Gödsche, Herrmann

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Herrmann Gödsche

Herrmann Ottomar Friedrich Gödsche[1] (Lebensrune.png 12. Februar 1815 in Trachenberg, Schlesien; Todesrune.png 8. November 1878 in Bad Warmbrunn), war ein Postsekretär a.D., deutscher Schriftsteller und politischer Journalist der Kreuzzeitung. Er benutzte auch die Pseudonyme Theodor Arming und Sir John Retcliffe (Baron Persiani).

Leben

1834-48 war Gödsche Postsekretär an verschiedenen Orten, zuletzt in Düsseldorf. Seit 1835 veröffentlichte er Romane. Zur Revolution 1848 ging er nach Berlin und trat dort für die Kaisertreuen ein. Er war Mitbegründer der „Neuen Preußischen Zeitung“, die später „Kreuzzeitung“ hieß. Nachdem er wegen einer Duellforderung zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt worden war, erließ ihm König Friedrich Wilhelm IV. die Strafe und ermöglichte ihm 1853 eine Reise in die Türkei, bei der Gödsche die Schauplätze des beginnenden Krimkriegs und den Stoff seines ersten großen historisch-politischen Romans kennenlernte (Sebastopol 1856).

Gödsche verfaßte etwa 40 Bände dieser – damals sehr erfolgreichen – Romane im Stil Walter Scotts, die ein weitgespanntes Hintergrundwissen erforderten. Er züchtete australische und südamerikanische Ziervögel und war ein Verehrer des polnischen Juden Samuel Berlach alias Zauberkünstler Bellachini (1828-1885). Sein Redaktionskollege Theodor Fontane beschrieb Gödsche als einen Mann mit großer Herzensgüte (Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches von Theodor Fontane, F. Fontane & Co., Berlin 1898).

Als Gödsche sich gegen Ende seines Lebens im Roman Biarritz im Kapitel „Auf dem Judenkirchhof in Prag“ dem Thema der jüdischen Weltverschwörung (→ Weltjudentum) widmete, erlebte er einen Sturm alttestamentarischer Hetze, die sein Werk zu zertrümmern suchte und durch die er als harmloser und lächerlicher Literat verleumdet wurde. Von Juden wird noch heute behauptet, Gödsche sei preußischer Agent gewesen, hätte literarisch morbide sexuelle Phantasien ausgelebt; er sei ferner der Stammvater aller „Erfindungen jüdischer Weltverschwörungen“ und wäre in den Protokollen der Weisen von Zion 30 Jahre später „kopiert“ worden.

1873 schied Gödsche als Redakteur der Kreuzzeitung aus und verwaltete das von ihm in den preußischen Kriegen gestiftete Militärkurhaus in Warmbrunn, wo er auch starb. Das nationalsozialistische Deutschland errichtete ihm dort einen Gedenkstein. Sein letztes Werk „Um die Weltherrschaft“ konnte Gödsche nicht mehr ganz vollenden.

Theodor Fontane über Herrmann Gödsche

Quelle
Folgender Text ist eine Quellenwiedergabe. Unter Umständen können Rechtschreibfehler korrigiert oder kleinere inhaltliche Fehler kommentiert worden sein. Der Ursprung des Textes ist als Quellennachweis angegeben.

[...] Auf der Redaktion saßen Hesekiel und ich dicht zusammen, nur durch einen schmalen Gang getrennt, und mitunter schrieben wir uns Briefe, die wir uns von einem Tisch zum andern herüberreichten. Es wurden darin immer nächstliegende Personalien verhandelt, anzüglich, aber nie bösartig, vielmehr vorwiegend in so grotesk ausschweifender Weise, daß dadurch der kleinen Malice die Spitze abgebrochen wurde. Meist ging es gegen den Chefredakteur, dessen pedantische Ruhe der Hesekielschen Natur durchaus widersprach. Am ungeniertesten wurde mit dem aus dem Waldeck-Prozeß schlecht beleumdeten Goedsche verfahren, der übrigens keineswegs ein Schreckensmensch, vielmehr, bei hundert kleinen Schwächen und vielleicht Schlimmerem, ein Mann von großer Herzensgüte war; er schrieb damals an seinen, vom buchhändlerischen Standpunkte aus berühmt gewordenen Sir John Retcliffe-Romanen, die, wie er selbst, eine Quelle beständiger Erheiterung für uns waren. Einer dieser Romane hieß »Nena Sahib«. Wenn nun eine ganz ungeheuerliche Stelle kam, wo die Schrecknisse sich riesenhaft türmten, so kriegte er es doch mit der Angst, und fühlend, daß er dem Publikum vielleicht allzuviel zumutete, machte er, mit Hilfe eines Sternchens, eine Fußnote, darin es in lakonischer Kürze hieß: »Siehe Parlamentsakten«. Er hütete sich aber, Band und Seitenzahl anzugeben. Wenn wieder ein mehrbändiges Werk fertig war, ließ er es jedesmal elegant einbinden, um es dann, in der Privatwohnung des Chefredakteurs, der sehr feinen und sehr akkuraten Dame des Hauses als Huldigungsexemplar überreichen zu können. In besonders schweren Fällen soll er aber hinzugesetzt haben: »Ich muß die gnädige Frau dringend bitten, es nicht lesen zu wollen.« Von Hesekiel ließ er sich alles gefallen; manche Wendungen waren stereotyp. Es kam vor, daß Goedsche mit einem gewissen Feldherrnschritt auf der Redaktion erschien und hier, ohne daß das geringste vorgefallen war, ein ungeheures Ergriffensein über einen rätselhaften und vielleicht gar nicht mal existierenden Hergang zur Schau stellte. Hesekiel sagte dann, um diesen falschen Rausch zu markieren, ruhig vor sich hin: »Goedsche hat heute wieder seine Zahntinktur ausgetrunken.« Ich persönlich habe Goedsche nur von zwei Seiten kennengelernt: als Vogelzüchter und Bellachini-Freund. Er hatte eine Hecke der schönsten australischen und südamerikanischen Vögel, und Bellachini war auf seine Art ein reizender Mann, was nicht wundernehmen darf. Alles, was sich an der Peripherie der Kunst herumtummelt: Akrobaten, Clowns, Monsieur Herkules, Zauberer und Taschenspieler - alle sind meist sehr angenehme Leute, weil sie das Bedürfnis haben, die Welt mit sich zu versöhnen. Goedsche zog sich in den siebziger Jahren nach Warmbrunn zurück, woselbst er in seinen guten Tagen - er hatte an den Retcliffe-Romanen ein enormes Geld verdient - ein Krankenhaus gestiftet hatte; dort starb er auch. Das letzte Mal, da ich ihn sah, noch in Berlin, war er sehr elend, infolge einer merkwürdigen, echt Goedscheschen Weihnachtsfeier. Seine Frau war ihm gestorben, und ganz in Sentimentalität steckend, wie so oft Naturen der Art, begab er sich am Christabend nach dem katholischen Kirchhofe hinaus und veranstaltete hier, indem er zahllose Lichter aufs Grab pflanzte, eine Liebes- und Gedächtnisfeier. Er setzte sich auf ein Nachbargrab und sang einen Vers und weinte. Die Folge davon war ein Pyramidalkatarrh, der sein Leben schon damals in Gefahr brachte. ...

Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches von Theodor Fontane, F. Fontane & Co., Berlin 1898.


Werke

Baron Persiani Werke:

  • Volk in Folter (Netzbuch)
  • (Theodor Armin) Der letzte Wäringer. Historisch politische Novelle aus den letzten Tagen Constantinopels, 1835
  • (Theodor Armin) Burg Frankenstein. Vaterländische Romaneske aus den Zeiten Kaiser Friedrich Barbarossas, 3 Bde., 1836
  • Die Sage vom Ottilien-Stein, 1836
  • Die steinernen Tänzer. Romantische Sage aus Schlesiens Vorzeit, 2 Bde., 1837
  • Nächte. Romantische Skizzen aus dem Leben und der Zeit, 2 Bde., 1838-1839
  • Schlesischer Sagen-, Historien- und Legendenschatz, 1839-1840
  • (Willibald Piersig) Mysterien der Berliner Demokratie, 1848
  • (Anonym) Enthüllungen, 1849
  • Die Russen nach Constantinopel! Ein Beitrag zur orientalischen Frage, 1854
  • Sebastopol. Historisch-politischer Roman aus der Gegenwart, 4 Bde., 1855-57 (Netzbuch) (u.a. zur Schlacht um Sewastopol 1854–1855)
  • Nena Sahib, oder: Die Empörung in Indien. Historisch-politischer Roman, 3 Bde., 1858/59 (1963 wurde die ursprüngliche Trilogie in zwei Bänden erneut in der Buchreihe „Welt der Abenteuer“ veröffentlicht)
  • Villafranca, oder: Die Kabinette und die Revolutionen. Historisch-politischer Roman aus der Gegenwart, 3 Bde., 1860/61
    • Zehn Jahre! (Fortsetzung von Villafranca), 4 Bde., 1861-64
    • Magenta und Solferino (Fortsetzung von Villafranca und Zehn Jahre!), 4 Bde., 1864-66
  • Puebla oder Die Franzosen in Mexiko, 3 Bde., 1865-67
  • Biarritz. Historisch-politischer Roman, 8 Bde., Verlag Carl Sigism. Liebrecht, Berlin 1868-76

Verweise

Fußnoten

  1. Unterschiedliche Schreibweise des Vornamens Herrmann: Mit 2 -r- http://www.zeno.org/Literatur/M/Goedsche,+Herrmann/Roman/Sebastopol und mit einem -r- http://www.abenteuerroman.info/autor/ret/retbio.htm