Verheugen, Günter

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Verheugen, 2010
Günter Verheugen (links) mit Hans Dietrich Genscher beim FDP-Bundesparteitag 1981.

Günter Verheugen (* 28. April 1944 in Bad Kreuznach) ist ein deutscher Politiker (SPD, bis 1982 FDP). Er war Vizepräsident der Europäischen Kommission und bis 2010 als EU-Kommissar zuständig für Unternehmen und Industrie. Nach seinem Ausscheiden aus der Europapolitik ist er als Honorarprofessor tätig. Seine Vorlesungsreihe an der Europa-Universität Viadrina trägt den Titel „Europäisches Regieren“.

Werdegang

Günter Verheugen, ev., wurde am 28. April 1944 in Bad Kreuznach als Sohn eines Bankdirektors geboren. Sein Großvater war Bauarbeiter. Nach dem Abitur in Brühl bei Köln absolvierte Verheugen 1963-1965 ein Redaktionsvolontariat bei der „Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung“ (NRZ) in Köln und Essen. Danach studierte er 1965-1969 in Köln und Bonn Politologie, Geschichte und Soziologie. Bereits 1960 trat Verheugen in die FDP ein und war zeitweise NRW-Landesvorsitzender der Jungdemokraten. 1964-1968 redigierte er die Jungdemokraten-Zeitschrift „Stimmen der jungen Generation“.

Wirken

Politische Laufbahn in der FDP

Verheugens hauptberuflicher Einstieg in die Politik war mit dem früheren FDP-Vorsitzenden, Innen- und Außenminister Hans-Dietrich Genscher verbunden. Erste Kontakte datieren in das Jahr 1962. Nach Genschers Berufung zum Bundesinnenminister wurde Verheugen 1969 in dessen Ministerium Referent für Öffentlichkeitsarbeit. Als Genscher 1974 in das Amt des Bundesaußenministers wechselte, übernahm Verheugen im Auswärtigen Amt die Leitung eines eigens eingerichteten Arbeitsstabs „Analysen und Information“. Im Jannuar 1977 wurde Verheugen Bundesgeschäftsführer der FDP und auf dem Mainzer Bundesparteitag der Liberalen im November 1978 Generalsekretär der Partei (1980 im Amt bestätigt). Zudem war er von 1977 bis 1982 Vorsitzender der Geschäftsführung der Friedrich-Naumann-Stiftung und Mitglied des Exekutivkomitees der europäischen Liberalen sowie der Liberalen Weltunion. Ferner gehörte er medienpolitischen Gremien an. Die Planung und Durchführung des Bundestagswahlkampfs 1980 (FDP 10,6 %) wurden als großer politischer Erfolg Verheugens gewertet.

Wechsel zur SPD

Als Meinungsverschiedenheiten mit dem Koalitionspartner SPD auf Bundesebene den Kurswechsel der FDP und den Bruch der Bonner Koalition 1982 andeuteten, machte Verheugen deutlich, daß er eine „Wende“ zur CDU nicht mitvollziehen könne, zumindest nicht ohne Mandat eines Sonderparteitags. Konsequenterweise erklärte er nach dem Bruch der sozialliberalen Regierungskoalition von Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) im Herbst 1982 seinen Rücktritt als FDP-Generalsekretär und setzte sich für einen Rücktritt Genschers vom Parteivorsitz ein. Als Genscher an der Parteispitze blieb, verließ Verheugen 1982 die FDP und trat zur SPD über, die den Parteiwechsel des prominenten Liberalen mit einem sicheren Listenplatz (25) in Bayern honorierte. Verheugen trat dem SPD-Unterbezirk Kulmbach-Lichtenfels bei, kandidierte dort auch für die Bundestagswahl am 6. März 1983 und schaffte über die bayerische Landesliste den Einzug in den Bundestag. 1984 wählte ihn die SPD anstelle von Gesine Schwan in ihre Grundwertekommission. Verheugen war nun auch Mitglied des fränkischen SPD-Bezirksvorstands und vertrat die SPD-Bundestagsfraktion im Auswärtigen Ausschuss (1983-1998) im Bereich „Südliches Afrika und auswärtige Kulturpolitik“.

Nach dem Rücktritt von SPD-Bundesvorstandssprecher Wolfgang Clement im November 1986 übernahm Verheugen diese Aufgabe zunächst bis zur Bundestagswahl im Januar 1987. Er behielt dann aber auf Bitten von SPD-Chef Willy Brandt die Sprecherfunktion nach der Wahl und blieb auch nach dem Rücktritt Brandts im März 1987 im Amt. Im Juni 1987 wurde Verheugen auf Vorschlag des SPD-Schatzmeisters Hans-Ulrich Klose mit Wirkung vom 1. Oktober zum neuen Chefredakteur der Parteizeitung „Vorwärts“ bestellt. Er leitete das chronisch defizitäre Wochenblatt zwei Jahre lang, bis der SPD-Vorstand im Januar 1989 zunächst die Einstellung beschloss. Diese unterblieb nach heftigen Protesten in der Partei, ab 1989 wurde der „Vorwärts“ nicht mehr im freien Handel vertrieben, sondern ging als Monatsblatt kostenlos an SPD-Mitglieder.

Von sich reden machte Verheugen in der Folge u. a. als Südafrikaexperte seiner Partei. Dabei traf er als erster europäischer Politiker mit Nelson Mandela nach dessen Haftentlassung im Februar 1990 zusammen. Grundsätzliche Stellungnahmen Verheugens kamen zu den parteiinternen Debatten um den Staatsvertrag mit der DDR (1990; Verheugen stimmte mit „Nein“), zum Golfkrieg (1991) und zu den bundesdeutschen Rüstungsexporten (1991), zum Einsatz der Bundeswehr außerhalb der NATO (1992) und zum EU-Vertrag von Maastricht (1992). 1992 war Verheugen auch Mitglied der Gemeinsamen Verfassungskommission und Vorsitzender des Bundestags-Sonderausschusses „Europäische Union - Vertrag von Maastricht“. Anfang 1993 wählten ihn die Mitglieder der bayerischen SPD-Landesgruppe in Bonn zu ihrem Vorsitzenden (Nachfolger von Ludwig Stiegler), und im März machte die SDP-Fraktion Verheugen zu einem ihrer fünf Parlamentarischen Geschäftsführer (Nachfolger von Franz Müntefering).[1]

Von 1998 bis zu seiner Berufung zum EU-Kommissar 1999 war er Staatsminister im Auswärtigen Amt unter Joschka Fischer. In der EU-Kommission unter Romano Prodi, war er für die EU-Erweiterung zuständig. Verheugen befürwortet eine Aufnahme der Türkei in die EU.

Zitate

  • Auf die Menschenrechtsfrage zur europäisch-russischen Partnerschaft:
„Wenn wir unsere Energielieferungen danach aussuchen würden, ob in den Lieferstaaten die Menschenrechte vollständig verwirklicht sind, dann dürften wir unsere Energie nur aus Norwegen beziehen.“[2]
„Mein eigener Stab sagt, 80 bis 90 Prozent seiner Arbeitszeit dient der internen Koordinierung. Man könnte überspitzt sagen, wir verbringen einen Großteil unserer Zeit damit, Probleme zu lösen, die es nicht gäbe, wenn es uns nicht gäbe.“[3]
„Wir brauchen die Türkei mehr als die Türkei uns braucht.“[4]
  • Während deutsche Politiker Finanzhilfen an General Motors skeptisch sehen, bieten andere europäische Länder dem Autokonzern Vergünstigungen an – mit horrenden Summen.[5] Günter Verheugen kritisiert:
„Wir wollen nicht, daß ein amerikanisches Unternehmen in Europa Arbeitsplätze versteigert.“[6]
  • „Dieses ganze Projekt Europäische Einheit ist wegen Deutschland notwendig geworden. Es ging immer dabei darum, Deutschland einzubinden, damit es nicht zur Gefahr wird für andere. Das dürfen wir in diesem Land nicht vergessen. Wenn irgendjemand glaubt – wenn Sie glauben –, daß das 65 Jahre nach Kriegsende keine Rolle mehr spielt, dann sind Sie vollkommen schief gewickelt.“ – Günter Verheugen am 9. Dezember 2010 in der ZDF-Sendung Maybrit Illner

Auszeichnungen

Komturkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik (1982), Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, Großkreuz des Victoria-Ordens, Bayerischer Verdienstorden (1997), Mann des Jahres (2002, polnische Zeitung „Gazeta Wyborcza“), Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern (2004), Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande für seine Verdienste um die Republik Österreich (2004), Joseph-A.-Schumpeter-Preis (2004).

Mitgliedschaften/Ämter

SPD-Parteivorstand (1997), Vorsitzender des Komitees für Frieden, Sicherheit und Abrüstung der Sozialistischen Internationale (1997), Vorsitzender des Rundfunkrats der Deutschen Welle (1990-1999), Kovorsitz Transatlantischer Wirtschaftsrat (TEC; ab 4/2007), Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP).

Veröffentlichungen

  • Das Wichtigste ist der Frieden, 1980
  • Eine Zukunft für Deutschland (mit einem Vorwort von Walter Scheel), Verlag Gruenwald, München 1980, ISBN 3-8207-1652-1.
  • Der Ausverkauf. Macht und Verfall der FDP, Spiegel-Verlag, Hamburg 1984, ISBN 3-499-33054-7.
  • Europa in der Krise, 2005

Filmbeitrag

Verheugen spricht Klartext:

Siehe auch

Verweise

Fußnoten

  1. Internationales Biographisches Archiv 49/2010
  2. „Das ist eine glatte Verleumdung", welt.de, 19. Oktober 2006
  3. Zitat des Tages, jungewelt.de, 06. Oktober 2006
  4. Volker Finthammer: Interview der Woche und als Audio, Deutschlandfunk, 18. Oktober 2009
  5. EU-Nationen buhlen um die Gunst von General Motors – mit viel Geld, bernerzeitung.ch, 21. November 2009
  6. Verheugen warnt vor Opel-Subventionswettlauf, derwesten.de, Video - ARD, Tagesschau 20:00, 22. November 2009