Krieg-in-Sicht-Affäre
Als Krieg-in-Sicht-Affäre (auch Krieg-in-Sicht-Krise, engl. War in Sight) wird die außenpolitische Krise im Frühjahr 1875 zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich bezeichnet. Die steigende Revancestimmung in Frankreich, die sich besonders in starker Vermehrung des Heeres (das sogenannte Cadregesetz vom 13. März 1875) äußerte, erregte in Deutschland Besorgnis.
Der Generalstabschef Graf Helmuth Karl Bernhard von Moltke vertrat sogar den Gedanken eines Präventivkrieges gegen Frankreich. Doch Otto von Bismarck wollte die Franzosen nur durch einen „kalten Wasserstrahl“ in der Presse, durch den drohenden Hinweis auf die deutsche Kriegsbereitschaft abschrecken. So erschien am 8. April 1975 in der Berliner Zeitung Die Post der Artikel „Ist der Krieg in Sicht?“, aus der Feder des offiziösen Publizisten Konstantin Rößler; er erregte in ganz Europa Aufsehen. Der französische Außenminister Herzog Louis Decazes machte aus dem deutschen Pressefeldzug eine Kriegsgefahr und wandte sich an Rußland. Der Zar Alexander II. uns sein Außenminister Fürst Alexander Michailowitsch Gortschakow glaubten tatsächlich an eine Gefährdung des Friedens durch das Deutsche Reich und griffen, unterstützt durch England, vermittelnd ein (Besuch des Zaren in Berlin am 10. Mai); daß Gortschakow dann die Sicherung des Friedens als das Ergebnis seiner Vermittlung hinstellte, empfand Bismarck als verletzende Demütigung.
Dieser Verlauf der Krise zeigte zum erstenmal die Gefahr einer Einkreisung des Deutschen Reiches; er wurde ein starker Ansoß zu Bismarcks folgender Bündnispolitik.
Nach dieser Affäre wiederholen sich die Krisen und gipfeln mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914. Frankreichs Anspruch auf Elsaß-Lothringen, Englands Sorge vor der deutschen Flotte und Neid auf die deutsche Wirtschaftskraft, Rußlands panslawistische Interesse auf dem Balkan, zumal nach der Niederlage gegen Japan 1905, und das schwellende Kraftgefühl der europäischen Großmächte schufen eine explosive Lage.
Litertaur
HTML PDF Adalbert Wahl: Vom Bismarck der 70er Jahre, Tübingen: Mohr 1920
Google-BücherHans Herzfeld: Die deutsch-französische Kriegsgefahr von 1875, E.S. Mittler 1922
Google-BücherOtto Becker: Bismarck und die Einkreisung Deutschlands, Bd. 1, C. Heymann 1923
Google-BücherNicolaas Japikse: Europa und Bismarcks Friedenspolitik, Dt. Verl. Gesell. für Politik und Geschichte 1925; deutsch 1927
Google-BücherWillem Johannes Jouwersma: De duitsch-fransche oorlogscrisis van 1875 en haar voorgeschiedenis, A. W. Sijthoff 1928