Boehm, Max Hildebert

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Prof. Dr. phil. Max Hildebert Boehm, von 1933 bis 1945 Professor für Volkstheorie und Volkstumssoziologie an der Universität Jena, war einer der einflußreichsten Vordenker der völkischen Ideologie. Als Leiter des „Instituts für Grenz- und Auslandsstudien“ in Berlin entwickelte er ein System des gegen den egozentrischen Individualismus. Er betonte die prägende Kraft von „Stamm“, „Landschaft“ und „Volkstum“ und wurde so zu einem intellektuellen Vordenker des Volksgemeinschaftssinnes.

Max Hildebert Boehm (Lebensrune.png 16. März 1891 in Birkenruh bei Wenden (Livland); Todesrune.png 9. November 1968 in Lüneburg) war ein baltendeutscher Professor und Begründer der Volkstheorie als eigenständiger Disziplin. 1933 richtete die Universität Jena einen Lehrstuhl für Volkstheorie und Volkstumssoziologie ein, auf den Boehm berufen wurde. Auf Wunsch Boehms wurde sein Lehrstuhl der juristischen Abteilung der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zugeordnet. Seine Veranstaltungen zu Volkstheorie, Grenzlandkunde und Auslandsdeutschtum erfreuten sich in den 1930er Jahren großer Beliebtheit. Boehms Volkstheorie stand im Spannungsverhältnis zu der nationalsozialistischen Weltanschauung. In seinem 1932 erschienen Hauptwerk Das eigenständige Volk hatte Boehm gegen die „pseudoreligiöse Blutsmystik“ der Nationalsozialisten polemisiert - eine Kritik, die er nie revidiert oder zurückgenommen hat.

Werdegang

Prof. Dr. Boehm in der Nachkriegszeit
„Deutsches Grenzland“, Auszug

Max Hildebert Boehm galt in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren über die engeren Kreise der Konservativen Revolution hinaus als Experte für Volkstums- und Minderheitenfragen. Als Angehöriger der baltendeutschen Minderheit im damals noch zum Russischen Reich gehörigen Lettland war die Begegnung der Völker in diesem Raum eine ihn nachhaltig prägende Grunderfahrung.

Nach Abschluß seines Philosophiestudiums 1914 in Berlin (Promotion über „Natur und Sittlichkeit bei Fichte“) ging er als freier Journalist nach Straßburg. Auch dieser Aufenthalt im Elsaß dürfte seinen Blick für Volkstumsfragen geschärft haben. Der Erste Weltkrieg führte ihn schließlich in den Jahren 1916/18 zurück ins Baltikum (Propagandaarbeit im Dienste der OHL), wo ihn die Erfahrung der dortigen Nationalitätenkämpfe ein weiteres Mal auf das zentrale Thema seines späteren Schaffens hinwies.

1919 war Boehm neben Moeller van den Bruck und Heinrich von Gleichen an der Gründung des jungkonservativen Juni-Klubs beteiligt. Gleichzeitig war er im „Deutschen Schutzbund für das Grenz- und Auslandsdeutschtum“ aktiv (u.a. Mitherausgeber des „Grenzboten“). Er unterrichtete am Politischen Kolleg des Juni-Klubs und leitete seit 1920 dessen „Arbeitsstelle für Nationalitätenprobleme“. Dem Tod seines Freundes Moeller van den Bruck im Jahre 1925 folgte schon sehr bald die Auflösung des Juni-Klubs. Boehm trennte sich darauf mit einem Teil seiner Mitarbeiter vom Politischen Kolleg und schuf 1926 das selbständige „Institut für Grenz- und Auslandsstudien“, dem er bis 1945 vorstand. Daneben war er von 1928 bis 1935 Dozent für Ethnopolitik an der Deutschen Hochschule für Politik. Den Höhepunkt seiner Laufbahn bildete jedoch 1933 die Einrichtung eines Lehrstuhls für Volkstheorie und Volkstumssoziologie an der Universität Jena, den er bis 1945 innehatte. Seine wichtigsten Veröffentlichungen „Körperschaft und Gemeinwesen“ (1920), „Europa irredenta“ (1923), „Das eigenständige Volk“ (1932) und „Der Bürger im Kreuzfeuer“ (1933) sind vor dem Hintergrund der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg entstanden. Bei der territorialen Neuordnung Europas, die auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der Völker erfolgen sollte, galt dieses offensichtlich nicht für Deutsche und wurde konsequent zu ihren Ungunsten angewandt (Unterbindung des Anschlusses Deutschösterreichs ans Deutsche Reich, Verbleib der sudetendeutschen Gebiete in der neugegründeten Tschechoslowakischen Republik, Zerschlagung des mehrheitlich deutschen Westpreußen/Errichtung des polnischen Korridors und der „Freien Stadt Danzig“).

Die damalige Schwäche des Deutschen Reiches und die Situation der deutschen Minderheiten in den Abtretungsgebieten waren zweifellos die entscheidende Triebfeder dafür, daß Boehm sich für eine Abkehr vom rein staatszentrierten Denken einsetzte und seine Volkstheorie entwickelte. Er wandte sich als Konservativer nicht nur gegen den liberalen Individualismus, sondern sah auch die Gefahren des Kollektivismus. Er sah die Notwendigkeit, eine Antwort auf den Prozeß der Moderne zu finden (insbesondere das Phänomen der gesellschaftlichen Pluralisierung, das bereits damals in einem zunehmenden Werterelativismus – einer Zerfaserung und Zersplitterung des Wertehorizonts – zum Ausdruck kam). Seine eigentliche Leistung besteht in der Artikulierung und Ausformulierung eines vom „eigenständigen Volk“ her gedachten volklichen Nationalismus.

Nachkriegszeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete der Ostforscher Boehm in Lüneburg das Nordostdeutsche Kulturwerk und war von 1951 bis 1964 Leiter der von ihm gegründeten „Ostdeutschen Akademie“ in Lüneburg. Ebenso übernahm er die Leitung der 1932 gegründeten deutsch-baltischen Carl-Schirren-Gesellschaft e. V. und erhielt 1956 das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Schriften (Auswahl)

  • Natur und Sittlichkeit bei Fichte, 1914
  • Der Sinn der humanistischen Bildung, Berlin 1916 (Netzbuch und einzelne Seiten als PDF-Dateien speicherbar) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  • Moeller van den Bruck, Heinrich von Gleichen, Max Hildebert Boehm (Hrsg.): Die neue Front, programmatisches Sammelwerk der Jungkonservativen (1922); PDF-Datei Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  • Europa irredenta, 1923
  • Die deutschen Grenzlande, 1925
  • Das eigenständige Volk. Volkstheoretische Grundlagen der Ethnopolitik und Geisteswissenschaften, Göttingen 1932
  • Der Bürger im Kreuzfeuer, 1933
  • (Hrsg. gemeinsam mit Karl Christian von Loesch): Deutsches Grenzland. Jahrbuch des Instituts für Grenz- und Auslandsstudien 1935, Kurt Hofmeier, Berlin 1935[1]
  • ABC der Volkstumskunde, 1936
  • Deutschösterreichs Wanderschaft und Heimkehr, Essener Verlagsanstalt 1939
  • (Hrsg. gemeinsam mit Karl Christian von Loesch): Der befreite Osten, Dt. Buchvertriebsstelle Hofmeier, Berlin 1940
  • Lothringerland, 1942
  • Geheimnisvolles Burgund. Werden und Vergehen eines europäischen Schicksalslandes, F. Bruckmann Verlag, München 1944

Lektüreempfehlung

Vor allem sein Hauptwerk „Das eigenständige Volk. Volkstheoretische Grundlagen der Ethnopolitik und Geisteswissenschaften“ aus dem Jahre 1932 ist zu erwähnen. Eine Neuauflage des Werkes erschien 1965 unter dem Titel „Das eigenständige Volk. Grundlegung der Elemente einer europäischen Völkersoziologie“. Das „ABC der Volkstumskunde“ (erschienen 1936) diente der Popularisierung der Ergebnisse seiner Arbeit.

Literatur

  • Eyk Ueberschär: Jungkonservative Vorstellungen eines Nationalitätenrechts bei Max Hildebert Boehm (Wissenschaftliche Beiträge der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Konservatismusforschung, Heft 2, 1990).

Verweise

Fußnoten

  1. Aus dem Inhalt: Aus der Reichstagsrede des Führers und Reichskanzlers vom 21. Mai 1935 – Aus der Rede von Reichsminister Rust in Königsberg auf der Pfingsttagung des Volksbundes für das Deutschtum im Ausland Juni 1935 – Max Hildebert Böhm: Vom Chauvinismus zum völkischen Nationalismus – Johann von Leers: Deutsche und Slawen – Karl C. von Lösch: Völker sind nicht gleich – Walter Sturm: Die tragenden Schichten des litauischen Staates – Paul Ullrich: Die Sudetendeutschen im Zusammenbruch der tschechoslowakischen Wirtschaft – Otto Albrecht Isbert: Die Psychologie der Madjarisierung – Ernst Schubert: Probleme der wissenschaftlichen Erforschung des evangelischen Auslanddeutschtums – Johann Gottfried Theiß: Zu unseren Arbeiten und Bildern – Bilderteil. – Deutsches / Drittes Reich, Auslandsdeutschtum, Grenzlanddeutschtum, Konrad Henlein, Volkstumskampf im Sudetenland, illustrierte Bücher, elsässische Volkstracht, deutsches Volkstum im Ausland, völkisches Gedankengut.