Giftgas
Der Einsatz von Giftgas im Kriege soll den Gegner zeitweise außer Gefecht setzen, verletzen oder gar töten. Im Ersten Weltkrieg wurde erstmalig Giftgas eingesetzt. Der Einsatz verstieß jedoch nicht gegen die damaligen völkerrechtlichen Grundsätze. Giftgaseinsatz gegen die Zivilbevölkerung stellt in jedem Falle ein Verbrechen dar.
Inhaltsverzeichnis
Erster Weltkrieg
Giftgas wurde im Ersten Weltkrieg erstmals durch Frankreich und später von allen beteiligten Kriegsparteien eingesetzt. Im Laufe der Zeit wurde die tödliche Wirkung immer mehr gesteigert.
Ab Herbst 1914 kam es an der Westfront in Ypern zum ersten Giftgaseinsatz in der Menschheitsgeschichte durch die Franzosen. Verwendet wurde dabei Tränengas, das jedoch seine beabsichtigte Wirkung nicht voll entfalteten konnte.[1] Im April 1915 rüstete daraufhin das Deutsche Reich mit der Verwendung von wirksamerem Chlorgas nach. Phosgen war wenige Jahre zuvor von einem englischen Chemiker entdeckt worden. Im Februar 1916 setzte Frankreich die ersten Phosgengranaten ohne Splitterwirkung mit reiner Gaswirkung gegen Menschen ein.[2]
- „Schon in den ersten Kriegstagen verwendeten die Franzosen Gas-Gewehrgranaten. Um eine stärkere Wirkung zu erzielen, ordnete der französische Oberstkommandierende, General Joffre, am 7. Januar 1915 den Einsatz größerer Mengen an. Nachdem Frankreich so mit dem chemischen Krieg begonnen hatte, wurden auch deutsche Wissenschaftler mit gastechnischen Versuchen beauftragt. Die zunächst geschossenen Reizgranaten waren wenig wirksam. Erst das Abblasen von Chlorgas erzielte eine moralische Massenwirkung von ausschlaggebender Bedeutung.“[3]
Auch nach Ende des Ersten Weltkrieges schreckte der Massenmörder Winston Churchill nicht davor zurück, Giftgas gegen Zivilisten einzusetzen. Er wollte die koloniale Macht Englands auch mit Giftgas erhalten und unbedingt gegen die Rote Armee testen, um es anschließend gegen rebellische Volksgruppen in Nordindien einzusetzen. In der britischen Kolonie sollte ein Präzedenzfall geschaffen werden. So sagte Churchill:
- „Ich bin sehr dafür, Giftgas gegen unzivilisierte Stämme zu gebrauchen.“[4]
Gut 50.000 sogenannte „M-Device“-Granaten wurden nach Rußland verschifft. Am 27. August 1919 kam ein Teil davon bei einem Angriff auf den 200 Kilometer südlich von Archangelsk gelegenen Ort Emtsa zum Einsatz. Den September über folgten weitere Gasangriffe auf die von sowjetrussischen Verbänden gehaltenen Dörfer Chunowa, Vichtowa, Pocha, Chorga, Tavoigor und Zapolki. Doch erwiesen sich die verschossenen Granaten als nicht so effektiv wie von Churchill erhofft. Die unverbrauchten Granatenbestände wurden anschließend im Weißen Meer versenkt.
Zweiter Weltkrieg
Im Zweiten Weltkrieg kam es aufgrund der schrecklichen Erfahrungen zu keinen nennenswerten Einsätzen von Giftgas. Im Jahre 1925 wurde der Einsatz von Gas völkerrechtlich verboten, was Churchill jedoch nicht davon abhielt, den Einsatz gegen die deutsche Zivilbevölkerung und deutsche Städte zu planen. Von deutscher Seite wurde jedoch der Einsatz rundweg abgelehnt – dies nicht zuletzt auch wegen der Erfahrungen Adolf Hitlers als Frontsoldat mit dem Einsatz von Giftgas. Hitler sagte dazu bereits in seiner Rede vom 6. Oktober 1939, einem eindringlichen Friedensappell an die Staaten, die Deutschland den Krieg erklärt hatten, daß eine zukünftige Anwendung derartiger Waffen nur in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention erfolgen dürfe. Darüber hinaus sagte der deutsche Führer und Reichskanzler wörtlich:
- „Die modernen Waffen wie die der Luftwaffe, der U-Bootwaffe oder Gaseinsatz dürfen jedoch unter keinen Umständen gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden.“
Geplanter Einsatz gegen die deutsche Zivilbevölkerung
Am 2. Dezember 1943 kam es im italienischen Hafen Bari im Zuge der anglo-amerikanischen Invasion zu einem ungeplanten Giftgasausbruch. Bari war wichtiger Nachschubhafen und das Hauptquartier der 15. US-Luftarmee, dort stationiert, von wo aus die Flächenbombardements in Süddeutschland und auf dem Balkan gelenkt werden sollten. Auch der VS-amerikanische Liberty Frachter „John Harvey“ lag im Hafen zum Löschen seiner brisanten Ladung: unter anderem 2.000 Fliegerbomben, gefüllt mit schwerem Senfgas, auch Schwefel-Lost, Gelbkreuz oder Yperit genannt. VS-Präsident Roosevelt hatte Giftgas nach Europa beordert, um dieses gegen die deutsche Zivilbevölkerung einzusetzen. Wolfram Freiherr von Richthofen als Befehlshaber der 2. Luftflotte befahl jedoch einen Luftangriff auf die Hafenanlagen von Bari. Die „John Harvey“ explodierte mit 68 Tonnen schweren Senfgases und sank sofort. Für die im Wasser treibenden Matrosen war dies tödlich. 800 englische und VS-amerikanische Soldaten wurden teils schwer verletzt mit Verbrennungen und Verätzungen, knapp 100 starben. Niemand konnte sich die Verletzungen erklären, denn nur die beiden Begleitoffiziere und der Sicherheitsoffizier des Schiffes waren eingeweiht in die streng geheime Aktion; diese waren jedoch mit dem Schiff untergegangen. Durch Zufall wurde im Hafenbecken eine unbeschädigte Bombe gefunden. An die 1.000 Italiener kamen ums Leben. Genaue Zahlen der einheimischen Opfer gibt es nicht, auch nicht die der Verletzten, da die ganze Katastrophe seitens der Alliierten streng geheimgehalten wurde. Berichte und Krankenakten verschwanden in den Archiven. Erst 2006 wurde in Washington die „Tragedy of Bari“ der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Der Spiegel hatte bereits 1988 dazu geschrieben:
- „Ein geheimer Plan enthüllt, daß die Amerikaner gegen Kriegsende bereit waren, einen großen Teil der deutschen Bevölkerung mit Giftgas zu vernichten.“[5]
Danach sollten von Italien und England aus Tausende Flugzeuge in einer 15-Tage-Operation über 30 deutschen Großstädten Giftgasbomben abwerfen. Je nach den klimatischen Bedingungen wären das leicht flüchtige Phosgen oder das schwerere Senfgas „Lost“ zum Einsatz gekommen. Unter Punkt 4 des Plans („Mögliche Ergebnisse des Angriffs“) errechneten US-Spezialisten der Abteilung für Chemiekriegführung, wie viele Menschen direkt beeinträchtigt, also getötet würden – 5.600.000. Weitere zwölf Millionen würden dem vorgeschlagenen Angriff indirekt ausgesetzt sein. Deutschland war – entgegen der Einschätzung der Londoner Generalität – fast schutzlos. Weder gab es Sirenen für Gasalarm noch genügend gasdichte Luftschutzräume. Etwa 65 Prozent aller Zivilisten im Reichsgebiet besaßen keine Gasmasken. Am schlimmsten stellte sich die Lage bei kleinen Mädchen und Jungen bis zu drei Jahren dar. Sie sollten eigentlich mit speziellen, rundum abgedichteten Gasbettchen und Gasjäckchen aus Gummi ausgerüstet werden. Doch weil es weder genug Kautschuk noch den Ersatzstoff Buna gab, waren fast 90 Prozent der deutschen Kinder ungeschützt.
Glücklicherweise erfuhr der deutsche Geheimdienst noch rechtzeitig von den Plänen der VS-Amerikaner und Engländer. Aufgrund der Tatsache, daß es um das Leben Millionen Deutscher ging, die vergast werden sollten, mußte mit aller Macht verhindert werden, daß dieses Gas eingesetzt wird. Die Wehrmacht verfügte nur über etwas mehr als 100 einsatzbereite Ju-88-Bomber und einige Jäger sowie Fallschirmtrupps an der Italienfront. Der Ernst der Lage für ihre Heimat war jedem der einsatzfähigen deutschen Flugzeugführern bewußt. Sie griffen an mit dem Auftrag, sämtliche Schiffe zu versenken, da nicht bekannt war, in wie vielen und welchen der Schiffe das Giftgas gelagert war. Die komplette feindliche Flotte wurde dabei versenkt, insgesamt 28 Schiffe. Den VS-Amerikanern wurde – trotz der zu diesem Zeitpunkt bereits drückenden materiellen Unterlegenheit auf deutscher Seite – ein zweites Pearl Harbor geliefert, mit dem Unterschied, daß sie um ein Vielfaches mehr Schiffe verloren als durch den japanischen Luftschlag zwei Jahre zuvor.
Verweise
- Die Alliierten und Giftgas im Zweiten Weltkrieg
- Wie ein Besessener – Winston Churchills schockierende Anwendung chemischer Waffen
Literatur
- Christian Zentner: Der Erste Weltkrieg, Daten, Fakten, Kommentare, Moewig, 2000, ISBN 978-3811816527
- Dieter Martinetz: Der Gaskrieg 1914/1918, Verlag: Bernard & Graefe, ISBN 978-3763759521
- Dr. Hanslian: Gaskrieg! Der deutsche Gasangriff bei Ypern, Nachdruck der Originalausgabe von 1934, Melchior-Verlag, ISBN 978-3-941555-20-4