Grafendorf (Südmähren)
Staat: | Deutsches Reich |
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Gau: | Niederdonau |
Einwohner (1930): | 1605 |
Höhe: | 200 m ü. NN |
Koordinaten: | 48° 47′ 36″ N, 16° 24′ 42″ O |
Grafendorf befindet sich seit 1945 unter Fremdherrschaft. Das Gebiet ist von der Tschechei vorübergehend besetzt, die einheimische Bevölkerung wurde vertrieben oder ermordet und deren Eigentum gestohlen.
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Grafendorf ist eine deutsche Gemeinde in Südmähren, Sudetenland. Nachbarorte des als typisches Straßen-Angerdorf angelegten Ortes der frühen bairischen Besiedlungsepoche sind, neben Schönau im Westen, Grusbach im Norden, Fröllersdorf im Nordosten und Höflein an der Thaya im Süden. Die Thaya durchfließt in einer Länge von 5,5 km das Gemeindegebiet. Im Nordosten liegen die Pollauer Berge, südöstlich erhebt sich aus der Ebene der Staatzer Berg mit seiner Burgruine, im Süden die Leiser Berge.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
1414 wurde das Dorf in einem Hardeggischen Urbar erstmals urkundlich erwähnt. Eventuelle frühere Aufzeichnungen sind leider nicht mehr vorhanden.
Das Dorf hatte wechselnde Besitzer: Von den Grafen Hardegg (1414) über die von Breuner (1623) bis zu den Althan (1668) und dem Geschlecht der Khuen (bis 1848). 1464 war der Ort als Bestandteil der Herrschaft Grusbach urkundlich erwähnt. 1784 wurde die Pfarrkirche aus Mitteln des Religionsfonds vergrößert und zur Pfarrkirche von Grafendorf und Schönau erhoben.
Die kriegerischen Auseinandersetzungen im Laufe der Geschichte (Hussitenkriege 1419 bis 1434, Dreißigjähriger Krieg 1618 bis 1648 und Napoleonische Kriege 1805 bis 1809) hatten der Bevölkerung von Grafendorf sehr zugesetzt. Aus dieser Zeit stammen wahrscheinlich auch die Erdställe, die man in Grafendorf gefunden hat.
Auch Naturkatastrophen bereiteten der Bevölkerung Probleme. So ging etwa 1838 und 1865 schwerer Hagel über dem Gebiet nieder und 1839 überstieg die Thaya ihre Ufer und überflutete Teile von Grafendorf. Zwei Cholera-Epidemien brachten im 19. Jahrhundert zahlreiche Todesopfer (1855 und 1866).
1850 wurde Grafendorf selbständige Gemeinde im politischen Bezirk Znaim. Der zuständige Gerichtsbezirk war Joslowitz.
20. Jahrhundert
Nach dem Ersten Weltkrieg, durch den 45 Ortsbewohner fielen, wurde Grafendorf im Jahr 1919 mit fast 100 Prozent deutschen Einwohnern dem von den Kriegsgegnern Deutschlands neu aufgerichteten Kunststaat Tschecho-Slowakei zugeschlagen. Das Prager Regime versuchte durch Maßnahmen vermehrt tschechische Familien im deutschen Gebiet anzusiedeln und die deutsche Bevölkerung zu assimilieren. Stark eingeschränkt wurde der Nebenerwerb durch die Maßnahmen des tschecho-slowakischen Regimes ab 1919. So wurde 1922 der letzte deutsche Postmeister entlassen. Die deutschen Eisenbahner wurden zum größten Teil abgebaut und durch tschechische Bedienstete ersetzt. Im Dezember 1937 gab es in Grafendorf 93 Arbeitslose. Die aus der Monarchie ohnehin konfliktbelastete Beziehung zwischen Tschechen und Deutschen wurde so noch mehr strapaziert.
In der Zwischenkriegszeit kam es zur Elektrifizierung des Ortes (1930) sowie zur Regulierung der Thaya (1931, um die Gefahr des Hochwassers zu bannen.
Nach dem Anschluß des Sudetenlandes an das nationalsozialistische Deutsche Reich wurde Grafendorf ab 1939 mit Schönau zur Gemeinde „Schöngrafenau“ zusammengeschlossen und blieb es bis 1945.
Der Zweite Weltkrieg forderte 58 Gefallene und 24 Vermißte unter der Grafendorfer Bevölkerung.
Vertreibung der Deutschen 1945/46
Viele deutsche Grafendorfer flohen vor den nach Ende des Zweiten Weltkrieges einsetzenden Vertreibungs- und Gewaltexzessen über die ca. 3 km entfernte Grenze nach Österreich. Damals hofften sie noch, nach Abklingen der tschechischen Pogrome wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können. An der Folge von Mißhandlungen starben zwei Männer im Lager in Znaim. Einige weitere der deutschen Grafendorfer wurden verhaftet und wegen „Beschuldigung“ des Engagements im Nationalsozialismus zur Zwangsarbeit in Mährisch-Ostrau in den Kohlengruben eingesetzt, der Rest wurde seines Vermögens beraubt und vertrieben. Insgesamt kamen durch Flucht und Vertreibung 40 Familien nach Österreich und 340 in andere Teile Deutschlands. Je zwei Familien wanderten nach Kanada und in andere europäische Länder aus.
Nach Öffnung der Grenze und dem Ende des „Kalten Krieges“ 1989/90 konnten ehemalige Grafendorfer zum ersten Mal wieder in ihren Heimatort zurückkehren. Einige von ihnen ließen in der Ortskirche eine Gedenktafel anbringen und das Friedhofskreuz renovieren.
Einwohnerentwicklung
Volkszählung | Einwohner gesamt | Volkszugehörigkeit der Einwohner | ||
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Jahr | Deutsche | Tschechen | Andere | |
1880 | 974 | 947 | 27 | 0 |
1890 | 1163 | 1126 | 37 | 0 |
1900 | 1315 | 1294 | 13 | 8 |
1910 | 1555 | 1552 | 2 | 1 |
1921 | 1564 | 1471 | 55 | 38 |
1930 | 1605 | 1430 | 138 | 37 |
2010 | 895 | |||
2013 | 881 |
Siegel von 1598
Im Renaissanceschild kreuzt ein Pflugmesser ein leicht schräg gestelltes Messer, aus dem Schildrand wachsen fünf Eicheln (Beweis für den Gemeindewald?).
Bekannte, in Grafendorf geborene Personen
- Hans Landsgesell (geb. 1929), Heimat- und Mundartforscher, Kulturpreisträger
- Josef Scholler (geb. 1928), Kulturpreisträger
Literatur
- Johann Scholler: Heimatbuch der Gemeinde Grafendorf. 1950
- Josef Scholler: Pfarrchronik von Grafendorf. 1981
- Ludwig Obleser: Erinnerungen an Grafendorf. 1982
- Ludwig Obleser: Grafendorf von der Besiedlung bis zur Vertreibung. 1984