Marcuse, Herbert

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Herbert Marcuse (Lebensrune.png 19. Juli 1898 in Berlin; Todesrune.png 29. Juli 1979 in Starnberg) war ein jüdischer Pseudophilosoph, Politologe und Soziologe.

Werdegang

Herbert Marcuse stammt aus Berlin und ist der Sohn einer großbürgerlichen jüdischen Familie.[1] Er besuchte das dortige Augusta-Gymnasium und studierte von 1919-1922 an den Universitäten Berlin und Freiburg Philosophie.[2] Als Student hatte er sich der Sozialdemokratie verschrieben. 1922 promovierte er mit einer Arbeit über den deutschen Künstlerroman magna cum laude in Freiburg zum Dr.phil.

Wirken

Berlin und Freiburg

1918/19 gehörte er einem marxistischen Soldatenrat in Berlin an[3] und war ein Bewunderer des Münchner Rätekommunisten Kurt Eisner. Er trat 1919 aus der SPD wegen deren »Verrat am Proletariat« aus.

Ab 1924 unterhielt er, vom Vater ausgestattet, einen linken Salon in Berlin, in dem über marxistische Theorie diskutiert wurde.

Er arbeitete zunächst in einem Berliner Verlag und kam 1927 nach Freiburg zurück, wo damals Edmund Husserl und Martin Heidegger lehrten.[4] Existentialismus und die Lehren Freuds haben ihn beeinflußt, er hat sich aktiv an der — mit der kritischen Edition der Marx'schen Jugendschriften verbunden — philosophischen Entdeckung des Marxismus beteiligt. Mit Erich Fromm und Max Horkheimer gehörte er zu den Mitgründern des Instituts für Sozialforschung, der „Marxburg“, in Frankfurt am Main, das 1933 in die Vereinigten Staaten (Neu York) hinübergerettet wurde.

New York und San Diego

Marcuse hatte schon 1932 Deutschland verlassen und kam über Genf und Paris 1934 nach Neu York.[5] Dort lehrte er an der New School for Social Research und an der jüdischen Kaderschmiede Nordamerikas, der Brandeis-Universität.[6] 1940 wurde er als Amerikaner naturalisiert.[7] Er war von 1942 bis 1950 Sektionschef im Office of Strategic Services (OSS; VS-Spionageabwehrbehörde). Marcuse wurde Leiter der Europaabteilung. Ab 1951 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent am Russian Institute der Columbia-Universität in Neu York und auch am Russian Research Center der Harvard-Universität in Cambridge. 1954 wurde Herbert Marcuse Professor für polit. Wissenschaften an der Brandeis-Universität in Waltham (Mass.).[8] 1965 erhielt er einen Lehrstuhl an der Universität von Kalifornien in San Diego.

Frankfurt am Main, Berlin

Im Jahre 1964 wurde er als Gastprofessor an die Universität Frankfurt, 1965 als Honorarprofessor an die Freie Universität Berlin berufen, wo er dann mit seiner Forderung nach völliger Befreiung aus allen Zwängen und gegenüber allen Institutionen sowie mit der Betonung der Freud’schen Trieblehre großen Einfluß auf die studentische Protestbewegung im Sinne eines permissiv-anarchischen Marxismus ausübte und die Jugend zum Aufruhr trieb, insbesondere mit seiner Rede in der Freien Universität vom Juli 1967.[9]

Neben Max Horkheimer und Theodor W. Adorno war Marcuse der wichtigste Vertreter jener philosophischen Richtung, die als „Kritische Theorie“ in den 1930er und frühen 1940er Jahren in Amerika formuliert wurde, und die das Denken der „Neuen Linken“ in den sechziger Jahren vor allem in der Bundesrepublik bestimmte. Marcuse war derjenige neomarxistische Philosoph, der die Protestbewegung der Studenten vor mehr als zehn Jahren am meisten beeinflußt hat.[10]

„Repressive Toleranz“ und Arbeiterverachtung

Mehr als andere galt er als der »Vater der studentischen Neuen Linken«, der er die wirksamen Schlagworte von der »repressiven und befreienden Toleranz« und der »großen Verweigerung« gab. »Der Ruhm Herbert Marcuse als Idol der rebellierenden Studenten neben Marx, Mao Zedong und Ho Chi Minh ließ die Frankfurter Schule zum Mythos werden.«[11] Seine Bücher „Der eindimensionale Mensch“ (1964, deutsch 1967) sowie „Triebstruktur und Gesellschaft“ (1956, deutsch 1965) wurden zu Standardwerken für die APO-Bewegung. Die Befreiung des Menschen könne seiner Meinung nach nur von den Randgruppen kommen, von den Außenseitern, Unterprivilegierten und Ausgebeuteten (also von denjenigen, die Marl Marx selber verächtlich „Lumpenproletariat“ genannt und wegen ihres fehlenden „Klassenbewußtseins“ abqualifiziert hat).

Von den rebellierenden Studenten dann auf dem Höhepunkt der Gewalttätigkeiten als Leisetreter kritisiert, weil er sich gegen die Anwendung physischer Gewalt ausgeprochen hatte, zog Marcuse sich enttäuscht wieder in die VSA zurück. In seiner resignierenden, teilweise kurskorrigierenden Spätschrift über Kunstfragen, „Die Permanenz der Kunst - Wider eine bestimmte marxistische Ästhetik“ von 1977, widerruft er praktisch seine frühere Lehre, daß Literatur und Kunst ihre einzige und höhere Aufgabe in der Umsetzung in politische Maßnahmen finden.[9] Bei einem seiner letzten Auftritte beim Römerberg-Gespräch über Fortschritt in Frankfurt im Mai 1979 wirkte er als lebende Widerlegung seiner früheren Aufrufe: „Mit der von Marcuse geforderten Moral ist kein Staat zu machen. Marcuses Theorie ist eher Widerschein einer demokratisierenden Krankheit, als daß sie die Melodie ist, die die Verhältnisse zum Tanzen zwingt,“ schrieb darüber Günter Maschke.[12]

Marcuse hatte vor allem versucht, Karl Marx und Sigmund Freud zu modernisieren und zu verbinden, die Emanzipation gegenüber allen Bindungen zur angeblichen Befreiung des Menschen zu lehren und mit dieser Ideologie die akademische Jugend zum offenen Aufstand gegen Staat und Gesellschaft zu treiben. Dabei vertrat er die der sonst von ihm so beschworenen demokratischen Haltung widersprechende Meinung, »daß Befreiung Umsturz gegen den Willen und gegen die Interessen der Mehrheit eines Volkes« bedeute.[13] Er verlangte unter anderem die Einführung einer Räte-Verfassung im Rahmen einer »direkten Demokratie«.[9]

Voll Zorn über die mangelnde Bereitschaft der Arbeiter, ihm und seinesgleichen zu folgen, erklärte Herbert Marcuse die Arbeiterklasse für „revolutionär impotent“. Als er 1979 in Starnberg gestorben war,[14] wurde bei seiner Beerdigung ein Kaddisch gesprochen, das traditionelle jüdische Totengebet.[6]

Familie

Herbert Marcuse war in zweiter Ehe seit 1955 mit Inge Werner verheiratet, der Witwe von Franz Neumann. Er hatte aus erster Ehe einen Sohn Peter und zwei Stiefsöhne aus der zweiten.

Werke

Zu seinen Hauptwerken gehören: „Hegels Ontologie“ (1932), „Vernunft und Revolution“ (1955), „Eros und Kultur“ (1957), „Der eindimensionale Mensch“ (1964), „Versuch über die Befreiung“ (1969) und „Konterrevolution und Revolte“ (1972).

Fußnoten

  1. Marcuse entstammte einem linksbourgeoisen Elternhaus; sein Vater war wohlhabender Makler.
  2. Herbert Marcuse studierte ab 1919 in Berlin Literaturgeschichte, Philosophie und Volkswirtschaft und promovierte 1923 in Freiburg.
  3. 1917 schloß sich der Junior der SPD an, 1918 war er Soldatensowjet in Berlin.
  4. 1928 ging er als Assistent des gerade nach Freiburg berufenen Martin Heidegger an die dortige Universität.
  5. Er befaßte sich 1932 besonders mit neu herausgegebenen Schriften von Karl Marx und kam 1933 an Horkheimers inzwischen in die Schweiz ausgelagertes Institut, von wo er dann nach den VSA 1934 auswanderte, um anschließend bei Max Horkheimer am Institute of Social Research an der Columbia-Universität in Neu York weiterzuarbeiten.
  6. 6,0 6,1 David Korn: Wer ist wer im Judentum? - FZ-Verlag ISBN 3-924309-63-9
  7. Internationales Biographisches Archiv 39/1979
  8. 1952 wurde er Professor an der Columbia-Universität in Neu York und lehrte dann an mehreren anderen US-Hochschulen wie Harvard 1953, Brandeis 1954, Berkeley 1965.
  9. 9,0 9,1 9,2 Rolf Kosiek: Die Frankfurter Schule und ihre zersetzenden Auswirkungen - Grabert/Hohenrain-Verlag 2001 ISBN 978-3891800614
  10. David Korn: Mit Max Horkheimer und Theodor W. Adorno war er der dritte Mentor der sogenannten „Frankfurter Schule“, also des Versuchs, Karl Marx mit Sigmund Freud zu koppeln. Das Trio wurde von der 68er APO-Bewegung vergöttert. Die linke Verwandlung der Bundesrepublik geht wesentlich auf Marcuse zurück.
  11. Rolf Wiggershaus, 1987, S. 9.
  12. FAZ, 22. Mai 1979
  13. Zit. v. Otto Marchi in Deutsche Zeitung, 28. November 1975
  14. Herbert Marcuse starb am 29. Juli 1979 in Starnberg während eines Deutschlandbesuches aus Anlaß der Teilnahme an den damaligen Römerberg-Gesprächen.