Erzberger, Matthias
Matthias Erzberger ( 20. September 1875 in Buttenhausen, Königreich Württemberg; 26. August 1921 bei Bad Griesbach im Schwarzwald) war ein Zentrums-Politiker. Er war einer der meistgehaßten Männer aus der Zeit der sogenannten Weimarer Republik und verantwortlich für die Unterzeichnung des Siegerdiktats nach dem Ersten Weltkrieg. Der deutsche Ökonom Karl Helfferich nannte ihn den Reichsverderber.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Er begann ein Studium des Staatsrechts und der Nationalökonomie, das er aber nicht beendete. Danach arbeitete er als Redakteur. Er ist Mitbegründer der christlichen Gewerkschaft in Mainz im Jahre 1899. 1903 wurde er als Kandidat des Zentrums im Wahlkreis Biberach in den Reichstag entsandt. Gleich zu Beginn seiner politischen Karriere kritisierte er die deutsche Kolonialpolitik und trug dazu bei, daß die Regierung Bülow in der Budgetfrage für den militärischen Einsatz in den Kolonien zurücktrat und es damit zu Neuwahlen des Reichstags, den sogenannten Hottentottenwahlen kam.
1917 lehnte er im Reichstag die Bewilligung der Kriegskredite ab. Um den konservativen Flügel seiner Partei von der unbedingten Notwendigkeit eines Verständigungsfriedens zu überzeugen, gab Erzberger auf einer vertraulichen Konferenz in Frankfurt am 23. Juli 1917 Kenntnis von einem überaus pessimistischen Geheimbericht des österreichischen Außenministers Graf Otto Czernin an Kaiser Karl VII.. Dieser Bericht ist zur Kenntnis der Entente-Mächte gelangt und hat den Kriegsausgang entscheidend beeinflußt. Am 31. März 1917 schrieb der österreichische Kaiser an seinen Schwager Sixtus von Parma in einer geheimen Mitteilung, dieser sei beauftragt, „geheim und inoffiziell Herrn Poincare, dem Präsidenten der französischen Republik, mitzuteilen, daß ich mit allen Mitteln und unter Aufbietung allen meines persönlichen Einflusses, bei meinen Verbündeten die gerechten französischen Ansprüche hinsichtlich Elsaß-Lothringens unterstützen werde.“.[1]
Seine im Spätsommer 1918 verfaßte Schrift „Der Völkerbund. Der Weg zum Weltfrieden“ empfahl ihn auch gleich den Alliierten, insbesondere den VSA, als Verhandlungspartner, hatte doch US-Präsident Wilson im letzten seiner 14 Punkte zum Friedensprogramm vom 8. Januar 1918 die Errichtung eines Völkerbundes gefordert. Anfang Oktober 1918 ernannte der neue Reichskanzler Prinz Max von Baden Erzberger zum Staatssekretär. Er wurde zum Leiter der Waffenstillstandskommission berufen und unterzeichnete am 11. November 1918 als erster der vierköpfigen deutschen Delegation den Waffenstillstand von Compiègne, der die Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges beendete. Im Kabinett Scheidemann wurde er zum Chef der Waffenstillstandskommission ernannt und hatte in dieser Funktion die Durchführung des Waffenstillstands zu überwachen.
Bisweilen wird behauptet, daß diese Kommission nur aus Zivilisten bestanden habe, welche zu Unrecht von Hindenburg beauftragt worden sei. Tatsächlich bestand die Kommission aus dem Staatssekretär Erzberger als Vorsitzendem, dem Gesandten Alfred Graf von Oberndorff, Generalmajor Detlof von Winterfeldt und Kapitän zur See Ernst von Vanselow.
Als Vizekanzler und Finanzminister im Kabinett Bauer befürwortete Erzberger die Unterzeichnung des Versailler Schanddiktats. Er wurde damit zum Sinnbild für den Verrat an den im Felde unbesiegten deutschen Soldaten und die Erfüllungspolitiker, die diesen mit einem Dolchstoß in den Rücken gefallen sind. Erzbergers Rolle bei dem gescheiterten Putschversuch vom 6. Dezember 1918 ist bis heute ungeklärt.
In seinem Kriegstagebuch schrieb der deutsche Lyriker Richard Dehmel zum Verrat an Deutschland:
- „Man hoffte immer noch, daß Herrn Wilsons Völkerbund uns mit gnädigen Palmen bewedeln werde. Wie die Almosenbitter benahmen sich unsere demokratischen Regierungsmänner vor den ausländischen Plutokraten; besonders der Hauptunterhändler, Herr Erzberger. Diesen kautschukmäuligen Pfaffenknecht hätte das Revolutionskomitee, wenn es wirklich freie Hand kriegen wollte, wegen fahrlässigen Volksverrats einfach vors Standgericht stellen sollen. Statt dessen machte es die Bittwallfahrt mit, und die natürliche Folge war, daß wir als Bettelpack behandelt wurden. Aber selbst dann noch gaukelte die Hungerangst unsern unentwegten Weltfriedensschwärmern die tröstliche Fata Morgana vor, daß uns von Gnaden der edlen ‚Brüder im Ausland‘ die gebratenen Tauben ins Maul fliegen würden. Daß die Unterzeichnung des schmachvollen Waffenstillstands uns erst recht dem Elend auslieferte, sogar der blutigsten Wolfshungersnot, das fiel unsern Menschenfreunden nicht ein [...] Die kopflose Arschkriecherei ging so weit, daß man die feindlichen Kriegsgefangenen freigab ohne das geringste Unterpfand für die Rückkehr unsrer eignen Gefangenen, und nachher erhob man ein lautes Lamento, als Frankreich sie höhnisch zum Frohndienst preßte.“[2]
Deutsche Waffenstillstandskommission:
General Hans von Hammerstein-Gesmold,
Matthias Erzberger,
Freiherr Ernst von Langwerth-SimmernGedicht von Paul Warncke aus dem Kladderadatsch über Erzberger:
„Schlaf, Michel, schlaf“Die Freiburger Zeitung zum Tode Erzbergers
Der deutsche Historiker Heinrich Wolf schrieb folgendes über Erzberger:
- „Ein Mitglied der amerikanischen Friedensdelegation hat den Erzberger im Juni 1919 folgendermaßen gekennzeichnet: ‚Wenn ich ihnen gerade von Erzberger gesprochen habe, so geschah das, weil Erzberger der Prototyp derjenigen Leute ist, die Deutschland zugrunde gerichtet haben. Ich meine damit nicht den Erzberger, der ein Annexionsprogramm, noch auch den Erzberger, der einen Völkerbundsentwurf ausarbeitete, sondern den Erzberger, der sich auf den Trümmern Deutschlands einen Ministersessel aufgebaut hat, der zum Entsetzen des Präsidenten Wilson die mörderischen militärischen Bedingungen des Marschall Foch unterschrieb, den Erzberger, der die deutsche Kriegsflotte auslieferte, den Erzberger, der die deutsche Handelsflotte preisgab, den Erzberger, der die Truppen des polnischen Generals Haller nach Polen ließ. Erzberger hat eine Aktion des Präsidenten Wilson zur Milderung der Waffenstillstandsbedingungen des Marschall Foch vereitelt, weil Erzberger die Bedingungen, so wie sie waren, annahm. Erzberger hat es uns Amerikanern unmöglich gemacht, Deutschland vor dem von uns nicht gebilligten englischen Knockout zu schützen, weil er die Flotte auslieferte und die Handelsflotte verschenkte und so Deutschland schon vor der Friedenskonferenz seine letzte Wehr und sein bedeutendstes Verhandlungsobjekt raubte. Erzberger hat durch sein blödsinniges Abkommen in der Danziger Frage die Polen um etwa 90.000 Mann gestärkt und es uns Amerikanern dadurch unmöglich gemacht, Deutschlands neuen Feind im Zaum zu halten.‘ Erzberger hat, so hätte der Herr einige Wochen später hinzufügen können, durch seine Spiegelfechtereien mit dem zu erwartenden Verzicht der Entente auf die Auslieferung deutscher Führer die Mehrheit für die Unterzeichnung des Schmachfriedens am 23. Juni 1919 zusammengebracht.“[3]
Aufgrund der antideutschen Erfüllungspolitik Erzbergers verfaßte der frühere Vizekanzler Karl Helfferich die Schrift: „Fort mit Erzberger“. Hier ist neben Helfferich auch der politische Journalist Eduard Stadtler zu nennen, der Helfferich im Juni 1919 zum „Kampf gegen Erzberger als der vitalsten Persönlichkeit des neuen Systems“ aufgefordert hatte und der die Ende Juni erschienene Ausgabe seiner Zeitschrift „Das Gewissen“ als „Anti-Erzberger-Nummer“ bezeichnete.
- „Wenn ein Politiker es zuwege bringt, als Schiedsrichter in Prozessen zwischen dem Reichsfiskus und einer privaten Gesellschaft zu entscheiden, die letzte Entscheidung zugunsten der Gesellschaft am 24. Mai zu unterschreiben und sich am darauffolgenden 14. Juni, also drei Wochen später, in den mit stattlichen Tantiemen dotierten Aufsichtsrat dieser selben Gesellschaft wählen zu lassen, so ist vom Standpunkte der geschäftlichen und politischen Wohlanständigkeit dieser Mann für mich erledigt. [...] Herr Erzberger hat wirksam geholfen, das deutsche Volk in das Elend des Schmachfriedens zu führen. [...]“[4]
Die von Erzberger initiierte Steuerreform ist in ihren Grundzügen auch heute noch gültig, schaffte ihm aber einflußreiche Feinde, wie zum Beispiel die preußischen Großgrundbesitzer, deren Einkommenssteuersatz sich von 4 auf über 50 Prozent erhöhte. Am 14. November 1919 versuchte eine aufgebrachte Menge, Erzberger aus seiner Wohnung zu holen und zu lynchen. Erst eine Hundertschaft der Polizei konnte Erzberger schützen. Bereits im Januar 1920 schoß der Fähnrich Oltwig von Hirschfeld auf ihn. Im August 1921 wurde Erzberger wegen seiner Erfüllungspolitik durch die Marineoffiziere Heinrich Tillessen und Heinrich Schulz, beide Mitglieder in der Organisation Consul, erschossen.
Das BRD-Bundesfinanzministerium weiß zu berichten:
- „Die nach Reichsfinanzminister Matthias Erzberger benannte Finanz- und Steuerreform von 1919/20 war das bedeutendste Ereignis der deutschen Finanzgeschichte des 20. Jh. [...] Die Erzbergersche Finanz- und Steuerreform hat die Grundstruktur des deutschen Steuersystems und Steuerrechts bis in die heutige Zeit beeinflußt.“
Siehe auch
Schriften
- Der Völkerbund. Der Weg zum Weltfrieden, 1918
- PDF Erlebnisse im Weltkrieg, 1920
Literatur
- Lügen des Herrn Erzberger, Zur Aufklärung der deutschen Wähler! Verlag Paul Köhler, Berlin 1907
- Friedrich Hussong: Merkwürdige Zeitgenossen. Matthias Erzbergers Wege und Wandlungen, 1917
- Karl Helfferich: Fort mit Erzberger!; Scherl, Berlin 1919
- Eintrag über Matthias Erzberger in der Sigilla Veri, Band 3 S. 268 bis S. 281 Sigilla Veri
- Fritz Zinnecke: Erzberger gegen Helfferich, Berliner Kommissionsverlag, 1920
- Siegfried Löwenstein: Der Prozeß Erzberger-Helfferich, 1921 (Netzbuch und PDF-Datei zum Herunterladen)
- Hans von Liebig: Reichsverderber Erster Teil. Bethmann-Hollweg, Erzberger, Scheidemann, Berlin 1922
- PDF Alfred Rosenberg: Novemberköpfe, Franz Eher Verlag, 1939
Fußnoten
- Geboren 1875
- Gestorben 1921
- Deutscher Verräter
- Vizekanzler (Weimarer Republik)
- Reichstagsabgeordneter (Deutsches Kaiserreich)
- Zentrum-Mitglied
- Mitglied der Weimarer Nationalversammlung
- Reichstagsabgeordneter (Weimarer Republik)
- Staatssekretär (Deutsches Kaiserreich)
- Reichsfinanzminister (Weimarer Republik)
- Person (Reichsfinanzwesen)
- Attentatsopfer
- Mordopfer
- Reichsminister (Weimarer Republik)
- Politiker (Württemberg)