläufig ...“Theodor Fritsch[2]

Siehe auch

Literatur

Verweise

Fußnoten

  1. Dohm war Pastorensohn, wuchs in verschiedenen Pfarrers-, Lehrer- und Kantorenhaushalten auf und studierte eine Zeitlang Theologie.
  2. Theodor Fritsch: Handbuch der Judenfrage – Die wichtigsten Tatsachen zur Beurteilung des jüdischen Volkes (1944), S. 313