Germanischer Jahreskreis
Unter dem germanischen Jahreskreis versteht man die kalenderähnliche Abfolge der traditionellen, vorchristlichen bzw. nichtchristlichen Feste und Rituale im Lebensraum der alten Germanen beziehungsweise des deutschen Volkes in Mitteleuropa, wie sie durch die wiederkehrenden Sonnen- und Mondzyklen vorgegeben wird.
So feiert man gemäß germanischem Jahreskreis zur Zeit der längsten Nächte des Jahres nicht etwa die Geburt des biblisch postulierten Wanderpredigers Jesus Christus, sondern die Wintersonnenwende beziehungsweise das Julfest.
Inhaltsverzeichnis
Bezug zur germanischen Mythologie
Der in der germanischen Mythologie bedeutsame Weltenbaum als das Symbol der Welt und alljährlichen Erneuerung des Lebens hat auch eine Bedeutung im germanischen Jahreskreis; er tritt anläßlich der betreffenden Jahreskreisfeste noch heute insbesondere in der Tradition der Maibäume und Weihnachtsbäume in Erscheinung.
Das Wesen des Jahreskreises
Der Jahreskreis der Germanen, welcher mit dem keltischen Jahreskreis verwandt ist, kennt nur zwei Jahreszeiten. Grundsätzlich unterscheidet man im Jahreskreis vier Sonnen- und vier Mondfeste, die sich jeweils abwechseln. Zu den Sonnenfesten gehören die Sonnenwenden sowie die Tagundnachtgleichen, zu den Mondfesten Lichtmeß, Feuerfest, Schnitterfest und Ahnenfest. Die Mondfesttermine lassen sich wie folgt ermitteln: Der Termin der Wintersonnenwende am 21. Dezember wird als Fixpunkt genommen. Der letzte davor eingetretene Schwarzmond, also der unsichtbare Mond, wird als der 0. Schwarzmond und der darauffolgende Vollmond als der 0. Vollmond bezeichnet. Der darauffolgende Schwarzmond ist dann der 1. Schwarzmond und der darauffolgende Vollmond der 1. Vollmond. Entsprechend werden die Monde durchnumeriert. Das erste Mondfest wird zum zweiten Neumond, also zunehmenden Mond, das zweite um den fünften Vollmond, das dritte zum achten abnehmenden Mond und das vierte zum elften Schwarzmond gefeiert. Der Beginn eines neuen Monats (Mondes) wird jeweils mit Erscheinen des nach Schwarzmond (unsichtbarer Mond) erstmals wieder sichtbaren Neumondes angezeigt. Die deutschen Monatsnamen enthalten daher in einigen Fällen die Endung -mond.
Der heute übliche gregorianische Kalender richtet sich weitgehend nach dem christlichen Kirchenjahr und kaum noch nach den natürlichen Sonnen- und Mondzyklen. Sehr weitgehende Umformung erfuhr das ursprünglich nichtchristliche Osterfest, indem es von der römisch-katholischen Kirche, ganz abgesehen von der Sinnentstellung des Festes, von einem Sonnenfest in ein Mondfest umgewandelt wurde. Zudem wurden das Feuerfest, heute oft bekannter als Walpurgisnacht, das Schnitterfest und das Ahnenfest, allesamt ursprünglich veränderliche Mondfeste, im Zuge der Kalenderreformen festterminiert, wodurch der traditionelle Mondfestcharakter entstellt wurde.
Die germanischen Jahreskreisfeste
Fest | Sonnenfest/Mondfest | Termin | Termin gem. gregorian. Kalender |
---|---|---|---|
Lichtmeß (Disting) | Mondfest | zum 2. zunehmenden Mond | um den 1. Februar |
Frühlings-Tagundnachtgleiche (Ostern) | Sonnenfest | Frühjahrsäquinoktium | um den 21. März |
Feuerfest (Freinacht, Walpurgisnacht) | Mondfest | um den 5. Vollmond | um den 1. Mai |
Sommersonnenwende (Mittsommer) | Sonnenfest | Sommersonnenwende | um den 21. Juni |
Schnitterfest | Mondfest | zum 8. abnehmenden Mond | um den 1. August |
Herbst-Tagundnachtgleiche | Sonnenfest | Herbstäquinoktium | um den 21. September |
Ahnenfest (Samhain, Halloween) | Mondfest | um den 11. Schwarzmond | um den 1. November |
Wintersonnenwende (Mittwinter) | Sonnenfest | Wintersonnenwende | um den 21. Dezember |
Siehe auch
- Einheriar
- Oding-Kreis
- Ostarafest
- Julfest
- Questenfest
- Frühgermanische Kalender
- Alldeutscher Jahrgothweiser
Literatur
- Jakob Wilhelm Hauer: Fest und Feier aus deutscher Art (Bestellmöglichkeit, weitere Bestellmöglichkeit, weitere Bestellmöglichkeit)