Haeften, Hans von
Johannes „Hans“ Maximilian Gustav von Haeften ( 13. Juni 1870 auf Gut Fürstenberg bei Xanten; 9. Juni 1937 in Gotha) war ein deutscher Offizier der Preußischen Armee, des Deutschen Heeres und der Vorläufigen Reichswehr, zuletzt mit dem Charakter als Generalmajor sowie Kriegshistoriker und von 1931 bis 1934 Präsident des Reichsarchivs in Potsdam.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Nach dem Besuch des Gymnasiums trat Hans von Haeften am 26. März 1889 als Fahnenjunker in das 2. Garde-Regiment zu Fuß des Garde-Korps der Preußischen Armee ein und wurde dort am 20. September 1890 zum Sekondeleutnant befördert. Am 22. März 1897 folgte seine Versetzung in das Garde-Grenadier-Regiment Nr. 5. Als Premierleutnant absolvierte Haeften von 1899 bis 1901 die Kriegsakademie und war ab März 1904 als Hauptmann im Großen Generalstab tätig.
- „Der militärische Aufstieg H.s, der seit 1891 einem der bevorzugten Garderegimenter angehörte (1910 Major), war sehr steil. Er hatte die entscheidenden Eindrücke seines Lebens in einer Zeit empfangen, in der die Lehren von Clausewitz vom Vorrang des Politischen vor dem Militärischen bereits in Vergessenheit geraten waren. Das Denken und Handeln H.s, der 1899 bis 1901 die Kriegsakademie besucht hatte, kreiste um das von Schlieffen zum Postulat erhobene Vernichtungsprinzip mit der Allmacht der Operation, die einen lang sich hinziehenden Koalitionskrieg von vornherein ausschloß. Im Großen Generalstab, dem er seit 1903 mit kurzen Unterbrechungen bis zu dessen Auflösung angehörte, erblickte er nun ein Feld der Tätigkeit, das seinem Talente eine entsprechende vielseitige Wirksamkeit eröffnete. Erfuhr H. im Frieden erstmals durch seine Begegnung mit Seeckt den Einfluß einer Persönlichkeit, welcher er unbedingt eine Überlegenheit über sich selbst zugestand, so geriet er zu Beginn des Krieges ganz in den geistigen Bannkreis Ludendorffs. In der Heerführung Hindenburg-Ludendorff sah er die Clausewitz-Schlieffensche Lehre der Vernichtung auf den Gipfelpunkt der Vollendung gehoben. Die Kriegführung mit begrenzten Zielen Falkenhayns hingegen, die auf die Entscheidung im Osten verzichtete, schien den Verlust des Krieges zu bedeuten. Seit Ende 1914 zum Helmuth Generaloberst von Moltke kommandiert und mit der Leitung der Kriegsnachrichtenstelle Ost in Posen betraut, trat H. jetzt in direkten dienstlichen Verkehr mit dem Oberkommando Ost. Einflußreiche Beziehungen zu Hindenburg und dem Prinzen Joachim, dem jüngsten Sohn des Kaisers, sowie genaue Kenntnis von den bevorstehenden großen Entscheidungen wirkten zusammen, um in ihm den Entschluß einer Intervention beim Kaiser reifen zu lassen. Im Einverständnis mit dem Reichskanzler und Moltke überbrachte er am 20.1.1915 in Charleville dem Kaiser einen Brief der Kaiserin, der in der Bitte um Ersetzung Falkenhayns durch Moltke sowie der Erfüllung der Forderung Hindenburgs, alle verfügbaren Kräfte nach dem Osten abzugeben, gipfelte. Der Kaiser lehnte die Rückberufung Moltkes strikt ab und beabsichtigte, Hindenburg und dessen Beauftragten H. vor ein Kriegsgericht zu stellen. Nur die Furcht vor der Möglichkeit einer Staatskrise vermochten den Kaiser von seinem Vorhaben abzubringen. War H. bisher nur Soldat gewesen, so erwachte jetzt mehr und mehr der politische Ehrgeiz in ihm. Im Rahmen seiner Tätigkeit als militärischer Berater des Auswärtigen Amtes seit 1916 bereitete er Dezember 1917 im Zusammenwirken mit der Obersten Heeresleitung und der Reichsleitung eine propagandistische Friedensoffensive vor, die zur Unterstützung der geplanten Frühjahrsschlacht die Widerstandskraft der alliierten Heimatfront schwächen sollte. Dabei verkannte er sowohl die militärisch-politische Lage Deutschlands als auch den Kampfwillen seiner Gegner. Im Anschluß an eine Reise Anfang März 1918 nach Den Haag, wo er sich als Vertreter der Obersten Heeresleitung in die ergebnislos verlaufenden Friedensbesprechungen mit dem Beauftragten Wilsons einschaltete, wandte er sich scharf gegen die Ernennung des Gesandten von Hinlze zum Nachfolger Kühlmanns als Staatssekretär, den er durch Helfferich ersetzt wissen wollte. Deshalb nahm er auch den Vorschlag des Reichskanzlers und Ludendorffs vom 13.8., als Unterstaatssekretär von einer zentralen Stelle aus Presse und Aufklärung der öffentlichen Meinung des In- und Auslandes zu leiten, nicht an. Als grundsätzlicher Gegner der Mitbeteiligung der Obersten Heeresleitung an dem Waffenstillstandsangebot, als dessen Initiator er den Staatssekretär von Hintze bezeichnet, ist H. seit dem 13.8.1918 für äußerste Zurückhaltung der Obersten Heeresleitung bei den Friedensbemühungen eingetreten. Im Gegensatz zu Noske setzte sich H. Anfang Oktober beim Reichskanzler Prinz Max von Baden für den Abbruch der Verhandlungen und die Fortsetzung des Krieges ein, stellte sich aber dann auf Wunsch Eberts doch der republikanischen Regierung wieder als Vertreter der Obersten Heeresleitung zur Verfügung. 1919 war er Mitglied der Heeresfriedenskommission. Nach seinem Ausscheiden aus dem Heeresdienst mit dem Charakter eines Generalmajors (1920) erhielt er von Seeckt die eigentliche Aufgabe seines Lebens zugewiesen. Als Direktor der historischen Abteilung bis 1931 und dann als Präsident des Reichsarchivs bis 1934, an dessen Gründung er beteiligt war, wurde er der Spiritus rector bei der Abfassung des amtlichen Weltkriegswerks. Entscheidend für die Beurteilung des Wehrwissenschaftlers H. ist, daß er die deutsche Wehrforschung erstmals auf eine sichere und breite Quellengrundlage stellte und in ihr die herkömmliche Kriegsgeschichtsschreibung unter dem Aspekt der Kulturverteidigung über die einseitigen Auffassungen aller Lager auf eine höhere Ebene erhob. Allerdings mit der Einschränkung: Während bei den Wehrwissenschaften, die von ihm entscheidende Antriebe erhielten, der Grundgedanke vorherrscht, daß sich die Kriegführung begrenzte Ziele stecken müsse, um vor allem den Krieg vom eigenen Lebensraum fernzuhalten, redet er den Operationen in weitabgelegene Kampfräume das Wort. Von Ludendorff war ihm als letztem Chef der Kriegsgeschichtlichen Abteilung 2 des Großen Generalstabes die Leitung des amtlichen Kriegswerks nach dem Kriege zugesichert worden. Die Enge des Blickfeldes, aus der heraus die Kriegführung Falkenhayns darin dargestellt wurde, wird durch H.s Anteil am Sturz des Generalstabschefs besonders deutlich.“[1]
Familie
Premierleutnant von Haeften, Sohn des Archivars und Historikers August Friedrich Karl Julius von Haeften (1832–1871) und dessen Frau Elisabeth „Elise“ von Hochwächter (1840–1916), heiratete am 21. März 1903 in Berlin seine Verlobte Agnes Charlotte Klara von Brauchitsch (1869–1945), die Tochter von Bernhard Eduard Adolf von Brauchitsch und u. a. Schwester des späteren Generalmajors Adolf Wilhelm Bernhard von Brauchitsch und des späteren Generals der Artillerie Walther von Brauchitsch. Dieser Ehe entstammen die Tochter Elisabeth Charlotte Agnes Hedwig (1903–1980) sowie zwei Söhne: Hans Bernd August Gustav (1905–1944) und Werner Karl Otto Theodor (1908–1944).
Mitgliedschaften (Auswahl)
- 1933 ordentliches Mitglied der Preußische Akademien der Wissenschaften
- Nationalsozialistische Beamtenarbeitsgemeinschaft der Ortsgruppe Potsdam
Auszeichnungen und Ehrungen (Auszug)
- Zentenarmedaille
- Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse
- Ehrendoktorwürde (Dr. phil. h. c.) der Universotät Leipzig, 1925
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
Werke (Auswahl)
- Eine deutsche Kolonialarmee, 1905
- Kämpfe der deutschen Truppen in Deutsch-Südwestafrika, 1906/07
Literatur
- Das Deutsche Führerlexikon, Otto Stollberg G.m.b.H., Berlin 1934