Nietzsche-Rezeption im Nationalsozialismus
Die Nietzsche-Rezeption im Nationalsozialismus ist ein beliebter Gegenstand der heutigen politisch-korrekten philosophiehistorischen „Forschung“. Vorgeblich wird sich hierbei mit der Frage beschäftigt, welche Rolle der Philosoph Friedrich Nietzsche im und für den Nationalsozialismus gespielt habe, wobei sich hierbei häufig des Nietzsche-Archivs bedient wird.
Die Philosphie Nietzsches und sein Kampf um eine heroische, aus Rasse geborene, deutsche Weltanschauung und Kultur wurde nach dem Umbruch 1933 besonders anerkannt. Das Dritte Reich galt vielen Zeitgenossen als Erfüllung seiner theoretischen und sittlichen Ideale.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Eigentlicher Anlaß für die Entstehung dieses speziellen Themengebiets innerhalb der etablierten Nachkriegs-Geschichtsforschung ist jedoch der aus deren Sicht unbequeme Umstand, daß viele zentrale Aussagen und Forderungen Nietzsches in auffälliger Übereinstimmung zur späteren nationalsozialistischen Weltanschauung stehen. Da man indes in der allgemeinen Berühmtheit und philosophischen Autorität Nietzsches einen gefährlichen, argumentativ wie moralisch mächtig wirkenden Gegner des herrschenden Zeitgeistes erkannt hatte, wurde und wird im wesentlichen versucht, auf dem Umweg der vorgeblichen Forschung über die Nietzsche-Rezeption im Nationalsozialismus, die Aussagen des Philosophen umzudeuten, um anschließend den Nationalsozialisten vorzuwerfen, Nietzsche für sich „vereinnahmt“ bzw. „mißbraucht“ zu haben. Die aktuelle Nietzsche„forschung“ innerhalb der BRD und der BRÖ geht mittlerweile nahezu einhellig von einem angeblichen Mißbrauch Nietzsches aus, so z.B. Hans-Martin Gerlach.
Tatsächlich erkannten die Nationalsozialisten eine Verwandtschaft vieler theoretischer Forderungen Nietzsches mit ihrem politischen Wollen. Dies traf im Besonderen auf Nietzsches Hauptwerk Also sprach Zarathustra zu. So wurde dieses Werk im Jahre 1934 im Grabgewölbe des Tannenberg-Denkmals neben Alfred Rosenbergs Der Mythus des 20. Jahrhunderts und Hitlers Mein Kampf niedergelegt. 1934 kam die Idee auf, eine Nietzsche-Gedächtnishalle zu errichten. Hitler spendete für das Projekt 50.000 Reichsmark aus seinem Privatvermögen. Gefördert wurde das Projekt besonders von Fritz Sauckel. 1937 wurde auf dem Nachbargrundstück des Nietzsche-Archivs mit dem Bau begonnen, der jedoch nicht als solcher fertig gestellt wurde.
Die offizielle Parteilinie gegenüber dem Philosophen blieb bereits im Dritten Reich nicht ohne Widerspruch. So zeigte Curt von Westernhagen (1893–1982) in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1936[1] Nietzsche als Deutschenverächter und Judenverehrer, zu Unrecht werde der Philosoph von der NS-Propaganda als ideologischer Vorkämpfer oder auch nur geistiger Ahne hingestellt. Von Westernhagen stellte in der Abhandlung wenig bekannte Nietzsche-Zitate dieser Ausrichtung zusammen, darunter dieses aus dem Jahr 1885:
- „Zum Enthusiasmus für ‚deutsches Wesen‘ habe ich es freilich noch wenig gebracht: noch weniger aber zum Wunsche, diese herrliche Rasse gar rein zu halten, im Gegenteil, im Gegenteil!“ – Brief an Franziska und Elisabeth Nietzsche v. 14.3.1885[2][3]
Nietzsche in Nürnberg
François de Menthon, „Hauptankläger“ für Frankreich im Nürnberger Tribunal gegen Deutschland, bezog sich in seiner Anklagerede auf die deutschen Philosophen Hegel, Fichte und insbesondere Nietzsche. Hierbei unterstellte dieser dem Nationalsozialismus im Gegensatz zu Nietzsche zwar eine angeblich „brutale Einfältigkeit“, machte jedoch nicht den umdeuterischen Versuch, die Verwandschaft der Philosophie Nietzsches mit dem Nationalsozialismus in Abrede zu stellen:
- „Wir wollen keineswegs die letzte Philosophie Nietzsches mit der brutalen Einfältigkeit des Nationalsozialismus vermischen. Nietzsche zählt aber auch zu den Ahnen, auf die sich der Nationalsozialismus mit Recht beruft, weil er einerseits der Erste war, der in zusammenhängender Form Kritik übte an den traditionellen Werten des Humanismus und andererseits, weil seine Vision von der Herrschaft über die Massen durch unumschränkte Herren das Nazi-Regime bereits ankündigte.“
Prompt wurde Nietzsche daraufhin auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt und war in der sowjetischen Besatzungszone bis zur Wende verboten.
Literatur
Nietzsche-Rezeption zur Zeit des Nationalsozialismus (Auswahl an Monographien)
- Ernst Gutfreund: Der Niedergang der nordischen Rasse oder der Nationalsozialismus im Lichte Nietzsches. Wien 1932.
- Heinrich Härtle: Nietzsche und der Nationalsozialismus München 1937.
- Erich Heintel: Nietzsches „System“ in seinen Grundbegriffen. Eine prinzipielle Untersuchung. Meiner, Leipzig 1939.
- Kurt Liebmann: Nietzsches Kampf und Untergang in Turin. Nietzsche und Mussolini. Leipzig 1934.
- Richard Oehler: Friedrich Nietzsche und die deutsche Zukunft. Leipzig 1935.
- J. Müller-Rathenow: Nietzsches Sehnsucht nach dem kommenden Führer. Leipzig 1936.
- Gottlieb Scheuffler: Friedrich Nietzsche im Dritten Reich. Erfurt 1933.
- Friedrich Würzbach: Nietzsche und das deutsche Schicksal. Leipzig 1933.
Nach 1945 erschienene Sekundärliteratur im besetzten Deutschland
- Ernst Nolte: Marx und Nietzsche im Sozialismus des jungen Mussolini, in: Historische Zeitschrift 191, (1960)
Vorsicht! Umerziehungsliteratur im antideutschen Sinne!:
- H. Langreder: Die Auseinandersetzung mit Nietzsche im Dritten Reich. Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte Nietzsches. (Diss), Kiel 1971.
- Ernst Sandvoss: Hitler und Nietzsche. Göttingen 1969.
- Bernhard H. F. Taureck: Nietzsche und der Faschismus. Hamburg 1989.
- Martha Zapata-Galindo: Triumph des Willens zur Macht. Zur Nietzsche-Rezeption im NS-Staat. Argument, Hamburg 1995.
- Steven E. Aschheim: Nietzsche und die Deutschen. Stuttgart 2000, S.251–328 / S. 336–352.
- Richard Krummel: Nietzsche und der deutsche Geist. (Quellenregister zur Nietzsche-Rezeption)
- Oscar Levy: Nietzsche verstehen. Essays aus dem Exil 1913–1937. Berlin 2005, S. 225–236; S. 245-252; S. 257–268.