Volkspreis für deutsche Dichtung
Der Volkspreis für deutsche Dichtung (bis 1934 Raabe-Preis) wurde von 1932 bis 1938 durch die Wilhelm-Raabe-Gesellschaft verliehen. Als Volkspreis der deutschen Gemeinden und Gemeindeverbände für deutsche Dichtung wurde die Verleihung 1939 bis 1944 in Trägerschaft durch den Deutschen Gemeindetag fortgesetzt.
Die "Förderung rein deutschen, zeitgenössischen Schrifttums [...] eines neuerschienenen Romans eines lebenden deutschen Dichters..." durch die Auszeichnung war schon Vereinsziel der Raabe-Gesellschaft, die nach der Gleichschaltung als Arbeitsgemeinschaft durch die NS-Kulturgemeinde vertreten wurde. Mit der Übernahme durch den Deutschen Gemeindetag wurde neben einem noch ungedruckten oder kürzlich erschienen Werk noch das einige Jahre unverdienterweise übergangene Werk eines zweiten Schriftstellers ausgezeichnet. Wichtiger als die jeweils 5000 RM war dabei die Verkaufsförderung durch die Auszeichnung, den Deutschen Gemeindetag und dessen Volksbüchereien, die in der Jury vertretenen Organisationen und der Dienststelle Rosenberg mit seiner Zeitschrift Bücherkunde. Unter Leitung Werner Jansens wurde von den Ausschußmitgliedern der Jury 2-3 Werke für die endgültige Auswahl vorgeschlagen. Die Verleihung sollte ab 1940 auf der kulturpolitischen Tagung des Deutschen Gemeindetages im Rahmen der Reichsarbeitstagung der Dienststelle des Reichsleiters Rosenberg in Braunschweig stattfinden. Schon seit 1935 war Braunschweig Ort der Preisvergabe. 1940 gehörte dazu noch eine Lesung der beiden Preisträger in der Bernhard-Rust-Hochschule umrahmt von klassischer Musik und einer Einführung durch Dr. Bernhard Payr. Kriegsbedingt wurde das "Eventereignis" in Braunschweig für 1941 und folgend kurz vorher abgesagt. Der Volkspreis für 1941 wurde auf der 8. Arbeitstagung des Hauptamtes Schrifttumspflege für die Berliner Lektoren in Berlin verliehen.
Seit 1936 wurden die Preisträger des Volkspreises parallel mit dem auf 2000 RM dotierten Dichterpreis der Stadt Braunschweig ausgezeichnet. Der Dichterpreis wird 1941 in Wilhelm-Raabe-Preis umbenannt und trotz Bindung an die Verleihung des Volkspreises in Braunschweig statt Berlin wegen der kurzfristigen Absage von 1941 dennoch an Gierer und Götz verliehen. Für 1942/43 wird wegen der ausbleibenden Verleihung des Volkspreises in Braunschweig kein Wilhelm-Raabe-Preis vergeben. Die Ausnahme für 1944, Ricarda Huch erhielt als gebürtige Braunschweigerin zu ihrem 80. Geburtstag ausnahmsweise ohne den Volkspreis die Auszeichnung ca. Juni 1944. Der Ausrichter des Volkspreises, der Deutscher Gemeindetag hatte zu diesem Zeitpunkt andere Sorgen als eine Preisverleihung. Ob man Ricarda Huch noch durch die Kopplung ihrer Auszeichnung an Braunschweig, Braunschweigs an den Volkspreis, des Volkspreises an den Wilhelm-Raabe-Preis und des Ausbleibens des Volkspreises zur Liste der Volkspreisträger zählt bleibt dann wohl eine subjektive Entscheidung.
- 1932: Ernst Wiechert für "Die Magd des Jürgen Doskocil"
- 1933: Gustav Frenssen für "Meino der Prahler"
- 1934: Karl Friedrich Kurz für "Tyra, die Märcheninsel"
- 1935: Anton Dörfler für "Der tausendjährige Krug"
- 1936: Hans Künkel für "Schicksal und Liebe des Niklas von Cues"
- 1937: Heinrich Eckmann für "Der Stein im Acker"
- 1938: Ottfried Graf Finckenstein für "Die Mutter"
- 1939: Joseph Georg Oberkofler, Friedrich Griese für "Der Bannwald" und "Die Wagenburg"
- 1940: Hans Venatier, Ulrich Sander für "Vogt Bartold" und "Mann vom See"
- 1941: Berchtold Gierer, Karl Götz für "Geschlechter am See" und "Die große Heimkehr"
- 1942: Werner Jansen, Kurt Kluge für "Die Insel Heldentum" und "Die Zaubergeige"
- 1943: Kleo Pleyer (postum), Ell Wendt für "Volk im Feld" und "Die stolze Nymphe"
- 1944: Ricarda Huch für das Gesamtwerk
Die jährliche Verleihung des Wilhelm-Raabe-Preises wurde 1944 eingestellt und 1947 fortgeführt. 1954 wurde von jährlicher auf eine Dreijahresverleihung umgestellt, 1990 die Preisverleihung eingestellt und 2000 bis jetzt als Wilhelm-Raabe-Literaturpreis wiederaufgenommen. Einen Volkspreis für deutsche Dichtung gibt es gegenwärtig nicht.
Literatur
- Gedanken zur Neuordnung Europas in der europäischen Literatur. In. Bücherkunde. 1 (1942). Über die 8. Arbeitstagung des Hauptamtes Schrifttumspflege inklusive Verleihung des Volkspreises in Berlin.
- Leitgeb, Hanna: Der ausgezeichnete Autor: städtische Literaturpreise und Kulturpolitik in Deutschland 1926-1971. 1994. S. 223-228.
- Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Braunschweig (Hg.): Die kulturpolitische Tagung des Deutschen Gemeindetages im Rahmen der 7. Reichsarbeitstagung der Dienststelle des Reichsleiters Rosenberg in Braunschweig am 23. und 24. November 1940. S. 154-159.
- Strallhofer-Mitterbauer, Helga: NS-Literaturpreise für österreichische Autoren. 1994. S. 99-103.