Ritter, Gerhard
Gerhard Ritter ( 6. April 1888 in Bad Sooden-Allendorf; 1. Juli 1967 in Freiburg im Breisgau) war ein bekannter deutscher Historiker. Er war Onkel des Ritterkreuzträgers Klaus Ritter.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Der Sohn eines reformierten Pfarrers besuchte das Gymnasium in Gütersloh. Sein Bruder war der Orientalist Hellmut Ritter. Nach dem Abitur studierte er an den Universitäten von München, Heidelberg und Leipzig. Ab 1912 war Ritter als Schullehrer tätig, und im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Infanterist.
1919 heiratete er Gertrud Reichardt, mit der er drei Kinder haben sollte. Er war Professor an den Universitäten Heidelberg (1918–1923), Hamburg (1923–1925) und Freiburg im Breisgau (1925–1956). 1925 veröffentlichte Ritter eine Biografie von Martin Luther, die Luther positiv darstellte. Später verfaßte Ritter Biographien von anderen historischen Persönlichkeiten, u.a. des preußischen Staatsmannes Karl Freiherr vom und zum Stein und des preußischen Königs Friedrich der Große. Ritter schrieb in den Fünfziger Jahren auch eine Biographie seines Freundes Carl Friedrich Goerdeler, der als Beteiligter des Attentats vom 20. Juli 1944 hingerichtet worden war. Die Schwerpunkte von Ritters Arbeit schlossen die politische, militärische, und kulturelle Geschichte Deutschlands ein.
Ritter gehörte zu den Nationalkonservativen. Er befürwortete für Deutschland eine monarchische Staatsform. Anfänglich billigte Ritter den Nationalsozialismus und seine Außenpolitik. Jedoch wandte er sich von den Nationalsozialisten ab, weil er gegen die Kirchenverfolgung war. Ritter war selbst Lutheraner und schloss sich der Bekennenden Kirche an. Diese versuchte sich den Bemühungen der Nationalsozialisten, die Kirchen gleichzuschalten, zu entziehen. Ritter gehörte der konservativen Opposition an und war in den Staatsstreich vom 20. Juli 1944 gegen Hitler eingeweiht. Nach dessen Scheitern wurde er vorübergehend festgenommen.
Nach Kriegsende schrieb Ritter das Werk Europa und die deutsche Frage. Er lehnte die These ab, daß das Dritte Reich die unumgängliche Kulmination der gesamten deutschen Geschichte sei. Ritter glaubte eher, daß der Nationalsozialismus nur ein Teil eines allgemeinen Trends war. Nicht nur Deutschland, so Ritter, strebe nach dem Totalitarismus. Wenn man diese Tatsache in Betracht ziehe, sei es unrecht, die Deutschen zu heftig zu kritisieren. Nach Ritters Auffassung war die Schwäche der Weimarer Republik ihre überschüssige Demokratie. Eine kraftlose Demokratie ließ sich von den Appellen des Packs übernehmen. Hätte das Kaiserreich, welches Ritter befürwortete, den Ersten Weltkrieg überlebt, wäre der Nationalsozialismus nicht stark geworden.
Ritter wurde deswegen der vehementeste Kritiker Fritz Fischers, der Kontinuitätslinien zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus hergestellt hatte. Ritter lehnte kategorisch Fischers Behauptungen ab, daß hauptsächlich Deutschland die Verantwortung für den Ersten Weltkrieg tragen müsse. Diese Diskussion wurde zum Bestandteil der historiographisch eminent bedeutsamen Fischer-Kontroverse.
Gerhard Ritter, der sein Lebenswerk gegen die deutsche Kriegsschuldthese in Gefahr sah, bezeichnete Fischers Buch Griff nach der Weltmacht als "Gipfel" in einer "politisch-historischen Modeströmung unserer Tage", womit er die "Selbstverdunkelung des deutschen Geschichtsbewußtseins" seit 1945 meinte.
Ritter kritisierte an Fischers Methode, er habe nicht zwischen einzelnen Träumen bzw. Hoffnungen und ernsten Zielen, zwischen taktisch richtigen Ambitionen von Diplomaten und nackten Forderungen der Alldeutschen und Militärs unterschieden. Ritters Dritter und Vierter Band von Staatskunst und Kriegshandwerk wurden quasi eine Apologie Bethmann Hollwegs und eine einzige Schematisierung der innerdeutschen Politik im Weltkrieg: - der guten Staatskunst Bethmann Hollwegs steht das böse Kriegshandwerk Ludendorffs gegenüber.
Fischer meinte polemisch, Ritter stelle Bethmann Hollweg als eine Art Widerstandskämpfer gegen Kaiser, Militär, Industrielle, Parteiführer, Junker, Alldeutsche und konservative Presse dar. Ritter distanziere sich bei extremen Randerscheinungen verbal vom deutschen Imperialismus und Militarismus, um so die Hauptkräfte der deutschen Geschichte als gemäßigt zu retten.
Ritter starb 1967 in Freiburg im Breisgau. Er war einer der letzten traditionellen Historiker des Deutschen Idealismus. Diese Gruppe betrachtete die Erfassung von Geschichte als eine Kunst. Ihre Angehörigen bemühten sich, sich kreativ mit den menschlichen Subjekten der Vergangenheit zu identifizieren. Anstelle einer Geschichte „von unten“ betonten sie hauptsächlich die besondere Bedeutung politischer und militärischer Ereignisse sowie die Handlungen „großer Männer“.
Werke
- Luther (1915)
- Studien zur Spätscholastik (1921) (PDF-Datei)
- Stein. Eine politische Biographie (1931)
- Die Heidelberger Universität I (1936)
- Friedrich der Große (1936)
- Machtstaat und Utopie (1940)
- Die Weltwirkung der Reformation (1941)
- Die Dämonie der Macht (1947, 5. umgearbeitete Auflage des Buches Machtstatt und Utopie)
- Vom sittlichen Problem der Macht (1948, 2. Aufl. 1961)
- Die Neugestaltung Deutschlands und Europas im 16. Jahrhundert (1950)
- Carl Friedrich Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung (1954; 3. Aufl. 1956)
- Lebendige Vergangenheit (1958)
- Staatskunst und Kriegshandwerk. Das Problem des "Militarismus" in Deutschland. 4 Bände (1954-1968)
Verweise
Fußnoten
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- Gestorben 1967