Luftangriffe auf Ingolstadt

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Die Luftangriffe auf Ingolstadt während des Zweiten Weltkrieges, die von Januar bis April 1945 stattfanden, sind ein bedauerliches Kapitel in der Geschichte der Stadt. Während der Kriegsjahre 1943/44 wurden die bayerischen wie München oder Nürnberg nahezu täglich bombardiert, während Ingolstadt zunächst verschont blieb. Es war jedoch nur eine Frage der Zeit, bis die alliierten Bomber auch über Ingolstadt wüteten und das Stadtbild für immer veränderten.

Die unschuldigen Bewohner der Stadt wurden Opfer dieser verheerenden Angriffe, bei denen mindestens 650 Menschen ihr Leben verloren.

Vorgeschichte

Nach den Landungen in der Normandie im Juni 1944 und der Operation Dragoon in Südfrankreich im August 1944 drangen die Armeen der Alliierten innerhalb von wenigen Wochen quer durch Frankreich bis in die Nähe der deutschen Reichsgrenzen vor. Die sowjetische Sommeroffensive drängte die deutschen Truppen bis ins Weichselgebiet sowie an die Grenze Ostpreußens zurück. Der Luftraum über dem gesamten Reichsgebiet wurde zu Beginn des Jahres 1945 nahezu uneingeschränkt von den Alliierten kontrolliert und dies hatte wiederum die Folge, daß sie die schwierigeren Nachtangriffe zugunsten der zuvor verlustreichen Tagesangriffe einstellten.

Bis Anfang Januar 1945 war die Ingolstädter Gegend von Kampfhandlungen noch verschont geblieben, doch der „Krieg an der Heimatfront“ begann nun auch dramatische Formen anzunehmen.

15. Januar 1945

Am 15. Januar 1945 erlebte Ingolstadt den ersten größeren Luftangriff auf das Stadtgebiet. Schon in den frühen Morgenstunden wurde auf den Fliegerhorsten der im Süden von Großbritannien stationierten 8. US-Air Force 640 Langstreckenbomber und 782 Jagdflugzeuge zum bombardieren vorbereitet. Der Tageseinsatz sah Luftangriffe auf Rangierbahnhöfe im süddeutschen Raum vor. Für das Angriffsziel Ingolstadt setzte die 1. Fliegerdivision 111 Bomber der B-17 „Flying Fortress“ (Fliegende Festung) ein.

Um 11-55 Uhr gab die Luftwarnstelle für den Großraum Ingolstadt Fliegeralarm, der jedoch wegen einer Vielzahl vorhergehender Fehlalarme von der Bevölkerung weitgehend ignoriert wurde.

Die äußerst schlechten Sichtverhältnisse im Donauraum beeinflußten die geplanten Bombardierungen der süddeutschen Rangierbahnhöfe entscheidend, weshalb dann vor Ort Ausweichziele gewählt wurden. In Ingolstadt sollte dies die Munitionsanstalt bei Desching (heute Esso-Raffineriezentrum) sein. Der Leitbomber (Pfadfinder) hatte über der dichten Wolkendecke die Zielmarkierungsbombe („Christbaum“) nach dem H2S Navigations-Radar gesetzt, worauf nur wenig später die erste Welle mit dem Abwurf von 480 Sprengbomben und 330 Brandbomben begann. Der Umstand, daß die Markierungsbombe um nur wenige Sekundenbruchteile zu früh gesetzt wurde, hatte für das Dorf Feldkirchen verheerende Folgen. Der größte Teil der Bombenlast fiel auf den alten Ortskern in der Umgebung des Marienplatzes, wobei 70 % der Gebäude als Totalschäden verzeichnet werden mußten. Infolge dieses Angriffes auf Feldkirchen fanden 22 Menschen den Tod. Das eigentliche Ziel, die Muna bei Desching - etwa 2 km weiter nördlich - wurde komplett verfehlt. Die zweite Welle warf anschließend 1.278 Splitterbomben über dem südlichen Teil der Stadt, zwischen Haunwöhr und dem Hochwasserdamm, sowie auf unbebautes Gebiet bei der Gaststätte „Bonschab“ ab. Eine weitere Welle traf die Gegend am Nordbahnhof, Ober- und Unterhaunstadt, wobei auch das Propaganda-Flugblatt „Nachrichten für die Truppe“, Ausgabe vom 12. Januar 1945 abgeworfen wurde.

Der Abschlußbericht des örtlichen Luftschutzleiters verzeichnete 28 Tote und 29 Verwundete im Stadtgebiet sowie 22 Tote und 7 Schwerverletzte in Feldkirchen. Am darauffolgenden Freitag, dem 19. Januar fand am Vormittag unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die Totenfeier für die ersten Ingolstädter Luftkriegsopfer statt. Vor der Aussegnungshalle des städtischen Friedhofes waren die mit Hakenkreuzfahnen bedeckten Särge aufgebahrt. Die NSDAP organisierte diese Trauerfeier mit großem Aufwand nach einem festen Ritual und Vertreter der Partei, des Staates, der Wehrmacht, der Stadt und sogar eine zufällig in Ingolstadt verweilende ungarische Abordnung säumten zusammen mit den Angehörigen den Platz vor der Aussegnungshalle.

Leidenschaftliche Ansprachen der Ingolstädter Funktionäre gegen die angloamerikanischen Mordflieger und Treuebekenntnisse zu Führer, Volk und Vaterland vermittelten den Hinterbliebenen Trost und Beistand. Unter Begleitung von leisen Trommelwirbeln erfolgte die Namensverlesung der Ingolstädter Opfer. Nach den zahlreichen Kranzniederlegungen ging der Trauerakt mit den Liedern der Nation zu Ende.

1. März 1945

Für den 1. März 1945 plante die 8. US-Air Force ursprünglich die strategische Zerstörung deutscher Fliegerhorste mit stationierten Messerschmitt Me 262-Strahlflugzeugen. Da die Meteorologen jedoch für diesen Donnerstag schlechtes Wetter ankündigten, mußten die geplanten Angriffsziele abgeändert werden. Der 2. US-Fliegerdivision mit 253 Consolidated B-24 „Liberator“-Bombern wurde als Hauptangriffsziel die Ingolstädter Bahnhofsanlagen mit dem Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) zugewiesen.

Um 12.56 Uhr gab die Luftschutzwarnstelle für den Raum Ingolstadt den 183. Fliegeralarm. Um auch bei der völlig geschlossenen Wolkendecke die geplanten Ziele über Ingolstadt zu finden, setzten die Navigatoren des Bombergeschwaders ihre H2X-Radargeräte ein. Die dicht geschlossene Formation der viermotorigen B-24 Bomber, wegen ihrer roten Seitenruder im Volksmund „Rotschwänzchen“ genannt, flog im Westeinflug den Ingolstädter Hauptbahnhof an. Eine deutsche Luftabwehr bestand zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, da die Ingolstädter Flak-Stellungen bereits im Jahre 1944 in besonders gefährdete „Luftschutzorte 1. Ordnung“ wie München, Nürnberg oder Augsburg verlegt worden waren. In der Zeit von 13.31 Uhr bis 13.35 Uhr, also in nur 4 Minuten, lösten die feindlichen Flugzeuge weit über der Wolkendecke aus einer Höhe aus etwa 5.500 Metern in drei kurz aufeinander folgenden Wellen teppichartig 603,3 Tonnen Spreng- (1.860 Stck.) und Brandbomben (565 Stck.) aus. Zudem kam eine größere Anzahl von Flugblättern, gefälschten Lebensmittelkarten (Reisefleischmarken) und auf roten Karton geklebte Brandstiftungsmittel (Sabotagemittel) zum Abwurf. Der Großangriff erfolgte in einer Ausdehnung von etwa 14 km entlang der Bahnlinie ab Reichertshofen bis Oberhaunstadt, wobei sich der Angriffsschwerpunkt auf das nördliche Altstadtgebiet konzentrierte.

Seit Kriegsausbruch lagen nun erstmals weite Teile der historischen Altstadt in Trümmern, weshalb von den Rettungseinheiten völlig neue und ungewohnte Aufgaben zu bewältigen waren. An insgesamt 32 Schadensstellen waren Verschüttete zu bergen - für 133 Personen kamen die Retter zu spät, nur 35 Personen konnten noch lebend geborgen werden. Im Altstadtgebiet wurde, neben zahlreichen Wohnhäusern, der Sitz des Kulturbauamtes (Wasserwirtschaftsamt) im 1593 erbauten Ballhaus am Paradeplatz total zerstört.

Aus den Trümmern des schwer zerstörten städtischen Krankenhauses an der Sebastianstraße mußten unter den schwierigsten Bedingungen über 100 Personen, meist Schwerstkranke und Verwundete, geborgen werden. Der Luftschutzbunker an der Rechbergstraße, ein unterirdischer Verbindungsgang zwischen dem Kavalier Elbracht und der Fronte Rechberg, wurde ebenfalls durch einen Volltreffer heimgesucht.

Im gesamten Altstadtbereich dauerten die Lösch- und Bergungsarbeiten noch die ganze Nacht hindurch an. Dabei mußten von den Sicherheitskräften neben der Versorgung der Verletzten und Obdachlosen die Einsturzgefährdeten Gebäude gesichert, Möbel aus beschädigten Häusern geborgen, Straßen von Trümmern befreit sowie Blindgängerfundorte markiert und abgesperrt werden.

Der von der US-Air Force als S. A. 3306 registrierte Angriff auf Ingolstadt forderte neben 107 Verwundeten insgesamt 197 Menschenleben. An den Gebäuden wurden im gesamten Stadtgebiet 147 Totalschäden und über 200 mittlere bis schwere Schäden registriert.

Bei jenem Angriff auf Ingolstadt war der amerikanische Schauspieler James Stewart im 2. Geschwader als Einsatzoffizier eingesetzt. Außerdem befand sich unter den Besatzungsmitgliedern auch sein Hollywoodkollege Walter Matthau. Am darauffolgenden Tag gab das Oberkommando der deutschen Wehrmacht (OKW) im Reichssender München den Wehrmachtbericht bekannt: „Nordamerikanische Bomberverbände zerstörten bei ihren gestrigen Terrorangriffen in Süd-, Südwest- und Südost Deutschland wieder vorwiegend Wohnstätten der Bevölkerung. Schwere Schäden entstanden vor allem in den Stadtgebieten von Ulm, Ingolstadt und Reutlingen.“

4. März 1945

Aufgrund der schlechten Witterungsverhältnisse konnte auch am 4. März 1945 der Plan, deutsche Fliegerhorste oder Industrieanlagen zu bombardieren, nicht realisiert werden. Aus diesem Grund änderte die 8. US-Air Force den geplanten Einsatz auf Ausweichziele im Raum Ingolstein ab. Um 9.44 Uhr verkündete die Luftschutzwarnstelle für das Ingolstädter Gebiet zunächst „Kleinalarm“ und bereits eine Minute später den 184. Fliegeralarm seit Kriegsausbruch. Gegen 10.12 Uhr flogen 69 Langstreckenbomber des Typs B-17 „Flying Fortress“ aus westlicher und südöstlicher Richtung das Stadtgebiet an. Im Bereich der Altstadt war die Sicht an jenem Tag zwar gut, doch in Donaunähe wurde es sehr dunstig und bewölkt, weshalb für die Bomberbesatzung ein Angriff nach Sicht auch nur bedingt möglich war. Ohne Radarhilfe warf dann die erste Welle um 10.13 Uhr an der Stadtgrenze bei Kothau, die zweite Welle um 10.14 Uhr beim Luitpoldpark, die dritte Welle um 10.17 Uhr entlang der Neuburger Bahnlinie, die vierte Welle um 10.24 Uhr an der Stadtgrenze bei Haunwöhr und schließlich die fünfte Welle um 10.25 Uhr bei Friedrichshofen ihre Bombenlasten von insgesamt 175,5 Tonnen ab. Das Hauptziel des Angriffes konzentrierte sich auf die Bahnlinie Ingolstadt - Neuburg.

Weshalb gerade die Gegend bei Haunwöhr diesem massiven Angriff ausgesetzt war, dokumentiert die VS-Zielkarte „Ingolstadt # 4416“ vom 4. März 1945. Auf dem verwendeten Aufklärungsfoto mit den Bahnhofsanlagen waren die Eisenbahnlinien falsch ausgewiesen. So ist die Donauwörther Strecke im Foto als zweigleisige Hauptstrecke nach Eichstätt bezeichnet. Die eigentliche Eichstätter Linie dagegen weist die Zielkarte als Riedenburger Nebenstrecke aus.

5. April 1945

Die 8. amerikanische Luftflotte sah im Tagesbefehl Nr. 928 für den 5. April 1945 die strategische Bomberoffensive auf militärische Einrichtungen in Süddeutschland vor. Zur Zerstörung der deutschen Kriegslogistik sollten insgesamt 1.358 Langstreckenbomber und 662 Jagdflugzeuge eingesetzt werden. Das Heereszeugamt in Ingolstadt, eines der umfangreichsten Wehrmachtsmagazine im Wehrkreis VII (Bayern), war der 1. US-Fliegerdivision zugewiesen, die mit 211 B-17 „Flying Fortress“ Bombern und 201 P-51 „Mustang“ Jägern als Begleitschutz den Angriff zu bewerkstelligen hatte.

Der Zielanflug auf Ingolstadt erfolgte an diesem sonnigen und wolkenlosen Tag nach Sicht, jedoch mit zusätzlicher Radarnavigation. Um 11.11 Uhr war der Bomberverband nahe Ingolstadt und in einer gezielten Angriffstaktik warf dieser Bomberpulk drei Minuten später in drei Wellen über dem Exerzierplatz zwischen der Ringler- und der Ettingerstraße seine Last ab. In dieser Gegend kamen insgesamt 1.575 Sprengbomben mit einer Gesamtlast von 621,4 Tonnen sowie zahlreiche Flugblätter mit den Hinweisen „Zwei Lehren - eine Entscheidung“ und „Ich kann den Weltkrieg nicht beenden“ zum Abwurf.

Nach diesem Großangriff glich das Gebiet, vor allem im nördlichen Bereich, einer einzigen Kraterlandschaft. Von den ausgedehnten Anlagen und Hallengebäuden des Heereszeugamtes an der Ringlerstraße sowie dem angrenzenden Exerzierplatz an der Ettingerstraße (heute AUDI) waren etwa 70 % vernichtet. Ein Volltreffer zerstörte einen der drei neu errichteten Kasernenblöcke der Max-Emanuel-Kaserne an der Hindenburgstraße vollständig. Es geriet auch die angrenzende Wohnbebauung in den Sog dieser gezielten Flächenbombardierungen. Im Bereich zwischen Spreti- und Ettingerstraße entstanden 19 Wohnhaustotalschäden sowie 31 schwere Gebäudeschäden. Bei diesem Luftangriff kamen insgesamt 52 Menschen ums Leben, wobei allein in den umliegenden Wohngebieten des Exerzierplatzes 39 Zivilpersonen ihr Leben verloren hatten. Zudem wurden 56 Personen schwer verwundet und 170 Menschen waren obdachlos geworden.

9. April 1945

Offiziell war für den 9. April 1945 kein alliierter Luftangriff auf Ingolstadt geplant und dennoch war dieser Tag zweifelsohne der schicksalhafteste Tag in der Stadtgeschichte von Ingolstadt.

Am Nachmittag überflogen zunächst dicht geschlossene Bomberformationen das Stadtgebiet, um Einsätze auf den Neuburger Fliegerhorst, das WIFO-Tanklager bei Unterhausen und den Flughafen München-Riem zu fliegen. Dort war der deutsche Luftwaffenjagdverband 44 unter Generalleutnant Adolf Galland mit den aus damaliger Sicht flugtechnisch hochmodernen Me-262 Strahlflugzeugen stationiert und auf diesen Fliegerhorst war der Angriff eines Verbandes aus 212 B-17 Bombern gerichtet. Beim Rückflug zu ihren südenglischen Standorten führte die Flugroute dieser 212 „Fliegenden Festungen“ in einer Höhe von etwa 7.000 Metern abermals über Ingolstadt. Ein um 17.09 Uhr ausgelöster Fliegeralarm veranlaßte die wenigen Passanten in der Stadt, fluchtartig den nächst gelegenen Luftschutzkeller aufzusuchen. Nachdem der feindliche Bomberverband den Stadtbereich nahezu überflogen hatte, scherten um 17.15 Uhr plötzlich zehn B-17 Bomber aus der Formation aus und flogen in einer Kehrtwende zurück. Aus einer Höhe von etwa 2.500 Metern setzte eines dieser Flugzeuge über dem Altstadtgebiet ein Rauchmarkierungszeichen. Die übrigen aus südwestlicher Richtung einfliegenden neun Bomber lösten daraufhin in nur einer Minute, von 17.17 Uhr bis 17.18 Uhr völlig planlos ihre verhältnismäßig geringe Restlast von 29 Tonnen Spreng- und Brandbomben aus.

Weite Gebiete mit Schwerpunkt um den Adolf-Hitler-Platz, wie der Rathausplatz damals hieß, verwandelte dieser Luftangriff in eine Trümmerlandschaft. Mehrere Volltreffer auf die im Jahre 1736 von Johann Michael Fischer erbaute Augustinerkirche mit dem angrenzenden Franziskanerkloster an der Schutterstraße waren besonders schwerwiegend. Im Keller dieser Rokokokirche fanden 73 Schutzsuchende, überwiegend Flüchtlinge aus Pommern, den Tod. Nur eine junge Frau, die erst nach zehn Stunden aus dem zerborstenen Klosterkeller geborgen werden konnte, überlebte.

Ähnlich schwerwiegend war die Zerstörung des Hl. Geistspitals, denn da kaum ein Heimbewohner den Schutzraum aufgesucht hatte, harrten diese während des Bombardements überwiegend in ihren Zimmern oder im Treppenhaus aus. Von den knapp 100 betagten Menschen kamen bei diesem Bombenangriff 16 Personen um. Weitere Sprengkörper zerstörten das ehemalige Gouvernementsgebäude mit dem historischen Salzstadel, das Stadttheater am Rathausplatz, das neue städtische Verwaltungsgebäude an der Schäffbräustraße, die neu erbaute Donauhalle an der Tränktorstraße, das Roli-Kino, sowie zahlreiche Wohn- und Geschäftshäuser im Bereich des Rathausplatzes, Donaustraße, Münzbergstraße und Schäffbräustraße.

Etwa 100 Personen trugen bei Verschüttungen schwere Verletzungen davon und mehr als 1.000 Bürger waren infolge der enormen Gebäudeschäden obdachlos geworden. Der Alarmzustand endete an diesem Tag um 19.42 Uhr mit der „Entwarnung“.

Daß jener Angriff auf Ingolstadt nicht geplant war, ist aus den Unterlagen der US-Airforce ersichtlich und erst mehrere Tage später stellte das Oberkommando fest, daß für diesen planlosen Angriff die 390. Bombergruppe des 13. Fliegergeschwaders verantwortlich war. Der Grund liegt darin, daß Flugzeuge, die beim Rückflug noch Restbombenladungen an Bord führten, sich ihres Ballastes zu entledigen hatten, da andernfalls infolge des höheren Treibstoffverbrauches eine Rückkehr zum Stützpunkt fraglich gewesen wäre.

Für die 8. US-Air Force war dieser Montag ein ebenso verlustreicher Tag. Nachdem die Flugzeuge der 3. Fliegerdivision wieder auf ihren englischen Fliegerhorsten gelandet waren, fehlten sechs B-17-Bomber und 42 waren beschädigt. Zudem wurden 56 Besatzungsmitglieder vermißt und zwei Mann wurden als gefallen gemeldet.

10. April 1945

Acht Jagdbomber vom Typ P-47 „Thunderbold“ attackierten am 10. April 1945 mit ihren Bordwaffen weite Gebiete um Ingolstadt. Aus Richtung Neuburg kommend nahmen diese um 13.36 Uhr im Sturzflug einen am Güterbahnhof abgestellten vollbeladenen Munitionszug unter Beschuß. Infolge dieses Angriffes explodierten vier Waggons, was an den Bahnanlagen schwerste Schäden verursachte und vier Menschenleben und mehr als 70 Verletzte forderte.

11. April 1945

Für den nächsten Tag hatten insgesamt 1.303 Bomber mit 913 Jagdflugzeugen die Order, süddeutsche Versorgungs- und Munitionsdepots sowie Rangierbahnhöfe und Fliegerhorste anzugreifen. Der Einsatz # 941 sah am 11. April 1945 für die 3. US-Fliegerdivision als Hauptangriffsziel den Rangierbahnhof Ingolstadt sowie den Fliegerhorst Manching vor. Bei wolkenlosem Himmel fanden die Bomber ihre Ziele aus 6.000 Metern Höhe nach Sicht. Der Bomberverband flog aus Donauwörth kommend in einer Stärke von 21 Wellen mit je zehn B-17 „Flying Fortress“ in den Ingolstädter Luftraum ein. 13 Wellen des 4. Bombergeschwaders griffen zunächst in der Zeit von 12.42 bis 13.05 Uhr den Manchinger Fliegerhorst an. Diese Attacke, bei der 369 Tonnen Spreng-, Brand- und Splitterbomben zum Abwurf kamen, zerstörte weite Teile der Fliegerhorstanlagen, einschließlich der Start- und Landebahn und den zahlreich wegen Treibstoffmangels abgestellten Flugzeugen der deutschen Luftwaffe. Unmittelbar nach jenem Angriffsbeginn ertönte in Ingolstadt um 12.53 Uhr das Sirenenwarnsignal, doch genau zu diesem Zeitpunkt hatte die Spitze des B-17 Bomberverbandes das Zielgebiet um den Ingolstädter Hauptbahnhof bereits erreicht. In acht Wellen legten die fünf Gruppen mit einem Bombenhagel von insgesamt 237 Tonnen Spreng- und Brandbomben die Bahnhofsgegend in Schutt und Asche. Bei diesem bis 13.41 Uhr andauernden Angriff wurden - neben zahlreichen Wohnhäusern in Ringsee und an der Münchenerstraße - unter anderem die Volksschule St. Anton, die Schulbaracke an der Tillystraße sowie das Verwaltungsgebäude der Bayerischen Versicherungskammer total zerstört. Infolge eines Volltreffers stürzte der auf einem mangelhaften Fundament gebaute Turm der St.-Anton-Kirche um und durch nachfolgend abgeworfene Brandbomben wurde der Rest der schwer beschädigten Kirche ein Raub der Flammen.

An der Laderampe der Güterabfertigung befand sich immer noch der vom Vortag beschädigte Munitionszug. Beim erneuten Angriff auf die Bahnanlagen wurde dieser Munitionszug abermals schwer getroffen, worauf nun Stunde um Stunde ein Waggon nach dem anderen zu explodieren begann. Die Schäden an den Gleisen hatten den Durchgangsverkehr vollständig unterbrochen und erlaubten auch keinen Abzug des Zuges aus dem Gefahrenbereich. Weil sich zudem noch das Gerücht verbreitete, die Ladung des Zuges bestünde aus „V-2 Waffen“, brach eine Massenpanik aus, bei der Tausende Frauen, Kinder und Greise im Schutze der Dunkelheit mit dem nötigsten Handgebäck auf freie Felder, Kiesgruben oder in die Auwälder abseits der Stadt strömten. Da die Detonationen des allmählich ausbrennenden Zuges die ganze Nacht hindurch andauerten, vermuteten viele der zurückgebliebenen Bewohner einen Nachtangriff und verbrachten trotz der „Entwarnung“ um 20.57 Uhr die Nacht über in den Kellern.

Eine vorläufige Schadensübersicht war erst am übernächsten Tag möglich und es wurde festgestellt, daß in dieser Nacht allein im Bahnhofsgebiet 18 Menschen und in Ringsee/Kothau 17 Menschen den Tod gefunden hatten. Nach Schätzungen des Polizeireviers Süd waren infolge der Vielzahl an Wohnhaustotalschäden etwa 300 bis 400 Personen obdachlos geworden.

16. und 20. April 1945

Am 16. April 1945 fand der „harmloseste“ Luftangriff auf Ingolstadt statt. Gegen 14.10 Uhr verkündeten die Luftschutzsirenen „Fliegeralarm“ und eine Stunde später überflogen etwa 400 viermotorige Langstreckenbomber aus östlicher Richtung kommend die Stadt. Ohne eine Zielmarkierungsbombe zu setzen, warfen zwei Flugzeuge aus diesem zurückfliegenden US-Bombergeschwader wahllos insgesamt 8 Sprengbomben zu je 500 Pfund am östlichen und westlichen Stadtrand ab. Außer leichten Sachschäden wurden einige Grabstätten des städtischen Friedhofes (Westfriedhof) getroffen, wobei mehrere bestattete Leichen aus ihren Gräbern geschleudert wurden.

Wie den Eintragungen des Luftschutztagebuches zu entnehmen ist, nahmen in den darauffolgenden Tagen die Dauer und die Häufigkeit der Tagesalarme merklich zu. Das Stadtgebiet befand sich fast ständig in Alarmzustand, die Alarmstufen waren unterschiedlich.

Der 20. April 1945 brachte ein deutliches Näherrücken der Hauptkampflinie an Ingolstadt, denn die 7. US-Armee hißte an diesem Abend in Nürnberg die VSA-Flagge.

In breiter Front überflogen gegen 14.00 Uhr etwa 80 VSA-Flugzeuge vom Typ Martin B-26 „Marauder“ der 9. US-Air Force das Stadtgebiet und setzten bei Unterhaunstadt zum Angriff auf die Munitionsanstalt (Muna) an. Im Sturzflug wurden die Bomben gelöst, wobei rüstungswichtige Anlagen der Munitionsanstalt angezielt und auch getroffen wurden. Die letzte Welle versetzte der Hauptmunitionskammer einen Volltreffer und löste eine Kettenreaktion aus. Dabei entstand eine gewaltige Explosion, deren Rauchpilz den ganzen Nachmittag über mehrere Kilometer hinweg sichtbar war. Trotz der schwerwiegenden Zerstörungen forderte dieser Angriff keine Todesopfer in der Munitionsfabrik. Auf einem angrenzenden Feld hingegen verloren zwei landwirtschaftliche Zwangsarbeiter ihr Leben.

21. April 1945

Bereits während der Nacht fertigten vier B-17 Bomber über Regensburg und Ingolstadt Aufkläreraufnahmen, warfen gleichzeitig deutschsprachige Flugblätter mit der aktuellen Nachricht: „Nürnberg hat kapituliert“ ab und bei Tageslicht folgte der schwerste Luftangriff auf die Stadt.

Die Alliierten sahen für diesen Tag die Zerstörung der letzten noch intakten Fliegerhorste und Eisenbahnanlagen vor. Aus diesem Grunde sollte die 3. Fliegerdivision ursprünglich den Fliegerhorst in Landsberg am Lech bombardieren. Infolge der dortigen schlechten Wetterlage entschieden sich die Angreifer jedoch für Ingolstadt als Ausweichziel. Über dem Stadtgebiet herrschten gute Sichtverhältnisse, in den Außenbezirken dagegen war es, wie im gesamten südlichen Donauraum, extrem dunstig. Nachdem im Raum Aichach etwa 50 feindliche Flugzeuge gesichtet worden waren, meldete um 10.10 Uhr die Luftschutzwarnstelle für Ingolstadt „Akute Luftgefahr“.

Noch ohne anzugreifen überflog um 11.30 Uhr zunächst ein Verband von etwa 30 Bombern die Stadt. Um 11.41 Uhr erreichte dann die Spitze von 212 B-17 Bombern mit 144 P-51 Jägern als Begleitschutz aus südwestlicher Richtung kommend das Stadtgebiet. Bemerkenswert war die breit gefächerte Bombenladung aus insgesamt 348 Stck. 500 Pfund und 35 Stck. 300 Pfund schwere Sprengbomben, sowie 1.682 Stck. Brandbomben von je 250 Pfund, 2.423 Stck. 120 Pfund und 1.178 Stck. 100 Pfund Gewicht. Das 4. VSA-Bombergeschwader griff dann in fünf Wellen das Ingolstädter Stadtgebiet und die Gegend am Hauptbahnhof an.

Die ersten drei Wellen dieses Angriffes legten über dem Altstadtgebiet einen für VSA-Luftangriffe charakteristischen „Bombenteppich“ auf Zivilgebiete. Dabei entstanden auf beiden Seiten der Ludwigstraße an zahlreichen Wohn- und Geschäftshäusern, darunter auch am ehemaligen Landratsamt, schwerste Schäden. Das Zollamtsgebäude in der Mauthstraße und das Rathaus mußten mittlere Brandschäden hinnehmen. Vom Holzmarkt bis zum nordöstlichen Stadtrand wurden ebenfalls schwere Gebäudeschäden verzeichnet. Zudem zerstörten die Bomben die Klinik an der Östlichen Ringstraße. Aus diesem Grunde konnte in der Folgezeit die medizinische Versorgung nur noch notdürftig aufrecht erhalten werden.

Der Angriff der 4. und 5. Welle galt den Bahnanlagen des Hauptbahnhofes, wobei in den umliegenden Wohngebieten an der Münchener Straße sowie an der Martin-Hemm-Straße gewaltige Bombenschäden zu verzeichnen waren. Aus einer Höhe von etwa 4.000 Metern warfen die VSA-Flugzeuge eine Gesamtbombenlast von 519 Tonnen über Ingolstadt ab. Zudem richteten die als Begleitschutz eingesetzten Jagdflugzeuge mit ihrem pausenlosen Bordwaffenbeschuß weitere Schäden an.

Im Stadtgebiet von Ingolstadt forderte dieser Angriff 104 Menschenleben, die damalige Landgemeinde Ringsee/Kothau mußte 41 Todesopfer verzeichnen. Im Stadtgebiet wurden 123 Wohnhäuser total zerstört und 131 Gebäude wiesen schwerste Spreng- und Brandbombenschäden auf. Damit wurden durch diesen Angriff etwa 2.000 Personen obdachlos.

Beim Rückflug dieser Bomberflotte stürzte eine B-17 infolge eines Flakbeschusses ab, wobei acht Besatzungsmitglieder ums Leben kamen. Eine weitere B-17 galt als vermißt und ein VSA-Bomber erreichte den britischen Stützpunkt schwer beschädigt.

22. bis 25. April 1945

Der Luftangriff vom 21. April 1945 war der letzte dieser Art und Ingolstadt eine zerstörte Stadt. Infolge der geborstenen Versorgungsleitungen gab es weder Wasser noch Gas oder Strom. Der damals wichtigste Verkehrsweg, die Eisenbahn, war vollständig unterbrochen. Die Vielzahl der ausgebombten Bürger, die sich auf die Suche nach einer neuen Bleibe zu Verwandten oder Bekannten in die umliegenden Dörfer begaben, mußten diesen Weg mit ihren letzten Habseligkeiten zu Fuß oder bestenfalls mit dem Fahrrad antreten. Sogar die Großsirenenanlage war durch eine Sprengbombe außer Betrieb.

Dennoch flogen in den Folgetagen amerikanische Jagdbomber im Tiefflug mit ihren automatischen Bordwaffen weitere Attacken gegen Ingolstadt. Kaum jemand wagte sich noch auf die Straßen und wer es doch tat, der bezahlte diesen Leichtsinn gegenüber einem Feind, der keine Rücksicht gegenüber Zivilisten kannte, möglicherweise mit seinem Leben: In den letzten vier Tagen wurden nicht weniger als 28 Todesopfer durch Tieffliegerbeschuß verzeichnet. Auch mußten die VSA-Jagdbomberpiloten im Angriffsgebiet über Ingolstadt mehrfach ihren Tribut leisten. So konnte am 25. April bei einem Tieffliegerangriff auf das Bahnhofsgebiet die im Bahnhof zur Verteidigung stationierte Eisenbahnflak eine P-47 „Thunderbolt“ aus der 396. US-Jagdfliegerstaffel an der Tragfläche treffen. Die Maschine geriet daraufhin ins Schlingern, verlor an Höhe und stürzte schließlich am Brückenkopf beim Reduit Tilly ab. Der 21jährige Pilot kam dabei ums Leben.