Havemann, Robert

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Robert Hans Günther Havemann (geb. 11. März 1910 in München; gest. 9. April 1982 in Grünheide) war ein jüdischer Kommunist, Chemiker und politischer Publizist, der in Deutschland wirkte. Er war Mitglied der kommunistischen Gruppe „Rote Kapelle“ und Gründer der Gruppierung „Europäische Union“.

Werdegang

Robert Havemann wurde am 11. März 1910 als Sohn des Lehrers, Redakteurs und Schriftstellers Hans Havemann (1887–1985) und dessen Frau, der Kunstmalerin Elisabeth, geb. von Schönfeldt, in München geboren. Nach dem Besuch des Realgymnasiums Bielefeld (Abitur 1929) studierte Havemann bis 1933 Chemie an den Universitäten München und Berlin. Von 1932 bis 1933 arbeitete er am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie, wurde aber wegen seiner KPD-Mitgliedschaft 1933 des Instituts verwiesen. Obwohl kommunistisch und jüdisch,[1] erhielt er nach 1933 ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft,[2] konnte 1935 in Berlin promovieren,[3] ab 1937 als wissenschaftlicher Assistent am Pharmakologischen Institut der Universität Berlin wirken und sich 1943 habilitieren,[4] also die Lehrbefugnis an Hochschulen bzw. Universitäten erlangen.[1]

Wirken

1933 begann Havemann bei dem Kolloidforscher Herbert Freundlich eine Dissertation über „Ideale und reale Eiweißlösungen“ und trat der oppositionellen Gruppierung „Neu Beginnen“ bei. Wegen eines DFG-Stipendiums konnte er 1935 mit einer physikalisch-chemischen Dissertation in Berlin promovieren. Von 1937 bis 1943 arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent am Pharmakologischen Institut der Universität Berlin. Als begabter Naturwissenschaftler, dem das intuitive Experimentieren besonders lag, erwarb er sich mit Forschungen über die Biochemie des Blutstoffwechsels und mit Erfindungen zu meßtechnischen Analysemethoden erste Anerkennung.

Robert Havemann gründete 1943 die Gruppierung „Europäische Union“. Über seinen Neffen Wolfgang Havemann stand er auch in regelmäßigem Kontakt mit Arvid Harnack und anderen aus der Verrätergruppe „Rote Kapelle“.

1943 habilitierte sich Havemann, wurde 1943 wegen seiner verräterischen Tätigkeit verhaftet und noch im selben Jahr vom Volksgerichtshof wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Auf Intervention des Heeres-Waffenamtes wurde der Vollzug der Strafe ausgesetzt.[1] Er durfte weiter als (kriegswichtiger) Wissenschaftler wirken.

Nach 1945 war Havemann am sowjetischen Atombombenprogramm beteiligt. Ab 1947 lehrte er an der Ostberliner Humboldt-Universität. Von 1950 bis 1963 war er SED-Abgeordneter der Volkskammer. Oppositionelle Äußerungen führten 1964 zu seinem Parteiausschluß. Von 1977 bis 1979 stand er unter Hausarrest.

Überraschend wurde Havemann im April 1980 zu einer Großkundgebung in Brandenburg zur „35. Wiederkehr der Befreiung von Häftlingen der damaligen Konzentrationslager“ eingeladen, auf der Erich Honecker eine Rede hielt. Im Sommer 1981 wandte sich Havemann in einem Offenen Brief an den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt mit der Aufforderung, „Deutschland der Blockkonfrontation zu entziehen“, sowie an den sowjetischen Staatspräsidenten Leonid Iljitsch Breschnew, den er aufforderte, die Teilung Europas in militärische Blöcke durch Friedens- und Abrüstungsverträge zu überwinden und Deutschland wieder zu vereinigen (→ Deutsche Wiedervereinigung). Am Ostberliner Schriftstellertreffen Ende 1981 durfte Havemann nicht teilnehmen. Zusammen mit Pfarrer Rainer Eppelmann verfaßte er den Text zum „Berliner Appell“, der am 25. Januar 1982 – wenige Wochen vor Havemanns Tod – veröffentlicht wurde und unter der Devise „Friede ohne Waffen“ für eine unabhängige, gesamtdeutsche Friedensbewegung eintrat.

Einerseits wurde in den 1990er Jahren bekannt, daß Havemann inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR gewesen war; andererseits soll er selbst Opfer des MfS geworden und mutmaßlich von Angela Merkel (→ IM Erika) bespitzelt worden sein. Bereits von 1946 bis 1948 hatte er für den sowjetischen Geheimdienst KGB gearbeitet. Aus einer 2005 veröffentlichten Studie der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen ging hervor, daß Havemann als „Geheimer Informator“ (GI) unter dem Decknamen „Leitz“ zwischen 1953 und 1963 über Stimmungen im mitteldeutschen Wissenschaftsbetrieb berichten und westdeutsche Wissenschaftler anwerben sollte. Dabei habe er in seinen Berichten einige politisch unzuverlässige DDR-Wissenschaftler belastet.

Am 16. November 1989 wurde Havemanns Suspendierung als Mitglied der DAW durch diese rückgängig gemacht. Am 28. November des Jahres erfolgte durch die Zentrale Parteikontrollkommission (ZPKK) der SED seine postume Rehabilitierung mit der Erklärung, er habe „zum damaligen Zeitpunkt politisch richtige Einschätzungen und Wertungen der Politik der Partei vorgenommen“. Im August 2000 verurteilte das Landgericht Neuruppin zwei frühere DDR-Staatsanwälte, die 1976 und 1979 an Prozessen gegen Robert Havemann beteiligt waren, wegen Verfolgung des Regimekritikers und Rechtsbeugung zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr auf Bewährung. Zuvor hatte der Bundesgerichtshof (BGH) 1998 einen Freispruch des Landgerichts Frankfurt/Oder aus dem Jahr 1997 aufgehoben. Wegen seines Engagements in der Gruppierung „Europäische Union“, das aufgrund von Akten aus der Zeit des Nationalsozialismus aus MfS-Beständen belegt werden konnte, erhielt er im Mai 2006 postum den Titel „Gerechter unter den Völkern“ der „Holocaust“-Gedenkstätte Yad Vashem.

Auszeichnungen

  • Verdienstorden in Silber (1954)
  • Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus (1958)
  • Nationalpreis II. Klasse (1959)
  • Titel „Gerechter unter den Völkern“ (2006)

Mitgliedschaften

Havemann war Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR (1961–1966).

Familie

Robert Havemann war 1934 bis 1947 mit Antje Hasenclever und von 1949 bis 1966 mit Karin von Trotha verheiratet; beide Ehen wurden geschieden. Von 1962 bis 1971 war Brigitte Martin seine Lebenspartnerin.[5] Eine dritte Ehe ging er 1973 mit Annedore („Katja“) Grafe ein. Seit Jahren schwer krank, starb Havemann am 9. April 1982 im Alter von 72 Jahren in seinem bis zuletzt ständig überwachten Haus in Grünheide bei Berlin. Laut Havemann-Gesellschaft hinterließ er sieben Kinder: Ulrich, Frank Havemann (geb. 1949), Florian Havemann (geb. 1952), Sibylle Havemann (geb. 1955, sie hat einen gemeinsamen Sohn mit Wolf Biermann) und Franziska Havemann sowie Ulrike und Johanna Martin.

An der Beisetzung Havemanns auf dem Waldfriedhof von Grünheide am 17. April nahmen ca. 600 Personen teil, die Ansprache hielt Pastor Rainer Eppelmann. Etliche Bundesbürger und Westberliner hatten keine Einreiseerlaubnis erhalten (so Sarah Kirsch, Jürgen Fuchs, Wolf Biermann), DDR-Bürger wurden z. T. ebenfalls am Erscheinen gehindert. Havemanns Wohnhaus wurde im September 1989 auf Initiative seiner Frau Katja zum Gründungsort des „Neuen Forums“, der Bürgerbewegung in der DDR. Im Januar 1994 lehnte das Landesarbeitsgericht Berlin die von Havemanns Familie geforderte Entschädigung für finanzielle Einbußen ab, die dieser nach seiner Entlassung von der Humboldt-Universität 1964 erlitten hatte.

Werke (Auswahl)

  • Werner Theuer: Robert Havemann Bibliographie. Im Auftrag der Robert-Havemann-Gesellschaft, hgg. und Anhang Bernd Florath, Akademie, Berlin 2007, ISBN 3-05-004183-8, ISBN 978-3-05-004183-4 (Für die Jahre ab 1945 wird auch eine Auswahl von Sekundärliteratur über H. aufgeführt. Der Anhang enthält bisher unveröffentlichte Texte und Dokumente aus der direkten Nachkriegszeit zur Deutschlandkonzeption Havemanns.)
  • Atomtechnik geheim? Hg.: Deutsches Friedenskomitee und Kammer der Technik, Berlin 1951
  • Einführung in die chemische Thermodynamik, hgg. von Franz X. Eder und Robert Rompe, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1957
  • Dialektik ohne Dogma? Naturwissenschaft und Weltanschauung, Rowohlt, Reinbek 1964 (erweiterte DDR-Ausgabe: hgg. von Dieter Hoffmann und Hartmut Hecht, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1990)
  • Fragen Antworten Fragen, Piper, München 1970
  • Über Zensur und Medien, DeutschlandArchiv 1976, S. 798–800
  • Rückantworten an die Hauptverwaltung „Ewige Wahrheiten“, Hg. Hartmut Jäckel, Piper, München 1971, (erweiterte DDR-Ausgabe: Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1990, 287 S., ISBN 3-326-00628-4)
  • Berliner Schriften – Aufsätze, Interviews, Gespräche und Briefe aus den Jahren 1969 bis 1976, hgg. von Andreas W. Mytze, europäische ideen, Berlin 1976
  • Ein deutscher Kommunist – Rückblicke und Perspektiven aus der Isolation, hgg. von Manfred Wilke, Rowohlt, Reinbek 1978
  • Morgen – Die Industriegesellschaft am Scheideweg, Piper, 2009 erneut erschienen bei Edition Zeitsprung mit einem Nachwort und einer aktuellen Analyse der ökologischen Zivilisationskrise, ISBN 978-3-8391-3657-7, Klappentext, Inhaltsverzeichnis u. a.
  • Die Stimme des Gewissens – Texte eines deutschen Antistalinisten, hggg. von Rüdiger Rosenthal, Rowohlt, Reinbek 1990, 224 S., ISBN 3-499-12813-6
  • Warum ich Stalinist war und Antistalinist wurde – Texte eines Unbequemen, hgg. von Dieter Hoffmann und Hubert Laitko, Dietz, Berlin 1990, ISBN 978-3-320-01614-2

Fußnoten

  1. 1,0 1,1 1,2 David Korn: Wer ist wer im Judentum?, FZ-Verlag, ISBN 3-924309-63-9
  2. Als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft arbeitete er anschließend am Robert-Koch-Krankenhaus in Berlin-Moabit, wo er 1935 mit einer Dissertation über „Ideale und reale Eiweißlösungen“ zum Dr. phil. promoviert wurde.
  3. 1935 promoviert er an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin.
  4. 1943 habilitierte er sich mit der Arbeit „Methämoglobinverbindungen“.
  5. Vgl. FAZ, 8. Juni 2009