Küpfmüller, Karl
Karl Küpfmüller ( 6. Oktober 1897 in Nürnberg; 26. Dezember 1977 in Darmstadt) war ein deutscher Elektrotechniker und Hochschullehrer auf den Gebieten der Nachrichtentechnik, Meß- und Regelungstechnik, Akustik, Informationstheorie und Theoretischen Elektrotechnik sowie Marinebeamter im Admiralsrang und Inhaber des Ritterkreuzes des Kriegsverdienstkreuzes im Zweiten Weltkrieg.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Wirken
- Karl Küpfmüller wurde 1897 als Sohn des Oberlokomotivführers Ernst Küpfmüller († 1914) und seiner Ehefrau Eva geb. Körbitz († 1919) in Nürnberg geboren. Von 1903 bis 1907 besuchte er die Volksschule in Nürnberg und anschließend bis 1913 die Realschule. Küpfmüller studierte von 1913 bis 1919 Elektrotechnik am Königlich Bayerischen Technikum in Nürnberg, unterbrochen durch die Militärzeit bei der Infanterie 1917-18. Von 1919 bis 1921 war er im Telegrafenversuchsamt der Deutschen Reichspost in Berlin tätig. Küpfmüller holte nebenher das Abitur nach und hörte Vorlesungen an der TH Berlin-Charlottenburg. 1921 wurde er Oberingenieur bei Siemens & Halske in Berlin, und 1928 berief ihn die TH Danzig auf ihren einzigen Lehrstuhl für Elektrotechnik, sodass er die gesamte Breite des Fachs zu vertreten hatte. Ergebnis dieser umfassenden Lehrtätigkeit war Küpfmüllers 1932 erstmals erschienenes Lehrbuch „Einführung in die theoretische Elektrotechnik“, ein in viele Sprachen übersetztes Standardwerk. 1935 folgte Küpfmüller einem Ruf an die TH Berlin, der er als Honorarprofessor verbunden blieb, als er 1937 die zentrale Entwicklungsleitung der Siemens & Halske AG übernahm. Damit folgte er seiner Überzeugung, dass die theoretische Durchdringung seines Fachs immer wieder an der Praxis gemessen werden sollte und Innovation und Grundlagenforschung einander bedingen. Am 1. September 1933 trat Küpfmüller dem NS-Kraftfahrkorps bei. Er unterzeichnete im November 1933 das Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler. Im Mai 1934 wurde er Mitglied der SA (bis 1937), ab 1937 war er Mitglied der NSDAP und SS, wo er als „überzeugter Nationalsozialist und tadelloser SS-Führer“ bis zum SS-Obersturmbannführer (1944) aufstieg. Vom 1. April 1937 bis 1941 war Küpfmüller Leiter der nachrichtentechnischen Entwicklung des Siemens-Wernerwerkes für Fernmeldetechnik und danach bis zum Mai 1945 Direktor der Zentralen Entwicklungsabteilung bei Siemens & Halske. Seit August 1942 leitete Küpfmüller die Nachrichtenmittelkommission des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition. Im Juni 1943 wurde ihm zusätzlich die Leitung der Kommission für Funkmesstechnik übertragen. Bereits 1940 wurde Küpfmüller an das Kaiser-Wilhelm-Institut für Materialforschung berufen, wo er im Auftrag der Kriegsmarine zur Behebung der Torpedokrise eine Arbeitsgruppe zur Steuerung von Torpedos leitete. Im Januar 1944 wurde er zum Leiter des wissenschaftlichen Führungsstabes der Kriegsmarine ernannt. Am 30. April 1945 erhielt er dafür das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern verliehen, nachdem er bereits das Kriegsverdienstkreuz I. Klasse ohne Schwerter und den Dr. Fritz-Todt-Preis in Gold erhalten hatte. Karl Küpfmüller wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kurzzeitig von den Briten verhaftet und in England verhört. Wegen seines hohen SS-Ranges und seiner Ämter in der Rüstungsforschung wurde er im Herbst 1945 von den Amerikanern in Gefangenschaft genommen und nach Dachau gebracht. Im Dezember 1946 wurde er in das unterfränkische Internierungslager Hammelburg für ehemalige NSDAP-Angehörige überstellt. Hier war er beratend für die Firma Rohde & Schwarz tätig. Küpfmüller verblieb in Hammelburg bis zu seiner Entnazifizierung. Auf Intervention des Industriellen Lothar Rohde (1906-1985), der zudem als Entlastungszeuge auftrat, erfolgte eine beschleunigte Durchführung des Verfahrens. Im Spruchkammerverfahren vor der Spruchkammer Ansbach-Land wurde er […] am 4. November 1947 lediglich als „Mitläufer“ eingestuft und zu einer Sühnezahlung von 3.040 Reichsmark verurteilt. Von 1946 bis 1948 war Küpfmüller als Berater bei der Firma Rohde & Schwarz in München tätig, ab 1948, nach seiner Entlassung aus dem Internierungslager, als Vorstandsmitglied und Technischer Direktor der Standard Elektrizitätsgesellschaft in Stuttgart. 1952 wurde Küpfmüller als Nachfolger von Hans Busch an die TH Darmstadt berufen. […] Küpfmüller legte in DA Arbeiten zur Nachrichtenübertragung und über Regelungsvorgänge vor, die zu den Grundlagen der Kybernetik zählen. Seine Forschungen führten 1955 an der TH Darmstadt zur Gründung des ersten Lehrstuhls und Instituts für Regelungstechnik an einer deutschen Hochschule. Mit seinen Analysen elektronischer Schaltungen überschritt er bereits in den 1950er Jahren die Grenzen seines Fachs: In der Zusammenarbeit mit Biologen und Physiologen erwiesen sich seine systemtheoretischen Ansätze als überaus hilfreich zur Klärung von Steuerungsprozessen in lebenden Organismen. 1955/56 war Küpfmüller Rektor der TH Darmstadt. Auf seinen Antrag wurde vom Magistrat der Stadt DA die Verbindungsstraße zwischen Landgraf-Georg-Straße und Alexanderstraße hinter der Hochspannungshalle nach Waldemar Petersen benannt. Neben weiteren zahlreichen Auszeichnungen und Ehrungen erhielt er 1976 die Würde eines Dr.-Ing. e. h. von der Universität Erlangen-Nürnberg. Anlässlich seines 80. Geburtstags und der Feier des 100-jährigen Bestehens der TH Darmstadt als Stätte wissenschaftlicher Forschung und akademischer Lehre im Oktober 1977 stiftete die TH Darmstadt unter Präsident Helmut Böhme (1936-2012) den Karl Küpfmüller-Ring, der bis 2009 an deutsche und ausländische Wissenschaftler verliehen wurde, „die durch ihre Forschungstätigkeit die wissenschaftlichen Erkenntnisse auch außerhalb ihres speziellen Fachgebietes gefördert und die wissenschaftliche oder technische Entwicklung maßgebend beeinflusst haben“.[1]
Tod
Prof. Küpfmüller verstarb im Alter von 80 Jahren an Herz- und Nierenversagen und wurde auf dem Waldfriedhof Darmstadt beigesetzt.
Nachruf
- „Am 26. Dezember 1977 verstarb unerwartet unser korrespondierendes Mitglied Professor Dr.-Ing. E. h. Karl Küpfmüller. Seinen 8o. Geburtstag am 6. Oktober 1977 erlebte er noch in ungebrochener Frische und Gesundheit. Um so schmerzlicher empfinden wir es, daß der Tod ihn so rasch aus unseren Reihen gerissen hat. Küpfmüllers Grundlagenwissen und geistige Regsamkeit erlaubten es ihm, auf fast allen Gebieten der Elektronik schöpferisch tätig zu sein. In seinem ursprünglichen Arbeitsgebiet- der Nachrichtentechnik- fand er schon 1924 eine wichtige Beziehung zwischen der Einschwingzeit und der Breite des Frequenzbereiches in einem Tiefpaßsystem, nämlich eine Unschärferelation für die Größen Zeit und Frequenz im Bereich der elektromagnetischen Wellen. Er hat damit als erster eine physikalische Deutung einer mathematischen Beziehung zwischen einem Paar von Fouriertransformierten gegeben. Erst drei Jahre später folgte die bekannte quantenmechanische Deutung dieser Beziehung für Materiewellen durch Heisenberg, die allerdings nur formal mit der Küpfmüllerschen Beziehung verwandt ist. Während die eine die Technik der Nachrichtenübermittlung betrifft, regelt die andere die gesamte Physik des Nebeneinander von Teilchen- und Wellenbild der atomaren Materie. Über das Gebiet der Nachrichtentechnik hinaus sind von Küpfmüller bedeutende Impulse ausgegangen. Besonders zu erwähnen ist hier die frühzeitig verwendete ‚systemtheoretische‘ Betrachtungsweise von Vorgängen in komplexen Strukturen. Auch mit den Gebieten der elektrischen Regelungstechnik und der Elektroakustik sowie der Anwendung regelungstechnischer Methoden bei physiologischen Systemen und biologischen Vorgängen hat sich Küpfmüller erfolgreich beschäftigt. Bei seinen großen wissenschaftlichen Erfolgen wurden Küpfmüller eine Fülle von Ehrungen zuteil. Er war Honorarprofessor der Technischen Hochschule Berlin, später der Technischen Hochschule Stuttgart. 1944 wurde ihm die Würde eines Dr.-Ing. E. h. von der Technischen Hochschule Danzig verliehen. 1955 war er Rektor der Technischen Hochschule Darmstadt. 1932 erhielt Küpfmüller die Gauß-Weber-Gedenkmünze, 1953 die Philipp-Reis-Plakette der Deutschen Bundespost, 1959 die goldene Cedergren-Medaille des Schwedischen Reichsamtes für die Technischen Hochschulen und 1960 die goldene Stefan-Ehrenmedaille des Österreichischen Verbandes für Elektrotechnik. 1962 verlieh im der Verband Deutscher Elektrotechniker den VDE-Ehrenring und 1964 die VDE-Ehrenmitgliedschaft. Mit dem ‚Werner-von-Siemens-Ring‘ erhielt er 1970 die höchste wissenschaftliche Auszeichnung, die der VDE zu vergeben hat. Seit 1954 war Küpfmüller korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Von 1955 bis 1957 war er Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Außer der Mitgliedschaft in der Akademie der Wissenschaften und Literatur in Mainz war er in den Jahren 1966 bis 1969 auch deren Vizepräsident. 1976 verlieh ihm die Technische Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg die Würde eines Ehrendoktors. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften betrauert mit dem Tod ihres Mitgliedes Karl Küpfmüller den Heimgang eines großen Wissenschaftlers und eines bedeutenden Initiators der Elektrotechnik.“ — Professor Dr. phil. Dr.-Ing. E. h. mult. Heinrich Johann Welker (1912–1981), Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
Familie
Küpfmüller war in erster Ehe von 1921 bis 1940 mit Elisabeth Riedel verheiratet. Seit 1941 war er in zweiter Ehe mit seiner Sekretärin Eva, geb. Luckan ( 1911), der Tochter eines evangelischen Pfarrers, verheiratet. Die Ehen blieben kinderlos. Er hinterließ eine Stieftochter mit dem Namen Doris (1934–1998).
Auszeichnungen und Ehrungen
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
- 1932: Gauß-Weber-Gedenkmünze
- 1943: Kriegsverdienstkreuz (1939), II. und I. Klasse ohne Schwerter
- 1944: Dr.-Fritz-Todt-Preis in Gold
- 1944: Dr.-Ing. E. h. der Technischen Hochschule Danzig
- 30. April 1945: Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern als Leiter des Wissenschaftlichen Führungsstabes der Kriegsmarine
- als Entwicklungsabteilungsleiter in der Amtsgruppe Technisches Nachrichtenwesen (NWa IV)/Marinerüstung/OKM und zugleich Chef der Kommission für Nachrichtenmittel beim Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion (RM.f.R.u.K.)
- 1952: Philipp-Reis-Plakette der Deutschen Bundespost[2]
- 1954: Ordentliches Mitglied der Mainzer Akademie der Wissenschaften
- 1959: Goldene Cedergren-Medaille des Schwedischen Reichsamtes für die Technischen Hochschulen
- 1960: Goldene Stefan-Ehrenmedaille des Österreichischen Verbandes für Elektrotechnik
- 1962: Ehrenring des VDE
- 1963: Kulturpreis der Stadt Nürnberg
- 1964: Ehrenmitgliedschaft des VDE
- 1969: Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Kybernetik.
- 1968: Werner-von-Siemens-Ring
- 1976: Dr.-Ing. E. h. der Universität Erlangen
- 1976: DIN-Ehrennadel
- 1977: Johann-Heinrich-Merck-Ehrung der Stadt Darmstadt
Nach Küpfmüller benannte Auszeichnungen
- Karl-Küpfmüller-Ring für herausragende interdisziplinäre Forschungsleistungen der TU Darmstadt
- Diese Auszeichnung wurde im Oktober 1977 aus Anlaß des 80. Geburtstags von Karl Küpfmüller im Rahmen der 100 Jahrfeier der TH Darmstadt gestiftet. Der Karl-Küpfmüller-Ring soll, so die Satzung, „als außerordentliche Ehrung an Wissenschaftler verliehen werden, die durch ihre Forschungstätigkeit die wissenschaftlichen Erkenntnisse auch außerhalb ihres Fachgebietes gefördert und die wissenschaftliche oder technische Entwicklung maßgeblich beeinflusst haben“.
- Karl-Küpfmüller-Preis der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE
- Der Preis wird von der Informationstechnischen Gesellschaft im Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik (VDE) als höchste wissenschaftliche Auszeichnung alle vier Jahre an einen Wissenschaftler in Gedenken an den Ingenieurwissenschaftler Karl Küpfmüller verliehen.
Werke (Auswahl)
- Über die Dynamik der selbsttätigen Verstärkungsregler. In: Elektrische Nachrichtentechnik. Band 5, Nr. 11, S. 459–467, 1928. Frühes Werk mit Grundlagen zur Abtasttheorie.
- Schwachstromtechnik. In: Handbuch der Experimentalphysik. Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig 1931/1932.
- Einführung in die theoretische Elektrotechnik. 1932; 18. Auflage, Springer, Berlin 2008, ISBN 978-3-540-78589-7.
- Die Systemtheorie der elektrischen Nachrichtenübertragung. Hirzel, Stuttgart 1952
- Technik und Mathematik. In: Technische Hochschule Darmstadt. Technische Hochschule Darmstadt, Rektoratsrede vom 29. November 1952.
- Nachricht und Energie. In: Technische Hochschule Darmstadt. Technische Hochschule Darmstadt, Rektoratsrede vom 2. Dezember 1955.