Schöpfung
Die Vorstellung einer Schöpfung der Welt oder des Kosmos und mithin des (diesseitigen) Daseins findet sich in vielen Religionen, Mythen oder von solchen ausgehenden Denkmodellen. Sie setzt damit einen durch einen vor- oder außerweltlichen Schöpfer bzw. durch eine intelligent handelnde Wesenheit gesetzten zeitlichen Beginn und in der Regel auch ein Ende der Welt voraus. Somit vertreten innerhalb der Religionen nur die theistischen die Idee einer Schöpfung bzw. eines Schöpfers, während die nicht-theistischen sowie einige philosophische Systeme diese Vorstellung nicht kennen oder verneinen. Ferner gibt es auch naturwissenschaftliche Erklärungsmodelle.
Inhaltsverzeichnis
Mythologische Vorstellungen
Germanische Vorstellung
Siehe auch: Germanische Mythologie - Der Weltenbaum
Religiöse Vorstellungen
Biblische Darstellung
Der in Europa und anderen christlichen Gegenden bis weit in die Neuzeit durch die biblische Vorstellung geprägte Begriff der Schöpfung bezeichnet die Erschaffung der Welt nach Stoff und Form durch den göttlichen Machtwillen aus Nichts. Die alte biblische Darstellung[1] läßt Gott in sechs Tagewerken Himmel und Erde erschaffen, wobei die Erzeugung des ungeordneten Stoffs den Anfang, die Schöpfung des Menschen den Schluß bildet. Abweichend hiervon läßt die zweite Erzählung[2], die des Siebentagewerks nicht gedenkt, die Tiere erst nach dem Menschen erschaffen werden. Grundsätzlich wird aber die die Welt durchaus nur als Werk des freien göttlichen Schöpferwillens betrachtet.
Kirchliche Vorstellung
Gegenüber der im Orient, aber auch bei den griechischen Philosophen und später bei den Gnostikern (→Gnosis) verbreiteten Theorie einer ewigen Materie bildeten sich die kirchlichen Vorstellungen von einer Schöpfung aus Nichts und einer Schöpfung in der Zeit, doch wurde letzterer schon seit Origenes von tiefer denkenden Kirchenlehrern die Annahme einer sogenannten ewigen, richtiger anfangslosen Schöpfung gegenübergestellt, weil es weder anging, Gott erst in der Zeit anfangen zu lassen Schöpfer zu werden, noch der wirklichen, durch Wechsel und Geschehen erfüllten Zeit eine ewige, inhaltsleere Zeit vorauszuschicken. Die neuere Religionsphilosophie denkt sich Gott als den ewigen, der Welt innewohnenden, schlechthin geistigen Urgrund derselben, der in der streng gesetzlichen Ordnung des in Zeit und Raum erscheinenden Weltverlaufs sein ewiges absolut einheitliches Wirken offenbart. Gott und Welt sind auch nach diesem Begriff unterschieden, die Geistigkeit Gottes nur strenger und konsequenter als nach der gewöhnlichen Vorstellung gefaßt.
Hinduismus
Im Hinduismus stellt das Urwesen und der Urahn der Menschheit, Brahma, das Prinzip der Schöpfung dar. In den indischen Puranas wird erzählt, daß die Schöpfung des materiellen Kosmos mit Brahma beginnt.
Buddhismus
Buddha (563–483 v.u.Z.) war die Frage nach Entstehung von Welt und Kosmos unbekannt, so daß er sich mit dieser nicht einmal befaßt hat. Die kosmologischen Konzeptionen des Frühbuddhismus entsprachen weitgehend den mythologischen Vorstellungen Altindiens von dem stufenweisen Aufbau des Kosmos in verschiedenen Weltregionen. In philosophischer Betrachtung wurde dagegen eine Weltsicht entwickelt, die in ihren neuzeitlichen Ansätzen der wesentlich jüngeren abendländischen Philosophie in vielem voraus war.
Nach buddhistischer Auffassung hat der Kosmos nicht gegenständlichen, sondern dynamischen Charakter. In dem nie endenden Kreislauf von Werden und Vergehen gibt es nichts Beharrendes und keine unvergänglichen Substanzen. Der Kosmos ist demnach eine Erscheinung von Energien und somit keine göttliche Schöpfung. Er ist eine Entwicklung aufgrund der wechselseitigen Relation, wobei ein Urbeginn nicht erkennbar ist. Das bedeutet, der Buddhismus kennt Schöpfung, keinen Anfang und kein Ende. In dem ständigen Werdekreislauf gibt es keine Zufälligkeiten, mithin keine ursachlosen Erscheinungen. Alles entsteht aus sich gegenseitig bedingenden Voraussetzungen, die ihrerseits wieder neue Bedingungen schaffen. Diese allem Geschehen immanente Gesetzmäßigkeit ist die einzige Grundlage von Welt und Kosmos.
Philosophische Vorstellungen
Schopenhauer
In weitgehender Übereinstimmung hierzu steht das philosophische System Arthur Schopenhauers, welches die Ursache bzw. richtiger den Grund der Welt in das Innere der Wesen (von Schopenhauer als in zahllosen Objektivitationen – also vom dumpfesten Wollen der einfachsten Naturgesetze bis zum Menschen – sich darstellender Wille bezeichnet) legt, so daß dem gegenüber eine (einen Anfang implizierende) Welt-„Schöpfung“ als bloßer Ausdruck theistischer Glaubensvorstellungen dasteht.
Naturwissenschaftliche Vorstellungen
Auch in der Naturwissenschaft existieren zahlreiche Theorien, die sich mit der Schöpfung, oder mit Teilbereichen der Schöpfung (z. B. der Entstehung oder der Entwicklung von Leben) befassen. Dazu zählen z.B. die Evolutionstheorie, die Theorie des sogenannten Urknalls und auch weitere, hierunter z. B. auch eine derzeitige, rechnerischer Schöpfungsbeweis, welcher zu dem Schluß kommt, daß der Entwicklungssprung von der Unorganisiertheit der Materie bzw. von deren einzelnen Teilen zur massiven Organisiertheit einer lebenden Zelle zu groß sei, so daß diese Entwicklung nicht hätte zufällig entstehen können, sondern Zeichen einer künstlichen Schöpfung bzw. eines intelligenten Schöpfers sei.
Zitate
- „Alle Schöpfung ist Werk der Natur. Von Jupiters Throne ./. Zuckt der allmächtige Strahl, nährt und erschüttert die Welt.“ — Goethe, Vier Jahreszeiten - Herbst
- „Die Welt ist nicht gemacht: denn sie ist, wie Okellos Lukanos sagt, von jeher gewesen; weil nämlich die Zeit durch erkennende Wesen, mithin durch die Welt bedingt ist, wie die Welt durch die Zeit. Die Welt ist nicht ohne Zeit möglich; aber die Zeit auch nicht ohne Welt. Diese Beiden sind also unzertrennlich, und ist so wenig eine Zeit, darin keine Welt war, als eine Welt die zu gar keiner Zeit wäre, auch nur zu denken möglich.“ — Arthur Schopenhauer[3]
Literatur
- Richard Dawkins: Die Schöpfungslüge: Warum Darwin recht hat. Ullstein Taschenbuch, 2012, ISBN 978-3548374277 [528 S.]
- Israel Finkelstein / Neil A. Silberman: Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel. dtv Verlagsgesellschaft, 2004, ISBN 978-3423341516 [384 S.]
- Hermann Gunkel: Schöpfung und Chaos in Urzeit und Erdzeit. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung. Göttingen 1895
- Emil Cioran: Die verfehlte Schöpfung. 1979, suhrkamp tb 550, ISBN 3-518-37050-2 (Erstausgabe 1969)