Flotten-Kriegsabzeichen
Das Flotten-Kriegsabzeichen wurde am 30. April 1941 vom Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Großadmiral Erich Raeder gestiftet. Es konnte an alle Besatzungsmitglieder, einschließlich der im Kampf gefallenen oder verstorbenen Soldaten, der eingesetzten Schlachtschiffe und Kreuzer verliehen werden.
Hintergrund
In den ersten Monaten und Jahren des Zweiten Weltkrieges spielte die deutsche Hochseeflotte noch eine erhebliche Rolle. Für diese Einheiten der Kriegsmarine schuf der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine das Flotten-Kriegsabzeichen mit seinem Erlaß vom 30. April 1941. Ein Jahr zuvor — am 30. April 1940 — war im Rahmen der Kampfhandlungen in Norwegen erstmalig die Landverbindung zwischen Oslo und Drontheim hergestellt worden; in einem Tagesbefehl dankte Adolf Hitler den beteiligten deutschen Verbänden von Heer, Kriegsmarine und Luftwaffe. Der Erlaß lautet wie folgt:
- . Im Kampf gegen England haben die Schlachtschiffe und Kreuzer auf weitreichenden, wagemutigen Unternehmungen dem Gegner empfindliche Verluste an Schiffsraum zugefügt und damit den Blockadering um England immer enger gezogen. In Anerkennung dieser Taten ordne ich die Einführung eines Kriegsabzeichens für die eingesetzten Flottenstreitkräfte (Flotten-Kriegsabzeichen) an.
- . Das Abzeichen kann den Besatzungen (einschließlich der gefallenen oder verstorbenen Soldaten und sonstigen berechtigten Anwärter) der eingesetzten Schlachtschiffe und Kreuzer verliehen werden. Die Verleihung erfolgt durch den Befehlshaber des Verbandes.
- . Das Abzeichen kann auch an die Besatzungen der sonstigen mit den Flottenstreitkräften eingesetzten Schiffe, für die ein besonderes Kriegsabzeichen bisher nicht vorgesehen ist, verliehen werden. Die Verleihung erfolgt durch den dem Schiff übergeordneten Befehlshaber in der Dienststellung mindestens eines Konteradmirals (Kommodore).
- . Das Abzeichen wird zur Uniform wie das U-Boots-Kriegsabzeichen 1939 getragen.
- Berlin, den 30. April 1941.
Während die Durchführungsbestimmungen des Oberkommandos der Kriegsmarine vom gleichen Tage nur Formalitäten regeln, beinhalten die Verleihungsbedingungen vom 5. Juni 1941 wesentliche Grundsätze, die im vollen Wortlaut wiedergegeben werden:
- I. Allgemeine Bedingungen:
- Würdigkeit, gute Führung.
- Il. Besondere Bedingungen:
- a) Bewährung auf einer oder mehreren Kriegsfahrten von zusammen mindestens 12 Wochen.
- b) Von der unter a) festgesetzten Frist kann abgewichen werden:
- 1) wenn die Unternehmung besonders erfolgreich war oder der einzelne sich hierbei besonders ausgezeichnet hat oder gefallen ist,
- 2) beim Verlust eines Schiffes durch Feindeinwirkung und in besonderen Fällen bei Verwundungen,
- 3) für die Teilnahme an beiden Gefechten bei Island (Rawalpindi) und Jan Mayen.
- III. Verstorbenen, die die Voraussetzungen unter IIH) erfüllt oder annähernd erfüllt haben, kann das Abzeichen nur verliehen werden, wenn ihr Tod die Folge einer Verwundung, eines Unglücksfalles oder einer Erkrankung ist, welche sie während der Feindfahrt erlitten bzw. sich zugezogen haben.
- IV. An Besatzungen der sonstigen mit den Flottenstreitkräften eingesetzten Schiffe darf das Kriegsabzeichen nur verliehen werden, wenn solche Schiffe in Verbindung mit Seestreitkräften mit Kampfaufgaben betraut waren.
- V. Das Flottenkommando wird ermächtigt, die vorstehend gegebenen Bedingungen, nötigenfalls im Benehmen mit den Kommandierenden Admiralen Nord und Ost, zu ergänzen.
„Rawalpindi“ war ein britischer Hilfskreuzer von 16 700 BRT, welcher am 23. November 1939 in einem Vorstoß der deutschen Schlachtschiffe Gneisenau und Scharnhorst versenkt wurde. Das Panzerschiff Deutschland stieß im November 1939 von Grönland nach Süden vor und vernichtete bei Jan Mayen zwei feindliche Schiffe. Der Ostseestationstagebefehl vom 15. Juli 1941 veröffentlichte den folgenden Zusatz zu den o. a. Verleihungsbedingungen, nämlich:
- . Gemäß Ziffer IIId) der Ausführungsbestimmungen wird das Abzeichen an gerettete Besatzungsangehörige folgender Schiffe verliehen:
- . Gemäß Ziffer IIIa) der Ausführungsbestimmungen sind folgende Unternehmungen als besonders erfolgreich anzusehen:
- a) Unternehmung Kreuzer Admiral Hipper im Februar 1941,
- b) Unternehung der Schlachtschiffe „Gneisenau“ und „Scharnhorst“ im Januar/März 1941 . . .
Die »Bismarck« ging am 27. Mai 1941 im Atlantik, 300 Seemeilen nordwestl. von Quessant, nach britischen Lufttorpedo-, Artillerie- und Torpedotreffern verloren. Der Schwere Kreuzer »Admiral Graf Spee« versenkte sich selbst am 17. Dezember 1939 unweit von Montevideo im La Plata nach schweren Gefechtsschäden. Der Kreuzer »Blücher« wurde am 9. April 1940 mit norwegischen Torpedo- und Artillerietreffern zum Sinken gebracht. Der Geheime Ostseestationstagebefehl vom 28. Oktober 1941 gab weitere Besondere Verleihungsbedingungen bekannt wie:
- C.
- a) Bewährung auf einer oder mehreren Kriegsfahrten außerhalb des Küstenvorfeldes des Heimatgebiets und der besetzten Gebiete von mindestens 12 Wochen.
- b) Wird die unter a) festgesetzte Frist (12 Wochen = 12 Punkte, je Woche ohne Kampfhandlungen = 1 Punkt) nicht erfüllt, so können folgende Unternehmungen anteilmäßig in Anrechnung gebracht werden mit folgender Punktbewertung:
- 1. Sämtliche Handelskriegsunternehmungen, auch die abgebrochenen, soweit die Breite von Hornsriff nordwärts passiert war, mit je 1 Punkt.
- 2. Sämtliche Minenunternehmungen der Kreuzer mit je 2 Punkten.
- 3. Vorstöße der Kreuzer in der Nordsee mit je 1 Punkt.
- 4. Marsch nach Norwegen im April 1940 mit 1 Punkt.
- 5. Besetzung von Norwegen, einbegriffen alle in diesem Zusammenhang stattgefundenen Kampfhandlungen mit 4 Punkten.
- 6. Rückmarsch von Norwegen im April 1940 mit 1 Punkt.
- 7. Jeder weitere Marsch von der Heimat nach Norwegen und zurück, sofern dieser wenigstens bis zur Breite von Bergen geführt hat, mit 1 Punkt.
- 8. Durchgeführte Artilleriegefechte mit feindlicher Gegenwehr in See mit je 4 Punkten (au¬ßer Kämpfen in den Fjorden gemäß Ziffer 5).
- 9. Erfolgreiche Abwehr feindlicher Großangriffe mit Bomben und Torpedoflugzeugen in See bei mindestens einem Abschuß mit je 4 Punkten. Kampfhandlungen in Häfen und auf Reeden fallen nicht hierunter. Erfolgreiche Einbringung durch Treffer
- 10. Erfolgreiche Einbringung durch Treffer schwerbeschädigter Schiffe unter schwierigen Verhältnissen mit 2 Punkten.
- 11. Beschießung Westerplatte durch »Schleswig-Holstein« am 1. und 7. 9. 39 mit zusammen 3 Punkten.
- 12. Gefecht mit polnischen Batterien auf Hela von See aus durch »Schlesien« und »Schleswig-Holstein« am 25. und 27. 9. 39 mit zusammen 4 Punkten.
- 13. Truppenlandung durch »Schlesien« und »Schleswig-Holstein« im Rahmen Norwegenunternehmung mit 1 Punkt.
- c) Das Abzeichen kann ferner an Verwundete, die das silberne oder goldene Verwundetenabzeichen erhalten haben, auf Antrag in Sonderfällen an Schwerverwundete nach unmittelbarer Feindeinwirkung nach Ermessen der Befehlshaber und Kommandanten unmittelbar verliehen werden.
- d) Die Geretteten vor dem Feind gesunkener Schiffe können das Abzeichen nach Entscheidung des Flottenchefs erhalten.
- e) Das Abzeichen können ferner erhalten: Die Besatzungsangehörigen von Schiffen, die an besonders erfolgreichen Unternehmungen teilgenommen haben, auch wenn die Dauer von 12 Wochen nicht erreicht wurde. Welche Unternehmungen als besonders erfolgreich in diesem Sinne anzusehen sind, bestimmt der Flottenchef.
- f) Über die Verleihung des Flottenkriegsabzeichens an Besatzungsangehörige von Troßschiffen und Begleittankern werden die besonderen Verleihungsbedingungen noch gesondert festgesetzt.
Außerdem enthielt dieser Text noch Erläuterungen zu den oben angeführten Voraussetzungen zu einer Verleihung des Flottenkriegsabzeichens. Am 2. Jahrestag der Besetzung von Norwegen durch die Wehrmacht — 1942 — befahl der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, daß in Würdigung überragender Bedeutung des Unternehmens und in Anerkennung wagemutigen Einsatzes aller beteiligten Schlachtschiffe und Kreuzer die Norwegenunternehmung als besonders erfolgreiche Unternehmung im Sinne der Verleihungsbedingung für das Flottenkriegsabzeichen gilt. Damit haben alle Teilnehmer (Besatzungsangehörige) an der Norwegenbesetzung auf den nachstehend genannten Schlachtschiffen und Kreuzern die Verleihungsbedingungen für das Flottenkriegsabzeichen erfüllt: Schlachtschiffe „Scharnhorst“ und „Gneisenau“, Kreuzer „Lützow“, Schwerer Kreuzer „Admiral Hipper“, Kreuzer „Köln“, Kreuzer „Emden“, Kreuzer „Karlsruhe“ und Kreuzer „Königsberg“. Der Ostseestationstagesbefehl vom 31. August 1942 gab weitere Verleihungen des Abzeichens in folgender Form bekannt:
- Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine hat zum 1. 9. 42, dem 3. Jahrestage der Unternehmungen gegen Polen, befohlen, daß in Würdigung des damaligen historischen Einsatzes der Linienschiffe Schleswig-Holstein und Schlesien die Verleihungsbedingungen für das Flottenkriegsabzeichen für die beteiligt gewesenen Besatzungsangehörigen beider Schiffe als voll erfüllt gelten.
Die letzte einer solchen Bekanntgabe betraf das Schlachtschiff Tirpitz. Das im Jahre 1939 vom Stapel gelaufene Schiff mit 42 900/52 600 ts kenterte am 12. November 1944 nach britischen Fliegerangriffen bei Tromsö, nachdem es schon früher im Altafjord schwere Beschädigungen durch britische Kleinst-U-Boote und Fliegerbomben erlitten hatte. Am 16. bzw. 17. März 1944 veröffentlichte der Ostsee- bzw. Nordseetagesbefehl eine Bekanntgabe mit dem Wortlaut:
- Tirpitz-Soldaten, die am Tage der Außergefechtsetzung des Schiffes am 12. 11. 44 an Bord noch nicht verliehen wurde, reichen zur nachträglichen Verleihung des Kriegsabzeichens umgehend eine Meldung … ein.
Über seinen künstlerischen Entwurf sagte der bekannte Marinemaler Adolf Bock:
- Es wurde ein Abzeichen für die schweren Streitkräfte verlangt. Also mußte das Abzeichen dementsprechend wuchtig kriegerisch und massig wirken. Die wuchtige Darstellung war am besten so zu erreichen, daß ich das Schiff von vorn gesehen mit mächtiger Bugwelle und drohenden Kanonenrohren darstellte.
Flotten-Kriegsabzeichen mit Brillanten
Die Existenz dieses Abzeichens gibt gewisse Rätsel auf. Wie aus verschiedenen Aussagen höherer Marineoffiziere hervorgeht, wäre es üblich gewesen, Angehörigen der Kriegsmarine nach der Verleihung des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub das zuständige Kampfabzeichen mit Brillanten auszuhändigen.
Für eine solche Verleihung des Flottenkriegsabzeichens in Gold mit Brillanten wäre aber nach der Verleihung des Ritterkreuzes mit Eichenlaub nur Admiral Theodor Krancke, Marine-Gruppenbefehlshaber West (18. Oktober 1944) in Frage gekommen. Nach mehrfacher Bestätigung hat aber Admiral Krancke das Flotten-Kriegsabzeichen mit Brillanten nie erhalten.
Andererseits aber existierte in einer britischen privaten Sammlung ein solches Abzeichen, welches unzweifelhaft ein zeitgenössisches Original ist. Es bleibt offen, ob es sich um ein nie verliehenes Stück handelt oder oh doch eine bisher unbekannte Verleihung stattgefunden hat.