Kampf-Organisation „Jablunka“

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K-Trupp „Herzner“ der Kampforganisation „Jablunka“, August 1939 – nur Dr. Herzner trägt für das Foto Uniform. Weitere Angehörige (Auswahl): Fähnrich Franz Koudele, Feldwebel Rudolf Landowsky, Gefreiter Jung, Melder Kulik und Soldat Berger

Die Kampf-Organisation „Jablunka“ war eine geheime Kommandotruppe der deutschen Abwehr, die im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs aktiviert wurde, um im Rücken des Feindes zu agieren zwecks Einnahme des Grenzbahnhofs Mosty sowie des operativ wichtigen Tunnels am Jablunka-Paß.

Geschichte

Die Helden von Jablunka

Die Männer, die für diese verwegene Tat bestimmt wurden, gehörten einem deutschen K-Trupp (Kampf- oder Kommandotrupp) an. Sie waren polnischsprechende Schlesier und Volksdeutsche des Industrieschutzes Oberschlesien aus dem seit Ende des Ersten Weltkrieges von Polen besetzten Reichsgebiet und Freikorps-Kämpfer der Slowakei vom Sudetendeutschen Freikorps.

Der Führer dieser Kampf-Organisation „Jablunka“ (K. O. J.) war Leutnant d. R. Dr. Hans-Albrecht Herzner. Sein Auftrag: vor Beginn der offiziellen Feindseligkeiten die Grenze zu überschreiten, zur X-Zeit die polnischen Wachen an Tunnel und Bahnhof zu überwältigen und den Tunnel für die nachrückende deutsche 7. Infanterie-Division zu sichern und vor allem eine Sprengung zu verhindern.

Das Unternehmen

Am 24. August 1939 um 18 Uhr fuhr Leutnant d. R. Dr. Hans-Albrecht Herzner von seiner Dienststelle in der Abwehrstelle in Breslau Richtung Preßburg. Seine direkte Kontaktstelle für alle Fälle war Oskar Schindlers Generalkommando VIII. in Breslau/Amt Canaris. Herzner war als Geschäftsreisender Herr Herzog unterwegs. Er passierte mit den entsprechenden Papieren die slowakische Grenze und fuhr weiter Richtung Tschadsa. Hier erreichte er den Kommandoposten der 7. Infanterie-Division aus München und übernahm am nächsten Morgen die bereitstehenden 24 Männer (in zwei K-Trupps aufgeteilt) der Kampforganisation „Jablunka“.

In Bauernkleidung bzw. Räuberzivil überschritt in der Nacht vom 25. auf den 26. August 1939 die Gruppe von 25 Mann nördlich von Sillein die slowakisch-polnische Grenze und verschwand in Richtung des seit 1938 von Polen besetzten Jablunka-Paß in den Wäldern der polnischen Westbeskiden. Ihr Ziel war der operativ wichtige Tunnel der Bahnlinie Sillein-Krakau am Jablunka-Paß und der dort liegende Bahnhof Mosty.

Eine halbe Stunde nach Mitternacht überschritt die Elitetruppe die Grenze zu Polen. Herzner notierte auf seinem Meldezettel:

„Um 00.30 Uhr polnische Grenze überquert am Punkt 627 nord-nord-westlich von Cadca.“

Hier war der beabsichtigte Treffpunkt mit 100 Mann der Hlinka-Garde[1] und 40 weitere Abwehragenten, die jedoch nicht vor Ort waren. Herzner entschied sich, da die Zeit knapp wurde und, so wurde ihm gesagt, die ersten Wehrmachtseinheiten nach Sonnenaufgang eintreffen sollten, das Stoßtruppunternehmen auch ohne die Verstärkung zu wagen. Die beiden K-Trupps haben sich im dunklen Wald verloren, dies war aber berücksichtigt worden. Als K-Trupp „Herzner“ sich westlich von Mosty auf den Sturm des Bahnhofes vorbereitete, vernahmen sie ein Feuergefecht zwischen der Tunnelbesatzung und der verlorenen Truppe. Der Tunnel wurde vom Grenzschutz (in Svrčinovec stationiert) und von polnischen Gebirgsjägern des 4. Regimentes der Podhale-Schützen bewacht. Die schwere Bewachung des Tunnels war jedoch mit den wenigen Männern nicht zu überwältigen, die Polen erlitten einen Ausfall durch einen Verwundeten.

Die Überrumpelung des zahlenmäßig weit überlegenen polnischen Wachkommandos des Grenzbahnhofes gelang im Morgengrauen. Die Polen wurden in einem Schuppen am Bahnhof eingesperrt, aber Stunde um Stunde verging, es wurde immer schwieriger, die Polen, denen langsam dämmerte, wie klein die deutsche Gruppe war, in Schach zu halten, und immer noch war von der 7. Infanterie-Division nichts zu sehen und zu hören. Ab 4.15 Uhr wurden die Deutschen im Bahnhofsgebäude von den herbeigeeilten Tunnelverteidigern vom Norden und vom Westen her angegriffen, der Sturm konnte jedoch abgewehrt werden.

Schließlich gelang es, über das Bahntelefon Verbindung mit der Slowakei und dem Ia der Division, Major Paul Reichelt, aufzunehmen. Die Funkverbindung hatte nicht funktioniert. Reichelt unterrichtete Herzner über die veränderte Lage, befahl ihm, die Gefangenen freizulassen und sobald wie möglich die Bahnstation zu räumen. Anschließend konnte er nur sagen:

„Sie tun mir leid, aber helfen kann ich Ihnen beim besten Willen nicht. Sie müssen nun sehen, wie Sie aus der schwierigen Lage herauskommen.“

Am 26. August hieß es in einer Meldung der 14. Armee an die Heeresgruppe Süd:

„Schwache Teile der K-Organisation haben in letzter Nacht bei Tschadsa die Grenze überschritten und in Gegend Bahnhof am Jablunka-Paß Einzelfeuer abgegeben. Ein zurückgekehrter V-Mann meldet zwei Verwundete.“ Der V-Mann war Melder Kulik, den Herzner auf eine stark beschossene Lokomotive Richtung Tschadsa geschmuggelt hatte. danach haben die Polen die Schienen blockiert. Die zwei verbliebene Lokomotiven konnten somit nicht zur Flucht benutzt werden oder, wie geplant war, um in den Tunnel der Polen zu stoßen.

Abwehr-Oberstleutnant von Lahousen fügte seine späteren veröffentlichten Aufzeichnungen hinzu:

„Hauptmann Wilhelm Ernst zu Eikern meldet, daß der Oberbaustab XX [wurde anläßlich der beabsichtigten Mobilmachung zum 26. August 1939 aufgestellt] aus Tschadsa um 4.45 Uhr starkes Gewehrfeuer aus Richtung Jablunka-Paß gemeldet hat. Ast VIII [Ast = Abwehrstelle im Inland, hier Breslau] vermutet, daß es sich dort um eine K-Org unter der Führung des Lt. d. Res. Herzner handelt, die nicht mehr erreicht werden konnte.“

Am Morgen des 26. August schienen sich Canaris' schlimmste Befürchtungen zu bestätigen. Oberstleutnant i. G. Erwin von Lahousen zeichnete folgende Text von Herzner auf:

„26.8.39. Um 3.55 Uhr mit Gefreiten Jung und 12 Männern der K. O. J. Bahnhof Mosty genommen. Ausfall; 1 Verwundeter. Angriff der Tunnelbesatzung auf Bahnhof abgewehrt. Auf Befehl der 7. Division Mosty geräumt und 6 1/2 h über das Gebirge zur slowakischen Grenze durchgeschlagen.“

Herzner hatte den Befehl der im Grenzgebiet bereitgestellten 7. ID von ca. 5.30 Uhr befolgt, sich um ca. 7 Uhr „nach Westen hin zur slowakischen Grenze durchzuschlagen“. Als sich Herzner jedoch mit seinen Leuten zurückziehen wollte, stieß er auf polnische Gendarmerie, die inzwischen alarmiert worden war. Die Polen schwärmten aus, den Deutschen den Weg zur Grenze zu verlegen.

Kurz darauf erhielt der Meldekopf Striegau endlich Kontakt mit Herzner. Um 11.45 Uhr berichtete Striegau:

„Lt. Herzner noch in Polen. Tunnel in Ordnung. Zwei Verwundete.“

Nur mühsam konnte sich der kleine deutsche Trupp unter dem Feuer der polnischen Gendarmen durch die Wälder zu Fuß vom Feind lösen und absetzen. Um 13.30 Uhr erreichten sie (nach schriftlichem Bericht von Herzner) nord-nordwestlich bei Rakowa die slowakische Grenze.

Ergebnis und Nachwirken

In letzter Stunde (um 20.30 Uhr) war der Angriff auf Polen noch einmal, und zwar vom 26. August auf den 1. September, verschoben worden. Zu diesem Zeitpunkt waren die K-Trupps schon im Gelände und die Funkverbindung zwischen Herzner und der Division funktionierte in dem waldigen Gelände nicht. Er konnte nicht mehr angehalten werden und hatte so den Krieg gegen Polen allein auf Befehl von Abwehrchef Wilhelm Canaris und mit Zustimmung von Wilhelm Keitel begonnen. Als der Krieg dann tatsächlich ausbrach, wußten die Polen, wie wichtig der Jablunka-Paß sein würde, und haben diesen, so zahlreiche Quellen, als erstes gesprengt. Andere Quellen berichten, daß der Tunnel erneut von Herzners Männern – einschließlich erheblicher Verstärkung – am frühen Morgen des 1. Septembers 1939 angegriffen und diesmal intakt erobert wurde.[2]

Ein Kuriosum ist noch zu erwähnen: Admiral Canaris reichte Herzner und einige seiner Leute zur Verleihung des Eisernen Kreuzes, 2. Klasse ein, da der Auftrag ja an und für sich voll erfüllt worden war. Der Chef des OKW, Generaloberst Keitel, lehnte jedoch mit der Begründung ab, daß am 26. August 1939 noch kein Kriegszustand geherrscht habe und daher auch noch kein EK verliehen werden könne. Dies wurde jedoch später nachgeholt.

Die im polnischen Raum eingesetzten K-Einheiten, die rechtzeitig über die Verschiebung des Angriffstermins unterrichtet worden waren, hatten bei ihren Unternehmen mehr Glück. Besonders erfolgreich war der Kampfverband „Ebbinghaus“.

Siehe auch

Fußnoten

  1. Die Hlinka-Garde (kurz HG) war von 1938 bis 1945 eine paramilitärische Vereinigung der germanophilen Slowakischen Volkspartei Hlinkas – Partei der Slowakischen Nationalen Einheit. Sie wurde 1944 in die Schutzstaffel integriert.
  2. Julius Mader: Hitlers Spionagegenerale sagen aus, Seite 376