Entnazifizierung

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Ehemalige Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen stehen 1949 vor der US-amerikanischen Militär-Behörde in Berlin-Zehlendorf zur Entnazifizierung bzw. politischer Säuberung an. Wichtige gesellschaftliche Kräfte lehnten die Säuberung ab. Vorreiter waren die beiden Kirchen in Bayern, die schon früh Proteste laut werden ließen. Die CSU und die liberal gefärbte Freie Deutsche Partei (FDP) distanzierten sich schließlich ebenfalls in zunehmendem Maß von der Entnazifizierung. Härter als die Geldstrafen und Beschränkungen durch die Spruchkammern wurde von der Masse der kleinen Leute die Auswirkung des Artikels 58 des Befreiungsgesetzes empfunden, wonach jeder vom Gesetz Betroffene bis zum Erhalt seines Spruchkammerbescheides nur gewöhnliche Arbeit verrichten durfte. Viele hatten keine Ersparnisse mehr und konnten sich nur mit Mühe und Not das Existenzminimum sichern.

Die Entnazifizierung war eine Zielsetzung bzw. ein Maßnahmenbündel der Alliierten nach ihrem Sieg über das nationalsozialistische Deutschland, die ab Juli 1945 mit dem Ziel der Zerstörung der deutschen Volksseele umgesetzt wurden. Während sich die Westalliierten auf die psychische Zerstörung konzentrierten, wurde in der SBZ auch die physische Vernichtung als probates Mittel eingesetzt.

Erläuterung

Auch Plätze und Straßen (hier die Adolf-Hitler-Straße in Trier) wurden entnazifiziert
Entscheidung des Staatskommissars für politische Säuberung (französische Besatzungszone) bezüglich des Opernsängers Karl Erb, 20. Februar 1948
Wahlplakat der FDP zur Bundestagswahl 1949 mit der Forderung nach Beendigung der Entnazifizierung

Nach der Potsdamer Konferenz sollten die deutsche Gesellschaft, Kultur, Presse, Ökonomie, Jurisdiktion und Politik in der BRD und der neuerlich abgetrennten Republik Österreich von allen Einflüssen des Nationalsozialismus befreit werden. Dies sollte im Zusammenhang mit einer umfassenden Demokratisierung und Entmilitarisierung geschehen.

Für Deutschland verabschiedete der Alliierte Kontrollrat in Berlin ab Januar 1946 eine Vielzahl an Entnazifizierungsdirektiven, mittels derer man bestimmte Personengruppen definierte und anschließend einer gerichtlichen Untersuchung zuführte. Sefton Delmer äußerte sich in seinem Buch „Die Deutschen und ich" S. 682–683 wie folgt:

„Fast noch erschreckender aber fand ich das, was ich von der Arbeit der sogenannten Entnazifizierungsgerichte zu sehen bekam. [...] Jedesmal wenn ich nach Deutschland kam, ging ich zu diesen Gerichtssitzungen, und jedesmal war ich von neuem entsetzt. Denn ich hatte den Eindruck, daß hier die gleiche Rachsucht und der gleiche Mangel an Achtung vor den Regeln der Prozeßordnung herrschten, wie ich sie bei den kommunistischen ‚Volksgerichtshöfen‘ in Belgrad und Warschau erlebt hatte.“

Entnazifizierungslager

Mehr als 500.000 deutsche Zivilisten wurden nach 1945 von den Alliierten oft völlig zu Unrecht in sogenannten „Entnazifizierungslagern“ eingesperrt.

US-amerikanische Zone

Die US-Amerikaner versuchten in ihrer Besatzungszone zunächst selbst eine scharfe „Entnazifizierung“ zu betreiben. Zuständig war die OMGUS-Dienststelle. Jeder der 13,4 Millionen Bürger über 18 Jahre mußte für die Amerikaner einen Bogen mit 131 von ihnen erstellten Positionen ausfüllen.

Am 5. März 1946 unterzeichneten die Ministerpräsidenten der drei Länder der amerikanischen Zone in München ein „Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“ und am 13. Mai nahmen mit Genehmigung der amerikanischen Militärregierung die ersten deutschen Amateurgerichte, die sogenannten Spruchkammern zur Durchführung des „Befreiungsgesetzes“ ihre Tätigkeit auf. 545 regional zuständige Spruchkammern saßen – jedoch weiterhin unter Beaufsichtigung und gewünschter Urteilskorrektur durch das amerikanischen Militär – über mehr als 900.000 Fälle zu Gericht. Unter den deutschen Politikern engagierte sich insbesondere Gottlob Kamm in dieser Aufgabe.

Belastungs-Kategorien

Das „Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“ vom 5. März 1946 (Gesetz Nr. 104) formulierte fünf Gruppen, in die die über 18jährigen Deutschen eingestuft wurden. Mit der Kontrollratsdirektive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946 wurden diese fünf Kategorien allgemeinverbindlich für die vier Besatzungszonen.

  • I. Hauptschuldige
  • II. Belastete (Aktivisten)
  • III. Minderbelastete (Bewährungsgruppe)
  • IV. Mitläufer
  • V. Entlastete (Personen der vorstehenden Gruppen, die vor einer Spruchkammer nachweisen konnten, daß sie nicht schuldig waren)

Betroffene der Gruppe eins waren zu entlassen beziehungsweise nicht einzustellen. Ihr Vermögen war zu sperren, ihre Bezüge waren einzustellen. Betroffen waren unter anderem alle vor dem 1. Mai 1937 in die NSDAP Eingetretenen, alle Amtsträger der NSDAP sowie der ihr angeschlossenen Organisationen, alle Offiziere und Unteroffiziere der Waffen-SS, der SA, des NS-Kraftfahrkorps und des NS-Fliegerkorps, alle Mitglieder der Allgemeinen SS und alle vor dem 1. April 1933 eingetretenen Mitglieder der SA. Entlassungspflichtig waren auch die Funktionseliten in Regierung und Verwaltung. In der Realität zeigte sich dieses unbarmherzige Vorgehen nur aufgrund einer Mitgliedschaft ohne Rücksichtnahme auf das tatsächliche persönliche Verhalten der Einzelnen als nicht durchsetzbar.

Bei Gruppe 2 empfahl die Special Branch die Entlassung, die Entscheidung blieb jedoch dem zuständigen MG-Offizier vorbehalten. Darunter fielen alle Mitglieder der NSDAP. Gruppe drei wurde wie Gruppe zwei eingestuft, die Special Branch sprach jedoch keine Empfehlung aus. Bei den in Gruppe vier Eingestuften bestand kein Einwand gegen Weiterbeschäftigung beziehungsweise Anstellung, und bei Gruppe fünf empfahl die Special Branch gar Weiterbeschäftigung beziehungsweise Anstellung aufgrund von Beweisen oppositioneller Aktivitäten.

Für die Gruppen I bis III kamen Einweisung in Arbeitslager, Einziehung des Vermögens, Pensionsverlust, Gehaltskürzungen, Arbeitsbeschränkungen und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte in Frage, für die Mitläufer Geldbußen. Die Fälle der Belasteten der Gruppen I und II wurden mündlich und öffentlich, die der anderen schriftlich verhandelt.

Nach einer Reihe von Kontroversen zwischen Deutschen und Amerikanern wurde am 7. Oktober 1947 das erste Änderungsgesetz zum Befreiungsgesetz erlassen. Es enthielt neben einer Lockerung des Beschäftigungsverbots für Personen, die nicht unter den Klassen I und II angeklagt waren, vor allem eine wichtige Verfahrenserleichterung: Von nun an konnten diejenigen, die nominell unter die Gruppe II der Belasteten fielen, ohne öffentliches Verfahren bereits von den Klägern als Mitläufer eingestuft werden (B1- und B2-Verfahren). Zusätzlich kam von amerikanischer Seite die Forderung, für Personen, deren Entnazifizierungsverfahren noch nicht abgeschlossen war, die Beschäftigungsbeschränkungen in der privaten Wirtschaft und den freien Berufen aufzuheben. Die Entnazifizierung, gegen die die Kirchen in Bayern seit 1946 immer wieder protestiert hatten und von der sich CSU und FDP in zunehmendem Maße distanzierten, war auf diese Weise endgültig diskreditiert. Der Abbau der Säuberungsmaßnahmen ging immer weiter. Am 8. März 1948 war bereits eine Heimkehreramnestie herausgekommen; am 25. März 1948 wurde das zweite Änderungsgesetz erlassen, das erneut große Löcher in die ursprüngliche Konzeption riß. Jetzt galt das Beschäftigungsverbot nur noch für Hauptschuldige. Der öffentliche Kläger konnte bei den Belasteten frei entscheiden, in welcher Gruppe er die Betroffenen anklagen wollte, ohne daß zugleich die bis dahin vorgeschriebenen mündlichen Verfahren erforderlich waren. So wirkte sich das Gesetz wie eine Amnestie für Belastete aus. Die noch übrig bleibenden schwereren Fälle, die man jahrelang um der Mitläufer willen vor sich hergeschoben hatte, waren allerdings nicht innerhalb weniger Wochen zu erledigen. Der Trend ging nun dahin, die Betreffenden soweit als möglich auf dem Weg des geringsten Widerstandes zu Mitläufern zu machen. Geschah dies nicht auf Anhieb, legten sie Berufung ein. Am 28. Mai 1948 stellte die amerikanische Militärregierung in Deutschland die gesamte Überwachung des Entnazifizierungsprogramms ein.

Spruchkammerverfahren am Beispiel Bayerns

„Die Spruchkammern bestanden aus einem Vorsitzenden und mindestens zwei Beisitzern. Außerdem war bei jeder ein Kläger bestellt. Der sehr langsam vorangehende Aufbau des Spruchkammerapparats, einer Laienbürokratie mit schöffengerichtlicher Verfassung, wurde in erster Linie von den inzwischen zugelassenen Parteien getragen, die in der Anfangszeit entsprechend dem parteipolitischen Proporz dort vertreten waren. Die Vorstellung des Gesetzes, wonach die Vorsitzenden die Befähigung zum Richteramt haben sollten, ließ sich meist nicht verwirklichen. Noch Mitte September 1946 waren von den Vorsitzenden und Klägern erster Instanz nur 5 % Juristen. Fälle von Amtsmissbrauch und Korruption kamen in den Spruchkammern des Öfteren vor. Verzögerungen ergaben sich nicht nur aus der Suche nach Personal, sondern auch daraus, dass die Militärregierung der Aufgabe, dieses vorher zu überprüfen, vorerst vielfach nicht gewachsen war. Zur Unterstützung der Spruchkammern wurden auch eigene Ermittler bestellt, die Material über die Betroffenen sammelten. Bei der Bahn- und Postverwaltung und im Bereich des Kultusministeriums bildete man Fachausschüsse, die ebenfalls Material zusammentrugen. Am 10. September 1946 konnte der damalige Sonderminister Anton Pfeiffer (CSU, 1888-1957) im Länderrat berichten, dass inzwischen ein arbeitsfähiges Ministerium fertig und 183 Spruchkammern eingerichtet seien. Jeder Landkreis erhielt mindestens eine Spruchkammer. Daneben wurden sieben Berufungskammern aufgebaut und ein Kassationshof eingerichtet - der kein Gerichtshof war, sondern die Rechte des Sonderministers ausübte, indem er die Überprüfung und Revision von Fällen veranlasste. Die oberste Aufsicht und der Aufbau der Spruchkammern oblagen dem Sonderministerium. Auch die Vermögenskontrolle ging in deutsche Hände über. In Bayern wurde dafür im Juli 1946 das Landesamt für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung eingerichtet, dem in den Landkreisen entsprechende Außenstellen untergeordnet waren. Das Amt war bis Anfang 1948 dem Ministerpräsidenten unterstellt, danach dem Finanzministerium. 1955 wurde es aufgelöst. Seine Aufgaben gingen auf die Zweigstelle München der Oberfinanzdirektion München über. Die amerikanische ‚Property Control‘ überwachte die Tätigkeit des Amts noch bis zum Juli 1949. Wie beim Aufbau der Spruchkammern war es auch hier schwierig, geeignetes Personal zu finden. Immer wieder kam es vor, dass dubiose, d. h. korrupte oder auf andere Weise kriminelle Personen als Treuhänder bestellt wurden, die ihre Funktion für persönliche Interessen missbrauchten.“[1]

Zitate

  • „Diese ganze Organisation der Entnazifizierung wurde durch die Untermenschen ins Leben gerufen, um alles, was natürlich, stark, schön, lebendig, intelligent und stolz und des Herrschens wert war, in Staub zu zermalmen – all das, was diese ‚Würmer‘ nicht verstehen können, und daher hassen.“Savitri Devi Mukherji[2]

Siehe auch

Verweise

Literatur

  • ExpressZeitung: 100 Jahre Krieg gegen Deutschland (Teil 3) – Die grosse Entdeutschung, Ausgabe 30 (Dezember 2019), Vorstellung und Bezugsnachweis
  • Otto Koellreutter: Das Wesen der Spruchkammern und der durch sie durchgeführten Entnazifizierung – Ein Rechtsgutachten, Göttinger Verlagsanstalt, Göttingen 1954
  • Kathrin Meyer: Entnazifizierung von Frauen: Die Internierungslager der US-Zone Deutschlands 1945–1952. Metropol, Berlin 2004
  • Hans-Jürgen Evert: Verschwiegene Zeitgeschichte. Wende zur Wahrheit. Evert-Verlag, Fischbachau, 2. Auflage 1989, ISBN 3-9800946-4-2

Fußnoten

  1. Paul Hoser: Entnazifizierung, in: Historisches Lexikon Bayerns, 2013
  2. 96-book.png PDF Savitri Devi Mukherji: Gold im Schmelztiegel, Kritik Nr. 60, 1982, S. 29