Fridman, Michail
Michail Maratowitsch Fridman (* 21. April 1964 in Lemberg, Ukraine) ist ein jüdischer Oligarch und einer der einflussreichsten Wirtschaftsführer in Rußland.
Fridman war (zusammen mit Pjotr Awen) der Hauptgründer und Aufsichtsratsvorsitzender der Alfa Group, eines der größten privaten Industrie- und Finanzkonzerne in Rußland, sowie in leitenden Positionen verschiedener Tochterunternehmen der „Alfa Group“ (Vorsitzender des Direktorenrates der „Alfa-Bank“ — und mit 36 Prozent der Anteile deren größter Aktionär —, Vorsitzender des Direktorenrates der Öltochter „TNK-BP“, Mitglied des Direktorenrates von VimpelCom und des Aufsichtsrates der X5 Retail Group N.V.).
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Michail Fridman wuchs als Kind einer jüdischen Familie in Lemberg auf. Seine Eltern wanderten nach Deutschland aus. Schon zu Sowjetzeiten fiel Fridman durch einem enormen unternehmerischen Tatendrang auf. Während seines Studiums betrieb er auf eigene Faust illegale Aktivitäten wie privates Fensterwaschen oder das Betreiben einer Diskothek.
Als Gorbatschow dann die Beschränkungen für private Unternehmungen lockerte, gründete der in einer Maschinenbaufirma beschäftigte Fridman Kooperativen in diversen Wirtschaftszweigen. Darunter fielen ein Immobilienmaklerbüro für Ausländer, ein Importhandel für Zigaretten und Parfüm, ein Computerhandel, ein Zuchtlabor für weiße Mäuse, ein privater Kurierservice sowie die Fotofirma ALFA Foto.
Michail Fridman gilt als einer der mächtigsten Unternehmer in Russland. Stets verfügte er über die richtigen Beziehungen zu Regierungsstellen. Wie zahlreiche andere Oligarchen bemüht er sich, seinen schmuddeligen Ruf der Frühzeit, zu verwischen.
Das große Geld verdiente er im (Außen-)Handelsbereich: Seine ALFA/EKO-Handelsfirma, verbunden mit der Schweizer ADP Trading, handelte mit Waren wie Zucker, Tee und Zigaretten für den russischen Markt. 1992 erhielt Alfa auch die sehr lukrative Lizenz für den Export von russischem Öl.
Der Aufstieg Fridmans ist eng mit seinem Partner Pjotr Awen verbunden, der praktischerweise Anfang der 1990er Jahre russischer Außenhandelsminister war und zugleich Studienkollege des einflußreichsten russichen Reformers der Frühzeit, Gaidar. Awen ist der zweite Mann im Alfa-Imperium. Seinen sehr guten Insider-Kontakten verdankte Alfa zahlreiche lukrative Abmachungen. Fridman bekam Lizenzen und zugeteilte Handelsquoten, mit denen seine ALFA-Gruppe sehr gut verdienen konnte. [1]
Alfa-Bank
Fridman gründete auch Finanzgesellschaften, aus denen die Alfa-Bank hervorging. Wie andere Banken erhielt auch Alfa staatliche Gelder zur Verwaltung, die die Bank dann zu großen Devisen- und Staatsanleihe-Spekulationen nutzte. Die hohe Inflation machte die Spekulation in der Anfangszeit zu einer risikolosen Einladung zum Geldverdienen.
Aufgrund der fehlenden staatlichen Finanzstrukturen ernannte die Regierung autorisierte Banken, die bestimmte Bereiche abdeckten. Der Außenhandelsminister Pjotr Awen wechselte nach seinem staatlichen Posten in die Führung der Alfa-Bank, ausgestattet mit zahlreichen Aufträgen für die Bank.
1996 gehörte Fridman zu den großen Oligarchen, die die Wiederwahl Jelzins organisierten. Früher als andere Banken setzte die Alfa-Bank ihren Schwerpunkt auf Investments im industriellen Bereich und war nicht so stark wie andere Banken an den Währungsspekulationen 1997/1998 beteiligt. Als der Rubel 1998 kollabierte und die Spekulationsblase platzte, brachen zahlreiche der Großbanken zusammen. Nicht so die Alfa-Bank. Zwar mußte sie auch staatliche Hilfe in Anspruch nehmen und Teile an den Staat verkaufen. Doch sie überlebte und konnte die Krise zum Aufkauf von anderen Banken nutzen. Alfa ist die größte Privatbank Rußlands.
Alfa zählt neben der Millhouse-Gruppe von Roman Abramowitsch und der Interros-Gruppe von Wladimir Potanin zu den größten Konglomeraten in Rußland. Begründet wurde das Imperium, wie bei seinen Oligarchen-Kollegen auch, durch die dubiosen Privatisierungen. Erst kaufte die Bank die Vouchers der einfachen Leute auf und löste sie gegen Industriebeteiligungen ein. In der zweiten Phase beteiligte sich die Alfa-Bank an den Privatisierungen durch Auktionen.
Alfa konnte sich nicht die allerbesten Konzerne sichern, da zu dieser Zeit andere Oligarchen bei Jelzin höher im Kurs standen. Im Kampf um den Sibneft-Ölkonzern verlor Alfa gegen die Oligarchen Boris Beresowski und Roman Abramowitsch.
Alfa sicherte sich jedoch lukrative Firmen aus der zweiten Reihe und trimmmte sie auf Erfolgskurs:
- Alfa Zement ist einer der größten Zementproduzenten mit zahlreichen ausländischen Investoren wie die schweizerische Holderbank.
- Alfa Eco ist ein führenden Ölexporteur, unabhängig von den großen russischen Ölkonzernen. Geschäftsgrundlage ist alleine der Zugriff auf Staatspipelines. Zudem wickelt Alfa Eco den Gütertausch mit Kuba ab (Zucker gegen Öl).
- Nikitin ist Rußlands größter Importeur von unverpacktem Tee. 1997 wurden die Zölle und Steuern auf importierten, verpackten Tee verdoppelt, womit die Geschäftsgrundlage abgesichert wurde. Verantwortlich für den Lobbyismus war der ehemalige Außenhandelsminister und heutige Alfa-Bank Präsident Pjotr Awen.
- Perekryostok (größte Supermarktkette in Moskau)
- Smirnov Trade House (Wodkaproduzent)
- Alfa Versicherung
- Kubansakhar
- Crown Resources AG
- Russian Technologies
- Golden Telecom ist einer der größten Internetprovider Rußlands. Alfa kaufte 2000 einen 42% Anteil für 110 Mio $. Der Konzern ist an der Neu Yorker Börse notiert.
- Vimpel Communication ist der 2. größte von 3 russischen Mobilfunkkonzernen. Alfa hält eine 25% Beteiligung und kaufte 2003 eine Kontrollmehrheit am 3. größten Mobilfunkkozern Megafon. Geplant ist eine Fusion der beiden Firmen. Ende 2004 geriet Vimpel ins Visier der Staatsanwälte, die hohe Steuernachzahlungen forderten. Nicht verwunderlich, denn Fridman befindet sich in einem Machtkampf mit dem Telekommunikationsminister Leonid Reiman, der gleichzeitig auch private Interessen an diesem Geschäftsfeld hat. Ein Schweizer Gericht ordnete diesem Minister Werte in Millionen wenn nicht gar in Milliarden-Höhe zu. Nach jahrelangen gerichtlíchen Auseinandersetzungen kam es Ende 2007 zu einer Einigung.
Ölkonzern Tuymen Oil
Als 1997 der 4. größte Ölkonzern Tuymen Oil (TNK) teilprivtaisiert wurde, erhielt Alfa den Zuschlag und zahlte für einen 40%-Anteil 810 Millionen $. 2 Jahre später erwarb Alfa weitere 50% vom Staat. Diesmal sank der Preis auf nur noch 270 Millionen $. Und das Beste für Alfa.: Beim ersten Handel zahlte Alfa nur ca. 1/5 des Preises und beim zweiten nur 1/3 des Betrages. Der Rest wurde erst später fällig und wurde zum Teil aus den Erträgen des Ölkonzerns gezahlt. Partner bei dem Handel war der Oligarch Viktor Wechselberg mit seiner Renova-Holding. Nach der Übernahme trimmte der neue Konzernchef Simon Kukes den Ölkonzern auf eine effiziente Produktionsweise, leitete eine erfolgreiche Restrukturierung ein und baute auf Franchise-Basis ein landesweites Tankstellennetz auf. 1999 bezichtigte der britische Ölkonzern BP den Tuymen-Konzern des Betruges. Es ging um die Kontrolle einen gemeinsamen 500 Millionen-Ölfeldes, für das BP gezahlt hatte. Durch dubiose Abmachungen kontrollierte jedoch Tuymen Oil die Erträge. Trotz der sehr schlechten Erfahrungen mit der Alfa-Gruppe verbündete sich BP 2003 mit Tuymen. In diesem Jahr erwarb BP eine 50%-Beteiligung am Tuymen-Konzern für 6,15 Milliarden $, die größte ausländische Investition in den Nach-Sowjet-Ära. BP benötigte neue Ölreserven und ließ für den Handel auch das rechtliche und politische Vorgehen gegen den russischen Konzern unter den Tisch fallen. Das Ergebnis war der 3.größte russische Konzern, inklusive des mitfusionierten Sidanko-Konzerns.
Fazit eines BP-Managers: „Learning to do business in Russia — the hard way“. BP zahlte zweimal für die gleichen Ölreserven in Rußland.
Alfa-Gruppe
Die Alfa-Gruppe gilt als die mächtigste Oligarchengruppe der Putin-Ära. Vor 1998 hatte Alfa nicht so gute Kontakte zur obersten Administration wie die anderen großen Oligarchen. Nach der großen Krise von 1997/98 baute Alfa dann eine der mächtigsten und effektivsten Lobbyorganisationen auf.
Zahlreiche Alfa-Manager und Alfa-Günstlinge sind in der Putin-Administration tätig und die Alfa-Gruppe unterstützt Putin-nahe Parteien. 1999 konnte die ALFA-Gruppe die beiden Alfa-Manager Vladislav Surkow und Aleksander Abramow in der Präsidialverwaltung platzieren, wo sie Stelltvertreter des mächtigen Präsidenten der Präsidialverwaltung, A. Woloschin wurden.
Ähnlich wie andere große Konzerne erhielt auch Fridmans Ölfirma TNK-BP Steuernachforderungen. Sie belaufen sich auf stolze 1 Milliarde $. Dazu drohte der zuständige Minister mit Sanktionen wegen Rückständen bei der Erschließung von Ölfeldern. TNK-BP darf auch nicht an noch ausstehenden Privatisierungen und Auktionen teilnehmen, da mit BP ein ausländischer Konzern einer der beiden Haupteigner ist. 2007 musste der Ölkonzern große Konzessionen zugunsten von Gasprom eingehen.
2006 stieg die Alfa-Gruppe ins Rüstungsgeschäft ein: Durch ein joint venture namens „Patriot Capital“ mit dem staatlichen Waffenmonopol Rosoboronexport sollen Rüstungsgeschäfte finanziert werden.
Die Alfa-Gruppe vermeidet nach Möglichkeit eine direkte Einmischung in die Politik. Eines der wenigen öffentlichen Ämter von Fridman ist ein Sitz im Vorstand der Russischen Jüdischen Kongresses.
Zitat
„Auch wenn es langweilig klingt: Mich interessiert eigentlich nur das Business.“