Das Deutschtum in Syrien und Palästina
Das Deutschtum in Syrien und Palästina ist ein eingehender Artikel des Oberleutnants im Felde und späteren Generalleutnants Hans Rohde über die deutschen Siedler im Nahen Osten, vor allem in Palästina und Syrien ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Veröffentlicht wurde er erstmalig in „Süddeutsche Monatshefte“, 12. Jahrgang, Heft 12, September 1915, S. 899–906. Obschon die Bestrebungen der „Tempelgesellschaft“[1] zur Kolonisierung des „Heiligen Landes“ geschichtlich bekannt sind, gab es auch andere Organisationen, die ihre Fühler diesbezüglich ausstreckten, so z. B. der 1848 gegründete „Verein zu Frankfurt am Main für eine deutsche Kolonie im gelobten Land“.
Inhaltsverzeichnis
Originaltext
Das Deutschtum in Syrien und Palästina
Die Beschießung unserer deutschen Ansiedlungen in Haifa und Jaffa an der syrisch-palästinensischen Küste, die Zerstörungen unserer dortigen Konsulate durch englisch-französische Kriegsschiffe hat die Aufmerksamkeit auf das Deutschtum in Palästina gelenkt, aus dessen Ansiedlungen bei Anbruch des Krieges nicht wenige unter großen Schwierigkeiten nach Deutschland eilten und auch schon viele, wie mir von Freunden aus Palästina mitgeteilt, den Heldentod starben. Während meines mehr als 1 ½ jährigen Aufenthalts in Palästina als türkischer Offizier habe ich unser Deutschtum in Syrien kennen und bewundern gelernt. Es wird mit Rücksicht auf die genannten Ereignisse und Tatsachen, auf unsere Waffenbrüderschaft mit der Türkei nicht unangebracht sein, uns in Kürze darüber klar zu werden, wie die deutschen Ansiedler nach Palästina gekommen sind, was sie dort für uns und für die Türkei geleistet haben.
Wenn man mit der Eisenbahn von Jaffa kommend, nach Durchquerung der wild romantischen, spärlich bebauten Talschluchten des Gebirges Juda, das Hochplateau der Ebene Rephaim betritt, so erblickt man zur Linken die freundlichen, von lieblichem Grün umgebenen Häuser der deutschen Kolonie Rephaim, der vierten der von der sogenannten „Tempelgesellschaft“ gegründeten Ansiedlungen. Schon der Name „Gesellschaft des Tempels“ deutet auf eine aus religiösen Beweggründen hervorgegangene Vereinigung. Für diejenigen, die die religiösen und politischen Strömungen in unserem Vaterlande in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch aus eigener Erfahrung kennen, wird eine nähere Erläuterung kaum notwendig sein, da der Auszug der „Jerusalemsfreunde“ in den Jahren 1868 bis 1874 unter Führung ihrer Vorsteher Hoffmann und Hardegg als ein tollkühnes Unternehmen, dessen Ausführung für alle Beteiligten verhängnisvoll werden müsse, privatim und öffentlich genügend gekennzeichnet wurde. In der Tat schien es auch, als im Winter des Jahres 1868 die beiden Vorsteher des Tempels in Begleitung ihrer Familien auf dem Sande in Haifa das gelobte Land betraten, als ob jene zum Teil wohlmeinenden, ernstlich besorgten Warnungsstimmen recht behalten sollten. Denn die Anfänge der Kolonisation in Palästina vollzogen sich unter recht bescheidenen Verhältnissen und unter Schwierigkeiten mancher Art. Sie entfernten sich sehr weit von dem Ideale der kleinen Genossenschaft der Jerusalemsfreunde, die sich am 20. Juni 1861 auf dem Kirchhardthof bei Marbach als „Deutscher Tempel“ gebildet hatte. Hatte man anfangs gehofft, durch aufklärende Schriften, Versammlungen und persönliche Besprechungen weitere Kreise des deutschen Publikums und speziell der evangelisch-protestantischen Kirche für die Idee der Sammlung des Volkes Gottes in Jerusalem, als einen Anfang zur Verwirklichung gottgewollter Zustände, begeistern zu können, so begann man nach und nach einzusehen, daß die kleine Gesellschaft auf den Opfermut ihrer Mitglieder angewiesen bleibe und entweder auf ihre Ideale verzichten oder sie aus eigener Kraft zur Durchführung bringen müsse.
Dieser Gedankengang war es, der im Jahre 1868 die Führer der kleinen Genossenschaft veranlaßte, im Vertrauen auf Gott und die Richtigkeit ihres Strebens, einen Anfang mit der Ansiedlung in Palästina zu machen um so wenigstens zunächst für sich und ihre Angehörigen die Folgerung aus ihren Lehren und Überzeugungen zu ziehen. Schon auf ihrer Ausreise nach Palästina über Konstantinopel hatten die beiden Vorsteher des Tempels die Enttäuschung zu erleben, daß das an die „Hohe Pforte“ durch Vermittlung des damaligen Preußischen Gesandten in Konstantinopel gerichtete Gesuch um unentgeltliche Überlassung größerer Strecken Regierungslandes zur Bebauung und Urbarmachung zwar nicht geradezu abschlägig, aber doch ausweichend, beschieden wurde. Es wurde das Verlangen gestellt, die Bittsteller möchten vor allen Dingen eine Erklärung darüber abgeben, ob sie türkische Untertanen werden wollten oder nicht. Da der preußische Gesandte beim Großherrn, in richtiger Würdigung der Umstände, den Vorstehern des Tempels auf das dringendste davon abriet, dem Verlangen der Hohen Pforte Rechnung zu tragen und auf ihre deutsche Nationalität zu verzichten, so waren sie bereits hier um eine Hoffnung ärmer geworden, da mit der im stillen erwarteten Unterstützung der kaiserlich Ottomanischen Regierung nur um den Preis der deutschen Nationalität noch zu rechnen war. Glücklicherweise ist Preußen als Vertreter des Norddeutschen Bundes im Jahre 1869 dem seinerzeit von dem französischen Gesandten in Konstantinopel, Herrn Bourée, mit der Pforte abgeschlossenen Vertrage, der als Irade sanie (großherrlicher Erlaß) am 7. September 1284 (18. Juli 1867) publiziert worden war, für seine Landesangehörigen und Schutzgenossen beigetreten. Dieser Umstand ermöglichte es den Mitgliedern der Tempelgesellschaft auf ihren eigenen Namen Grundeigentum in der Türkei zu erwerben.
Da mit einer Schenkung oder pachtweisen Überlassung von Regierungsland also nicht mehr zu rechnen war, so wurde zunächst beschlossen, in Haifa, als dem hierzu geeignetsten Platze, vorläufig eine Empfangsstation für weitere Ansiedler zu gründen und die hierzu nötigen Ländereien im Westen der Stadt, etwa eine halbe Stunde vom heutigen Haifa entfernt, am Wege nach Jaffa, käuflich zu erwerben. Die Gelder hierzu wurden teils aus privaten Mitteln aufgebracht, teils der hierzu innerhalb des Tempels gegründeten sogenannten Kolonisationskasse als Anleihe entnommen. Wer heute die Kolonie Haifa, ein schmuckes, schön angelegtes deutsches Dorf, mit sauberen Straßen, inmitten grüner Wein- und Olivengärten, am Fuße des Berges Karmel gelegen, ansieht, macht sich kaum eine Vorstellung von den Schwierigkeiten, die die Ansiedler zu überwinden hatten, ehe sie die Früchte ihrer Anstrengungen genießen durften.
So ist Haifa die älteste deutsche Ansiedlung in Palästina. In wundervoller Lage hat sie die malerische Bucht von Akko, dem alten Ptolemäis, vor und unmittelbar hinter sich das an dieser Stelle etwa 250-300 m hohe Karmelgebirge, auf dessen westlichem Vorsprung sich das im Jahre 1156 gegründete Stammkloster des Karmeliterordens befindet.
Die Kolonie zählt heute etwa 900 Seelen, in welcher Zahl aber die Bewohner der Schwesterkolonien Waldheim, Bet-Lam, Karmelheim und Neuhardhof mit einbegriffen sind. Sie hat 216 Hauptgebäude, unter diesen 2 Schulhäuser der Templer bezw. der evangelischen Gemeinde, 106 massive Nebenhäuser und 150 ha Ackerland. Unter den Kolonisten, die zum größten Teile Schwaben, Deutsch-Amerikaner und Russen sind, sind alle Stände und Berufe vertreten, am meisten das Handwerk und die Landwirtschaft. Die Konsulate von Österreich-Ungarn und den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika sind ehrenamtlich Deutschen übertragen, während das Deutsche Reich nunmehr durch einen Berufs-Konsul vertreten ist. Es bestehen im ganzen zehn deutsche Handelsgeschäfte, die hauptsächlich Baumaterialien, Eisenwaren, landwirtschaftliche Maschinen und Ackergeräte, Manufaktur- und Kurzwaren, Chemikalien und Medikamente aus Deutschland beziehen. Die Agenturen der wichtigsten Schiffahrtsgesellschaften (Norddeutscher Lloyd, Deutsche Levante Linie, Österreichscher Lloyd, Khedivial Mail Linie, eine englisch-ägyptische Linie) befinden sich in Händen der Deutschen. In der Stadt Haifa liegt eine Filiale der Deutschen Palästina Bank in Berlin. In der Kolonie bestehen zwei deutsche Hotels, ein katholisches deutsches Pilgerhaus mit Hospital der Schwestern vom h. Borromäus, eine Apotheke, mehrere Dampfmühlen, eine Zementwaren- und eine Seifenfabrik sowie zwei deutsche Wirtshäuser.
Der Fremde, der in Haifa die Koloniestraße nach dem Karmel hinaufwandert, fühlt sich in ein wohlhabendes württembergisches Dorf versetzt, besonders wenn ihm ein schwäbisches „Grüß Gott“ entgegenschallt. Auf der Höhe des Karmel befindet sich die aus 16 Häusern bestehende deutsche Villenkolonie „Karmelheim“ mit einem Luftkurhaus, Hotel und Erholungsheim der deutsch-evangelischen Karmel-Missionsgesellschaft. Ihr Gründer ist ein guter Schwarzwälder, der frühere deutsche Vizekonsul Fritz Keller.
Zwei Stunden weiter westlich von Haifa an der Straße nach Jaffa liegt die kleine Ansiedlung Neuhardhof, die jedoch nur aus wenigen Gehöften und etwa 300 ha Ackerland besteht.
Der Aufschwung Haifas ist vor allem zwei Momenten zu verdanken: der Tätigkeit der deutschen Kolonisten und der Erbauung der Hedschas-Bahn, die durch die Seitenlinie Haifa-Derat ihren Ausgangspunkt in Haifa nimmt.
Eine der Hauptschwierigkeiten, die immer und immer wieder jede größere Unternehmung wirtschaftlicher und industrieller Natur unausführbar machte, war der Mangel an Geld, das Fehlen eines Betriebskapitals, aus welchem gemeinnützige Anstalten hätten erhalten werden können. Wohl taten die Mitglieder der Gesellschaft das Menschenmögliche, um durch freie Beiträge, Stiftungen, Vermächtnisse sowie durch Zuschuß auf unbestimmte Zeit zinsfrei überlassener Gelder der Leitung die absolut nötigen Unterhaltungsgelder zu verschaffen; allein trotz aller Anstrengungen wuchs das Defizit der Kolonisationskasse von Jahr zu Jahr, um so mehr, als die Anlage weiterer Kolonien nötig wurde, wenn nicht die ganze Unternehmung in Frage gestellt werden sollte.
So wurden ungeachtet der sehr spärlichen Geldmittel, kurz nacheinander die Kolonien Jaffa, im März 1869, und Sarona, im August 1871, gegründet und auch bald ein kleiner Anfang in Jerusalem, dem eigentlichen Ziele der Tempelgesellschaft gemacht.
Die Kolonie Jaffa unterschied sich insofern von den anderen Gründungen der Tempelgesellschaft, als solche kein Ackerland einschloß und daher vorzugsweise Handel und Gewerbe treibenden Mitgliedern einen Wohnsitz bieten sollte. Zu diesem Zwecke hatte die Gesellschaft die Überreste einer früheren amerikanischen Siedlung, bestehend in einer Öl-, Dampf- und Sägemühle, einem Hotel, drei Wohnhäusern und einer Hospitaleinrichtung, für billiges Geld käuflich erworben und einzelnen Mitgliedern zum Betriebe für Rechnung der Gesellschaft zugeteilt. Da aber der Mangel an Ackerland sich bald sehr fühlbar machte, so mußte schon im August 1871 zur Anlage einer weiteren Kolonie geschritten werden.
Deswegen wurde in der Nähe von Jaffa an der Nablusstraße, ein etwa 50 Hektar haltendes Areal Ackerland gekauft. Diese Kolonie, „Sarona“ genannt, deren Anlage und Bebauung verhältnismäßig sehr rasch vor sich ging, stellte die Ausdauer und den Opfermut des kleinen Häufchens auf die stärkste Probe, da bei der Auswahl des Platzes, in Hinsicht auf die gesundheitliche Lage, entschieden Fehler begangen worden waren, die sich späterhin schwer rächen sollten. Wenn auch gewiß die Kolonisten, meist neuzugezogene schwäbische Bauern, insofern unvorsichtig waren, als sie den Erfordernissen des heißen Klimas der Saronaebene bei ihren Feld- und Hausarbeiten zu wenig Rechnung trugen, so müssen die vielen Todesfälle der ersten Jahre doch zum guten Teil auf die ungesunde Lage zurückgeführt werden. Es starben allein im Jahre 1872 in Sarona 26 Personen. Dies bedeutete bei der kleinen Zahl der Ansiedler einen unersetzlichen Verlust. Auch waren in den ersten Jahren fast alle kleinen Kinder dem sicheren Tode verfallen. Aber das unerschütterliche Gottvertrauen, die zähe Ausdauer der dezimierten Ansiedler hat auch dieser Probe standgehalten.
Die Urbarmachung des Landes machte Fortschritte, Wohnhäuser, Gärten und Weinberge wurden angelegt, die Lebensweise des Kolonisten paßte sich mehr den Erfordernissen des Landes an, der Lauf des die Kolonie umfließenden, meist sumpfigen Wadi Miserara wurde notdürftig reguliert und die Ufer und sumpfigen Stellen mit Eukalyptusbäumen bepflanzt, so daß nach und nach der Gesundheitszustand der Kolonie sich besserte und Fieber weniger häufig und in gelinder Form auftraten. Heute, nach Anlegung einer zentralen Wasserleitung, die durch ein modernes Pumpwerk aus den tiefsten Grundwasserschichten gespeist wird, und an Stelle der früheren, kaum drei Meter tiefen Brunnen den Kolonisten ein einwandfreies Trinkwasser liefert, steht der Gesundheitszustand Saronas dem der andern, günstiger gelegenen Ansiedlungen kaum nach. Über die wirtschaftliche Entwicklung der Kolonie Sarona braucht kaum etwas gesagt zu werden. Schon der bloße Anblick verrät dem Besucher, daß sie lebensfähig ist, ja selbst einen gewissen Wohlstand der Besitzer spiegelt sie wider. An Stelle der ursprünglich angelegten Weingärten und Getreidefelder sind heute meist die wirtschaftlich rentableren Orangegärten und der Gemüsebau getreten; Ackerbau wird nur insoweit betrieben, als er die durch eine Molkereigemeinschaft betriebene Milchwirtschaft mit Futtermitteln zu versorgen hat.
Die Kolonie Jerusalem, die durch Überführung der bis dahin in Jaffa betriebenen höheren Schule der Tempelgesellschaft im Herbst des Jahres 1877 der Zentralpunkt der Niederlassung der Tempelgesellschaft in Palästina und Sitz der Zentralleitung des Tempels geworden war, konnte, da die Bodenformation der Umgebung Jerusalems sich zum Ackerbau in keiner Weise eignet, nur Handel und Gewerbetreibenden Wohnsitz bieten und ist daher in ihrer räumlichen Ausdehnung beschränkt geblieben. Immerhin besteht diese heute aus 35 von frischem Grün umgebenen massiv aus Stein gebauten Wohnhäusern, die dem aus Jaffa ankommenden Reisenden den ersten Willkommensgruß aus der Heimat bieten.
Die Jahre 1877-1903 brachten für die Tempelgesellschaft einen Stillstand in der Kolonisation mit sich, wenngleich auch während dieser Jahre das Bedürfnis zur Neuanlage von Kolonien sich geltend machte und durch Untersuchung und Beratung verschiedener Projekte zum Ausdruck kam. Alle diese Pläne scheiterten indessen teils an dem seitens der türkischen Behörden weiterem Landerwerb durch Ausländer entgegengesetzten passiven Widerstande, teils an der Unmöglichkeit, die absolut nötigen Geldmittel aufzubringen. Sie kamen sämtlich über die Vorstudien nicht hinaus.
Ausgefüllt wurden diese Jahre des Stillstandes für die Mitglieder der Gesellschaft durch innere Stürme religiöser Natur, durch Differenzen einzelner Mitglieder, ja ganzer Kolonien mit der Leitung, sowie durch die Konsolidierung der finanziellen Situation der Gesellschaft, die durch das mehr und mehr anwachsende Defizit der Kasse und das Fehlen jeder Rückzahlungsmöglichkeit allmählich unhaltbar geworden war.
Die Kolonisationskasse, deren Gelder in den Unternehmungen in Palästina festlagen, konnte den an sie gestellten Anforderungen nicht mehr oder nur in ungenügender Weise gerecht werden. Dieser Umstand führte schon im Jahre 1884 zur Gründung einer eingetragenen Genossenschaft für Handel, Ackerbau und Gewerbe, von der man sich viel versprach, die aber schon nach zwei Jahren, ohne Bedeutendes geleistet zu haben, wieder aufgelöst wurde.
Inzwischen waren die Gründer und ersten Führer der Tempelgesellschaft aus dem Amte geschieden und jüngere Leute an die Leitung berufen. Wie überall, vollzog sich auch hier der Umschwung in der Leitung der Gesellschaft nicht ohne Mißhelligkeiten und innere Zerwürfnisse, welche, ursprünglich meist in finanziellen Meinungsverschiedenheiten begründet, auf das gesellschaftliche Leben übergriffen und eine mehrjährige Spaltung innerhalb der Tempelgesellschaft herbeiführten, die sich aber durch gegenseitige Nachsicht und Erkennen der gemachten Fehler wieder beseitigen ließ. Der jüngere Tempelvorsteher hatte in richtiger Erkennung der Tatsachen, daß die bisherige Finanzwirtschaft der Gesellschaft nicht ohne große Gefahr für das Bestehen derselben fortgeführt werden könne, die Zentralkasse des Tempels, als deren persönliche Teilhaber C. Hoffmann und G. Paulus zeichneten, ins Leben gerufen, welche den Zweck verfolgte, die jährlich von jedem Mitgliede gezahlten Beiträge zu kapitalisieren und auf diese Weise einen Fonds zu schaffen, dessen Zinserträgnisse dazu dienen sollten, die laufenden Ausgaben der Gesellschaft (Besoldung von Angestellten, Lehrern, Predigern usw., Unterhalt der Schulen und sonstigen gemeinnützigen Anstalten) zu decken. Dagegen sollten alle sonst verfügbaren Gelder dazu verwandt werden, die bestehenden Verbindlichkeiten der Kolonisationskasse zu lösen, um diese Kasse mit der Zeit zu liquidieren. Infolge Verzichtleistung verschiedener Gläubiger auf ihre Forderungen an die Kolonisationskasse in Liquidation und Eintritts mancher anderer günstiger Umstände war es ihm vergönnt, sein Werk von Erfolg gekrönt zu sehen, so daß die Liquidation der Kolonisationskasse, wenigstens soweit Kapitalforderungen in Frage kamen, vollständig durchgeführt werden konnte. Da die Richtigkeit der Finanzpolitik der Kasse allgemein anerkannt wurde, so fanden deren Bestrebungen bei den Mitgliedern Verständnis, das sich in reichlichem Zuschuß freiwilliger Beiträge äußerte. So diente also der Stillstand in der Anlage neuer Siedlungen dazu, die Finanzorganisation der Tempelgesellschaft zu kräftigen, mit dem Erfolge, daß die Gesellschaft heute über ein nicht unbedeutendes Barvermögen verfügt, dessen Zinserträgnisse in absehbarer Zeit genügen werden, um die unumgänglichen laufenden Ausgaben für den jährlichen Haushalt zu decken.
Nachdem auf diese Weise die innere Finanzwirtschaft geregelt und durch die Palästinareise Seiner Majestät des Deutschen Kaisers das Interesse an den deutschen Niederlassungen in Palästina mehr als bisher auch in weiteren Kreisen des deutschen Vaterlandes geweckt worden war, konnte man im Jahre 1902 daran denken, in der Nähe von Jahudié und etwa eine Stunde von Lydda entfernt eine fünfte Kolonie zu gründen, die dazu bestimmt war, dem sich immer dringender sich fühlbar machenden Bedürfnis nach neuen Ländereien abzuhelfen. Zur Gründung dieser Kolonie hatte die unter dem Präsidium S(eine)r Durchlaucht des Herzogs Karl von Urach, mit dem Sitz in Stuttgart zusammengetretene „Gesellschaft zur Förderung der deutschen Ansiedlungen in Palästina“ zu verhältnismäßig billigem Zinsfuße eine größere Summe Geldes auf Amortisation vorgeschossen, gegen Verpfändung der in Jerusalem gelegenen Liegenschaften der Gesellschaft.
Diese pekuniäre Unterstützung der Gesellschaft ermöglichte es ihr, in der Saronaebene bei Jahudié ein größeres Arreal Ackerland mit einem Meßgehalte von etwa 8000 Dunnum käuflich zu erwerben und auch dessen Umschreibung auf den damaligen Vorsteher unter vielen Schwierigkeiten bei den türkischen Behörden durchzusetzen. Schon im Sommer 1902 ward das Land feierlich in Besitz genommen. Im Frühjahr 1903 wurde der Grundstein zu dem Gemeinde- und Schulhaus gelegt und im Sommer desselben Jahres konnte die feierliche Einweihung des Hauses stattfinden.
Wer heute nach kaum elf Jahren ihres Bestehens, diese blühende Ansiedlung besucht, wird sehen, daß deutscher Fleiß und deutsche Tüchtigkeit auch hier in ganz kurzer Zeit eine Wüste in einen Garten verwandelt hat, der Zeugnis dafür ablegt, daß bei rationeller Kultur die sterilen Landflächen Palästinas verhältnismäßig schnell wieder urbar gemacht werden können und daß die sprichwörtliche Fruchtbarkeit des Bodens bei richtiger Aufschließung auch heute noch Geltung hat.
Die neue Kolonie, die zu Ehren des Landesherrn und Seiner Majestät des Deutschen Kaisers „Hamidie Wilhelma“[2] genannt wurde, konnte, da Kapitalien hierfür in ausreichender Weise zur Verfügung standen, unter tunlichster Berücksichtigung der Bedürfnisse der Landwirtschaft großzügig angelegt werden. Anfangs freilich ging auch hier den Ansiedlern nicht alles nach Wunsch. Fehler wurden gemacht und infolgedessen Mißernten erzielt, Viehseuchen und andere Schicksalsschläge brachen über das junge Dorf herein und vernichteten in ganz kurzer Zeit den kaum geschaffenen Viehstand der Kolonie. Ein schwerer Schlag für die im Werden begriffene Ansiedlung, von dem sie sich nur langsam erholen konnte.
Jetzt, wo die Felder erschlossen sind und die Kulturen beginnen, ertragfähig zu werden, ist die Gesamtlage der Kolonie etwas besser geworden und berechtigt zu der Hoffnung, daß binnen weniger Jahrzehnte diese Anlage, die den Erfahrungen früherer Zeit nach Möglichkeit Rechnung trug, die schönste der Tempelkolonien im heiligen Lande sein wird. Sie bedeutet einen großen Schritt nach vorwärts in der Besiedelung Palästinas.
Hand in Hand mit dieser Entwicklung in kolonisatorischer Hinsicht ging auch eine weitere Konsolidierung der finanziell-wirtschaftlichen Basis der Gesellschaft, indem für die Zentralkasse des Tempels, die bisher als offene Handelsgesellschaft betrieben wurde, die Eigenschaft als juristische Person vonseiten des Reiches erstrebt wurde. Dieses wurde bewirkt durch ein unter dankenswerter Mithilfe des Kaiserlich Deutschen Generalkonsuls E. Schmidt in Jerusalem ausgearbeitetes Statut für einen „Verein der Tempelgesellschaft“, welches alsbald auch die Genehmigung der Kaiserlich-Deutschen Regierung fand. Infolgedessen wurde dem Verein der Tempelgesellschaft, auf welchen Aktiva und Passiva der bisherigen Zentralkasse des Tempels übergegangen waren, durch Beschluß des Bundesrats vom 28. Juni 1906 die Rechtsfähigkeit im Deutschen Reich verliehen, so daß das Finanzgebaren der Gesellschaft nunmehr auf einer gesetzlich durchaus geregelten Basis betätigt werden kann.
In den Jahren 1906 und 1907 begannen die Verhandlungen bezüglich Anlage einer weiteren Kolonie in der Nähe von Haifa, die hauptsächlich den jungen Leuten der Kolonie Haifa das nötige Land zur ackerbaulichen Tätigkeit bieten sollte. Die Verhandlungen gingen infolge von Schwierigkeiten seitens der Kaiserlich Ottomanischen Regierung nur sehr langsam vor sich, konnten aber schließlich doch so weit gefördert werden, daß die feierliche Besitzergreifung des Landes möglich wurde. Diese neue Kolonie liegt an der Straße von Haifa nach Nazareth, am Rande der Jesreel-Ebene, gegenüber der im Jahre 1867 von Mitgliedern der Tempelgesellschaft gegründeten, aber an Krankheiten gescheiterten Niederlassung Samunieh. Die neue Kolonie Beth Lane verspricht, wenn sie einmal über die ersten Schwierigkeiten hinaus sein wird, sich ebenfalls würdig den anderen Niederlassungen der Tempelgesellschaft anzureihen, ja sie infolge der günstigen Bodenverhältnisse noch zu überflügeln. Auch hier wurden vonseiten der Gesellschaft zur Förderung deutscher Ansiedlung in Palästina zu annehmbarem Zinsfuße bereitwilligst Gelder zur Verfügung gestellt, die es ermöglichten, ohne zu große Opfer der Mitglieder den Kaufpreis für die Ländereien sofort zu erledigen. Im vergangenen Jahre ist es dank der tatkräftigen Unterstützung des kaiserlich Deutschen Konsulats gelungen, die Umschreibung dieser Ansiedlung auf die Tempelgesellschaft bezw. einen Vertreter derselben zu veranlassen.
Gleichzeitig mit der Gründung der Kolonie Beth Lane hat auch die evangelische Gemeinde Haifas in deren nächster Nähe, in Umm el Amed, Ländereien zur Anlage einer Ackerbaukolonie angekauft, so daß in dieser Gegend ein größerer Komplex bisher brachliegender Landstrecken durch deutsche Kulturarbeit erschlossen wird, ein weiteres Beispiel dafür, daß das Land, wo Milch und Honig floß, deutschem Fleiß und deutscher Arbeit seine Wiedererstehung in nicht geringem Maße zu verdanken haben wird.
Einschließlich dieser letzten, noch jungen Gründung besitzt also die Tempelgesellschaft heute in Palästina sechs blühende Niederlassungen, deren materielle Existenz als gesichert betrachtet werden kann und die eine nicht unbedeutende Erstarkung des Deutschtums im nahen Oriente bedeuten.
Überblicken wir nun das bisher von der Tempelgesellschaft im Heiligen Lande Geleistete, so können wir wohl sagen, daß sie unter Schwierigkeiten und Anfechtungen mancher Art ihr Panier stets hochgehalten hat und unter oft sehr schweren Opfern in ihrem Teile nicht wenig dazu beitrug, dem deutschen Namen in der Levante Achtung und Ansehen zu verschaffen.
Neben den Ansiedlungen der Deutschen Tempelgesellschaft finden wir noch bedeutende Kolonien in den drei Haupthandelsplätzen Syriens, in Damaskus, Beirut und Aleppo.
Die im Verhältnis zu den übrigen größeren Städten Syriens und Palästinas auffallend kleine europäische Kolonie von Damaskus setzte sich bis vor einigen Jahren hauptsächlich aus Franzosen und Italienern, ferner wenigen Vertretern der übrigen europäischen Nationalitäten zusammen. Auch einige Deutsche befanden sich hierunter, deren Zahl aber inzwischen durch Gründung einer Zweigniederlassung der Deutschen Palästinabank, sowie einer deutschen Import- und Exportfirma erfreulicherweise gestiegen ist, so daß die Zahl der heute in Damaskus anwesenden Deutschen etwa 40 beträgt. Sie setzt sich zusammen zum Teil aus den leitenden Persönlichkeiten und Beamten der obengenannten kaufmännischen Betriebe, den mit der Leitung betrauten Ingenieuren und Mitarbeitern der von einheimischen Notabeln modern eingerichteten Glasfabrik, sowie einigen technischen Beamten und Ingenieuren bei der Hauptwerkstätte der Hedschasbahn. Auch mehrere deutsche Offiziere waren vor dem Kriege in Damaskus, als dem Sitz des Generalkommandos des VIII. türkischen Armeekorps tätig.
Der Import von deutschen Waren ist ein reger und dürfte sich auf 2 Millionen Mark jedes Jahr erheben. Er reiht sich gleich an Italien und China (Rohseide) und wurde nur von England mit etwa 7 Millionen Mark und Österreich mit etwa 4 Millionen Mark übertroffen. Die deutsche Industrie erhöht ihre Importziffer auch in Damaskus von Jahr zu Jahr.
Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des Handels von Damaskus war die Deutsche Palästinabank, die als erste hier eine Filiale eröffnete. Die hiesigen Kaufleute und Grundbesitzer haben der Bank für ihre Kreditgewährung und Unterstützung nicht weniger zu danken, wie die Importeure Deutschlands, denen die Bank als Auskunfts- und Inkassostelle, sowie als Vertreterin ihrer Interessen überhaupt diente. Heute arbeiten drei Banken in Damaskus, doch behauptet sie auch vor der Banque Impériale Ottomane trotz der großen Unterstützung, die diese letztere vom Staate und von den öffentlichen Kassen aus genießt, die erste Stelle.
Bedeutender als die Deutsche Kolonie von Damaskus ist diejenige Beiruts, des Haupthafens an der syrischen Küste. In den letzten zehn Jahren hat gerade hier der deutsche Einfluß bedeutende Fortschritte gemacht, so daß Franzosen und Engländer sich schon bitter über die erfolgreiche Tätigkeit der Deutschen in Beirut zu beklagen begannen. In Beirut befindet sich ein deutsches Konsulat, der Hauptsitz der Deutschen Palästinabank, ein vom Johanniterorden unterhaltenes Hospital, das im Jahre 1912 sein 50jähriges Bestehen feiern konnte, ein Kaiserswerther Diakonissenhaus, ein Waisenhaus mit Höherer Töchterschule, zwei deutsche Hotels und Apotheken. Bis zum Ausbruch des Krieges gab es in Beirut auch ein deutsches Postamt, das nach Aufhebung der Kapitulationen einging.
Erst im Entstehen begriffen ist die deutsche Kolonie in Aleppo, die aber später durch die Bagdadbahn, die hier auf das syrische Eisenbahnnetz stößt, wohl die bedeutendste Syriens und Palästinas werden wird.
Orientreise Kaiser Wilhelms II.
Vom 11. Oktober bis 26. November 1898 unternahm Kaiser Wilhelm II. seine Palästinareise, an deren Höhepunkt er die deutsche Erlöserkirche in Jerusalem einweihte, wo auch der Abschiedsgottesdienst stattfand. Im Rahmen seiner Fahrt mit der Jacht SMY „Hohenzollern“ wurden unter anderem die damals zum Osmanischen Reich gehörenden Städte Konstantinopel, Haifa, Jaffa, Jerusalem und Beirut besucht. Der Kaiser stiftete anläßlich des Besuches den „Deutschen Brunnen“, der insbesondere für Arme Trinkwasser bereitstellen sollte. Den eigenem Entwurf, überarbeitet vom mitreisenden Professor Knackfuß, übergab der Kaiser bei der Abreise dem Sultan, der später den Bau der Bagdadbahn von Konya nach Bagdad und zum Persischen Golf gewährte. Die Mosaike wurden von der Firma Puhl & Wagner aus Berlin geliefert, die auch für die Erlöserkirche tätig war. Überhaupt wurde fast der gesamte Brunnen in Teilen in Deutschland gefertigt und nach Konstantinopel verschifft. Einweihung war am 27.Januar 1901 – Kaisers Geburtstag. In der mit Mosaiken verzierten goldgrundigen Kuppel wechseln sich Rundfelder mit dem Kaisermonogramm auf Preußisch-Blau und der Sultanstughra (Sultanssiegel) auf Grün, der Lieblingsfarbe des Propheten Mohammed, ab. Die Monogramme wiederholten sich auf dem Brüstungsmosaik. Dort sind sie aber heute leider nicht mehr erhalten. In Damaskus legte Wilhelm II. Wert darauf, das Grab des Sultan Saladins zu besuchen. Im Mausoleum bei der Umayyaden-Moschee legte er am 8. November 1898 einen goldenen Kranz nieder und hielt eine international vielbeachtete Rede. Mit der Eisenbahn gelangte der Hof am nächsten Tag zurück nach Jaffa, wo es mit dem Schiff weiter nach Beirut ging. Im Libanon und in Syrien schaute sich der Kaiser geschichtsträchtige Orte an und kehrte schließlich am 26. November nach Berlin zurück. 1914 waren über die Hälfte aller europäischen Christen in Palästina Deutsche.
- „An Bord der kaiserlichen Yacht „Hohenzollern“ ging es zunächst Richtung Bosporus, wo man am 18. Oktober 1898 vor Anker ging, dem Sultan seine Aufwartung machte, ihn mit reichlich Geschenken bedachte und gemeinsam mit ihm an der feierlichen Eröffnung der Bahn-Endstation Haidar Pascha teilnahm. Ein Auftakt nach Maß für die Kaiser Reise in den Orient, der gute Erfolgsaussichten für die weitere Reise verhieß und vorherige Unkenrufe vergessen ließ. Am 29. Oktober 1898 hielten der Kaiser und sein ansehnliches Gefolge mit reichlich Pomp Einzug in Jerusalem. Zwei Tage später wohnte er dort der Einweihung der protestantischen Erlöserkirche bei. Station machte er danach noch in Beirut und am 8. November 1898 in Damaskus, wo er in einer Aufsehen erregenden Rede die Freundschaft der Deutschen mit den Muslimen und dem als Kalifen verehrten osmanischen Sultan beschwor. Zum einen sicher eine höfliche Geste an den Gastgeber, der seiner kaiserlichen Gast aus Deutschland gebührend zu hofieren verstand. Zum anderen dürfte die kaiserliche Bekundung von Damaskus auch ein deutlicher Fingerzeig für die neue, nach Macht und Einfluss im Osmanischen Reich strebende Elite gerade aus den Reihen der Jungtürken gewesen sein, die auf Modernisierung setzte und sich aufgeschlossen für entsprechende Geschäfte zeigte. Dass das alte Sultans-Regime im Grunde abgewirtschaftet hatte, darüber war man sich in Berlin längst im Klaren gewesen. Ursprünglich angedacht war im Rahmen der Orientreise Kaiser Wilhelms II auch ein Besuch Kairos. Allerdings wurde der Abstecher in die ägyptische Metropole noch vor Antritt der Reise aus dem Besuchsprogramm genommen – aus Sicherheitsgründen, wie es hieß. Es war die Zeit anarchistischer Umtriebe, die den Monarchen Europas und ihren Parteigängern sichtlich zu schaffen machte und Angst einflößte. Für die Briten, die Ägypten vollends beherrschen wollten und das aufstrebende deutsche Kaiserreich zunehmend als Konkurrent wahrnahmen, war es folglich ein Leichtes, ein derartiges Szenario zu bemühen, um unerwünschten Besuch fernzuhalten.“[3]
Zitate
- „Es freut mich, daß Ihr verstanden habt, durch Euer persönliches Leben Eueren Nachbarn ein gutes Beispiel zu geben, und daß Ihr gezeigt habt, wie man es machen muß, um in diesen Ländern dem deutschen Namen Achtung zu verschaffen. Ihr habt … Euch einen guten Ruf erworben hier und auch im Auslande und habt gezeigt, wie man es angreifen muß, öde Felder wieder fruchtbar zu machen … Ich hoffe, daß, wie augenblicklich, so auch in Zukunft die freundschaftlichen Beziehungen zum osmanischen Reiche, und insbesondere die Freundschaft zu Seiner Majestät dem Sultan und Mir, dazu dienen werden, Eure Aufgaben zu erleichtern. Wenn irgendeiner von Euch Meines Schutzes bedarf, so bin Ich da … und erfreulicher Weise ist das Deutsche Reich ja imstande, seinen Angehörigen im Auslande nachhaltigen Schutz zu gewähren.“ — Kaiser Wilhelm II. in Bethlehem an die deutschen Siedler der Tempelgesellschaft, denen er auch unmißverständlich Schutz vor ihren jüdischen und islamischen Gegnern verspricht
- „Eigenartig ist auch die Sekte der Templer, deren Anhänger meist aus Württemberg stammen und sich als überaus tüchtige Landwirte bewähren. Sie haben sich deshalb in Palästina niedergelassen, um am Tage des Jüngsten Gerichtes in der Nähe des salomonischen Tempels zu sein, dessen Wiederaufbau sie erstreben. Sie verwerfen Taufe und Priestertum, und in ihren Versammlungen ergreift jeder das Wort, der sich hierzu vom Geiste Gottes berufen wähnt.“ — Kronprinz Rupprecht von Bayern
- „Von größerer Wichtigkeit sind die deutschen Kolonisten. Deren Anfänge stehen in Zusammenhang mit der Templerbewegung, die 1861 auf dem Kirschenhardthof bei Marbach (Württemberg) ins Leben trat. Ihr Ziel war die Errichtung des Gottesvolkes im Heiligen Lande. Die Templerkolonien sind als städtische Kolonien in Haifa, sogenannte Hoffmannsche Kolonie (1868), Jaffa, Hardeggsche Kolonie und ‚Walhalla‘ (1869), und Jerusalem (Rephann; 1873) gegründet worden; daneben existieren 5 landwirtschaftliche und zwar: Sarona bei Jaffa, gegr. 1871, 8000 Dunam; Wilhelma bei Jaffa, gegr. 1902, 10 000 Dunam; Bir Salem bei Jaffa, gegr. 1890, 3528 Dunam; Betlehem bei Nazaret, gegr. 1907, 7500 Dunam; Waldheim bei Nazaret, gegr. 1907, 7500 Dunam. Die Seelenzahl aller dieser deutschen Siedlungen beträgt ca. 2500. Während des Krieges wurden die deutschen Siedler nach der Eroberung Palästinas durch die Engländer aus ihren Siedlungen zeitweilig vertrieben, aber nach dem Kriege wurde ihnen die Rückkehr gestattet. Die deutschen Siedler erhielten Unterstützungen vom ‚Verein der Templergesellschaft‘ und der ‚Gesellschaft zur Förderung der deutschen Kolonisation‘ (1898 mit einem Kapital von 400 000 Mark gegründet). Auch einige industrielle und größere Handelsunternehmungen sind von Deutschen in Palästina gegründet worden (z. B. Maschinenfabrik Wagner und Zementstufenfabrik Wieland in Jaffa). Die deutschen Kolonisten sind gute Landwirte.“ — Vgl.: Jüdisches Lexikon, Berlin 1927, Stichwort „Palästina (Bevölkerung)“
- „Den Anfang mit dieser weit ausgedehnten Apfelsinenzucht haben übrigens deutsche Kolonisten gemacht: Württembergische Sonderkirchler, die sogenannten Hoffmannianer oder Tempelgesellschaften, die sich heute oft noch mit einer gewissen Berechtigung als die ersten ‚evangelischen Zionisten‘ bezeichnen. Sie haben nämlich, angeführt von einem schwäbisch schwärmerischen Pfarrer, schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine Sammlung des ‚Gottesvolks‘, das heißt aus der heimatlichen Landeskirche ausgetretener, an den Urchristus glaubender Seelen in Palästina, dem Lande der Verheißung, in die Wege geleitet. Die christliche Besiedelung des ganzen Heiligen Landes, die sie vorhatten, ist diesen Jerusalemfreunden nicht geglückt. Aber man findet da und dort an der Küste Palästinas noch schöne Spuren ihrer Siedlungstätigkeit. So in Haifa und besonders hier in Jaffa, wo sie in der Stadt und in der Ebene von Sarona, die schon Jesajas als ein lachendes Land und eine Weide für die Herden gepriesen hat, wahre Musterpflanzstätten errichtet haben. Die Verdienste ihrer vorbildlichen fleißigen Bearbeitung des Landes werden heute auch von den jüdischen Zionisten dankbar anerkannt, die allmählich in das Erbe dieses neuzeitlichen Tempelordens zu treten hoffen, der sich freilich bisher noch als höchst lebensfähig auf der von ihm ertragreich gemachten Scholle erweist. Jedenfalls grünt und blüht es heute in und um Jaffa. Und der Duft seiner Orangengärten und Palmenhaine mischt sich schön mit dem Salzgeruch der ewig brandenden See, die an die Riffe und das Felsgestade des alten Jaffa schlägt.“ — Dr. jur. Max Herbert Eulenberg (1876–1949) in seinem als Ernte zweier Reisen nach Palästina entstandenem, ebenfalls „Palästina“ betitelten Buch, 1929, S. 156f.
- „In jenen Tagen war Haifa noch ein armseliger Ort, der im Schatten der Bezirkshauptstadt Akka lag. Die 4000 Einwohner lebten fast alle eingeengt innerhalb der Stadtmauern, und wenn damals schon ein frischer Wind in dem Städtchen spürbar war, so waren es die deutschen Siedler, die jetzt den entscheidenden Anstoß zu seiner Entwicklung gaben.“ — Alex Carmel, Professor an der Universität Haifa in seinem Buch „Die Siedlungen der württembergischen Templer in Palästina 1868-1918“