Buckwitz, Harry
Harry Buckwitz (* 31. März 1904 in München; † 27. Dezember 1987 in Zürich) war ein halb-jüdischer Schauspieler, Theaterregisseur und Theaterintendant. Er wurde vor allem durch seine Brecht-Inszenierungen weltweit bekannt.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Theaterschauspieler und Hotelier
Der in München geborene Kaufmannssohn Harry Buckwitz studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften, absolvierte anschließend eine Schauspielausbildung und bekam sein erstes Engagement bei den Münchner Kammerspielen. Ab 1925 arbeitete er an verschiedenen deutschen Bühnen in Recklinghausen, Bochum, Mainz, Freiburg und Augsburg.
1937 wurde Buckwitz als „Halbjude“ aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen; arbeitete fortan im internationalen kaufmännischen Bereich. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs als Hotelier im ostafrikanischen Tanganjika tätig, wurde er dort 1939 von den Alliierten kurzzeitig in ein Lager interniert. Auf eigenen Wunsch hin wurde Buckwitz aus der Lagerhaft entlassen und konnte 1940 nach Deutschland zurückkehren. Ab 1941 war er Direktor des Savoy-Hotels in Lodsch (Litzmannstadt);[1] 1944 meldete Buckwitz sich zur Wehrmacht und blieb bis Kriegsende beim Militär.
Frankfurter Generalintendanz
In der Nachkriegszeit profilierte sich Buckwitz als Linker. Ab 1946 war er zunächst Verwaltungsdirektor bei den Münchner Kammerspielen, bevor er 1951 als Generalintendant an die Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main wechselte, denen er in der Folgezeit zu großem Publikumszuspruch verhalf. 1952 holte er Georg Solti als Generalmusikdirektor an die Frankfurter Oper. Der im Dezember 1963 eingeweihte Doppelbau des Frankfurter Opern- und Schauspielhauses am heutigen Willy-Brandt-Platz beruhte konzeptionell maßgeblich auf seinen Anregungen. 1962 wurde Buckwitz Vizepräsident der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste; auf seine Anregung hin nahm die zuvor in Hamburg beheimatete Akademie fortan ihren Sitz in Frankfurt (bis 2004). 1966 wurde Buckwitz zu ihrem Präsidenten gewählt.
In seiner Frankfurter Zeit widmete sich Buckwitz vor allem der Inszenierung von Stücken Bertolt Brechts; daneben kamen vor allem zeitgenössische Autoren wie Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch, Rolf Hochhuth, Eugene Ionesco, Arthur Miller, Jean-Paul Sartre und Tennessee Williams teils erstmals in Deutschland zur Aufführung. Mit seinen Programmen versuchte er dabei gezielt, neue Bevölkerungsschichten für das Theater zu interessieren, und erreichte mit seinen Programmen eine Sitzplatzauslastung von bis zu 90 Prozent; Kritiker des Spielplans warfen ihm indessen vor, „kommunistische Propaganda“ zu verbreiten.[2] Nebenher führte Buckwitz auch bei einigen Fernsehverfilmungen von Theaterstücken Brechts Regie.
Nach gesundheitlichen Problemen und aufgrund von Haushaltsstreitigkeiten mit der Stadt Frankfurt trat Buckwitz im Januar 1967 von seinem Amt als Generalintendant zurück und schied mit Vertragsende im August 1968 aus.
Schauspieldirektor in Zürich
Von 1970 bis 1977 war Buckwitz Direktor des Schauspielhauses Zürich. Seine dortige Ernennung führte im Frühjahr 1970 zu einer heftigen Kontroverse mit dem jüdischen Journalisten Hans Habe, dieser warf ihm Konjunkturrittertum und „Zusammenarbeit mit den Nazis“ vor. Habe zitierte aus dem vom NS-Kolonialbund herausgegebenen Buch „Vertrieben aus deutschem Land in Afrika“, dessen Verfasser Buckwitz war. Da war von „jüdisch-schmieriger Art“ zu lesen und das Bekenntnis enthalten: „Ich bin ein Deutscher und deshalb Nationalsozialist“.[1][3] Buckwitz selbst entgegnete, Teile seines 1940 bei der Rückkehr aus der Internierung in Tanganjika in einem Lager bei Berchtesgaden verfassten Manuskripts seien vor der Veröffentlichung ohne sein Wissen verändert worden,[4] während im Gefolge unter anderem Friedrich Dürrenmatt und Rolf Hochhuth Partei für Buckwitz ergriffen.[5] Mit einem Vertrauensvotum des Verwaltungsrats des Zürcher Schauspielhauses wurde Buckwitz im Amt bestätigt, das er bis 1977 ausfüllte.
Späte Jahre
Im Dezember 1977 war Buckwitz als Schauspieler in dem deutschen Fernsehfilm Der Tod des Camilo Torres oder: Die Wirklichkeit hält viel aus (Regie: Eberhard Itzenplitz) zu sehen. Danach arbeitete Buckwitz bis zu seinem Tod als freier Regisseur. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin wurde Buckwitz nicht in seinem letzten Wohnort Zürich, sondern in Frankfurt am Main bestattet. Sein umfangreicher schriftlicher Nachlass befindet sich heute im Archiv der Akademie der Künste in Berlin.[6]
Mord an Betsy Buckwitz
In der Nacht vom 10. zum 11. Juni 1989 wurde Harry Buckwitz' geschiedene Ehefrau Margarethe „Betsy“ Buckwitz (geb. Sajowitz) in ihrem Haus in Königstein im Taunus Opfer eines Raubmordes; der Fall erregte überregionales Aufsehen und wurde im Februar 1990 auch im Rahmen der ZDF-Fernsehfahndungssendung Aktenzeichen XY... ungelöst als Filmfall behandelt. Der zwischenzeitlich anderweitig straffällig gewordene und deshalb 2007 verurteilte Täter wurde im August 2008 aufgrund einer routinemäßigen DNS-Analyse überführt[7][8] und nach einem fünf Verhandlungstage dauernden Indizienprozess am 30. April 2009 wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.[9][10]