Goerdeler, Carl-Friedrich
Carl Friedrich Goerdeler ( 31. Juli 1884 in Schneidemühl, Provinz Posen; 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee) war ein deutscher Jurist, nationalkonservativer Politiker, Oberbürgermeister von Leipzig (1930–1937) und Hoch- und Landesverräter. Nach dem gescheiterten Putschversuch vom 20. Juli 1944 verurteilte ihn der Volksgerichtshof zum Tode und ließ ihn hinrichten.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Goerdeler stammte aus einer Familie preußischer Beamter. Sein Vater war Amtsrichter. Er studierte wie seine drei Brüder Rechtswissenschaft (1902 bis 1905 in Tübingen und Königsberg). Während seines Studiums wurde er Mitglied der Turnerschaft Eberhardina Tübingen (heute: Alte Turnerschaft Eberhardina-Markomannia).
1910 heiratete er Anneliese Ullrich, mit der er zwei Töchter und drei Söhne hatte.
Nach Tätigkeit in der Kommunalverwaltung Solingens und Kriegsdienst als Offizier im Ersten Weltkrieg war er als Politiker tätig. Er trat 1920 der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) bei, der er bis 1931 angehörte.
Er war von 1920 bis 1930 Zweiter Bürgermeister in Königsberg und seit dem 23. Mai 1930 Oberbürgermeister von Leipzig. Im Zentrum seines Interesses standen Fragen der Wirtschaftspolitik. 1931/32 unter Heinrich Brüning sowie 1934/35 war er Reichskommissar für die Preisüberwachung in der Wirtschaftsverwaltung. Wegen seiner Ablehnung der Wirtschafts- und Finanzpolitik, genauer der Geldschöpfung Hjalmar Schachts, sowie der angestrebten wirtschaftlichen Autarkie wurde er von Adolf Hitler als Reichspreiskommissar entlassen.
„X“-Dokumente
1938/39 kontaktierte ihn über Robert Bosch der Diplomat Robert Vansittart. Goerdeler traf daraufhin fünf Mal teils mehrtägig den britischen Manager Arthur Primrose Young. Die Gesprächsprotokolle ergaben die sogenannten „X“-Dokumente, die das Foreign and Commonwealth Office sowie über Owen D. Young US-Präsident Franklin D. Roosevelt erreichten. Im wesentlichen forderte er darin eine unversöhnliche Haltung der Westmächte gegenüber Hitler und eine Abkehr von der Appeasement-Politik, um durch innere Unruhen und einen eventuellen Putsch der Generäle dessen Ablösung zu erreichen. Er stellte das Deutsche Reich als bankrott dar, entwickelte ein außenpolitisches Programm und sorgte auf Reisen nach England, Frankreich, Italien, den Balkan und in die USA, die von Robert Bosch und Gustav Krupp von Bohlen und Halbach protegiert wurden, selbst für die Verbreitung seiner Ideen. Nach D. Bavendamm beeinflußte seine Darstellung Hitlers als „verrückt“ und als „Gangster“ 1938/39 die Vorstellungen der britischen und amerikanischen Regierung wesentlich.
Englische Kriegshetze
Um Friedensangebote Adolf Hitlers, die dieser auf dem Gipfelpunkt seiner Erfolge im Kriege über Mittelsmänner an die Britische Regierung gerichtet hatte, abzublocken, schrieb Robert Gilbert Vansittart an Lord Halifax, den Außenminister, folgenden Brief:
- „An den Minister. DRINGEND.
- Ich hoffe, Sie haben Mr. Mallet dahingehend instruiert, daß er auf keinen Fall Dr. Weißauer treffen darf. [...] Der Feind ist das Deutsche Reich und nicht etwa der Nazismus, und diejenigen, die das bislang noch nicht begriffen haben, haben überhaupt nichts begriffen, und sie würden uns in einen sechsten Krieg hineinziehen, selbst wenn wir den fünften überleben werden. Alle Möglichkeiten für einen Kompromiß sind passé, und es wird jetzt einen Kampf bis zum Ende geben, und zwar bis zum bitteren Ende.
- Ich vertraue darauf, daß Mr. Mallet äußerst kategorische Instruktionen erhalten wird. Wir haben mehr als genug von Leuten wie Dahlerus, Goerdeler, Weißauer und Konsorten."
Opposition im Krieg
Im Zusammenwirken mit dem früheren Generalstabschef des Heeres Ludwig Beck entwickelte Goerdeler – ausgehend von der bereits seit 1863 in Berlin bestehenden Mittwochsgesellschaft, einem Kreis nationaler und konservativer Politiker – in den folgenden Jahren den Kern einer Oppositionsgruppe gegen die deutsche Regierung. Zu diesem Kreis stießen nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges auch Sozialdemokraten wie Wilhelm Leuschner und Gewerkschafter wie Jakob Kaiser.
Ziel der Opposition war für den Kreis um Goerdeler der Sturz Adolf Hitlers, um den Krieg zu beenden. Dabei lehnte Goerdeler persönlich die Ermordung Hitlers ab und plädierte für dessen Verhaftung und einen anschließenden rechtsstaatlichen Prozeß. Die Gruppe sah für die Zeit nach dem Umsturz Goerdeler als Reichskanzler vor. In dieser Eigenschaft erarbeitete er umfangreiche Pläne zu einer Verfassung und Ministerlisten, die vielen Mitverschwörern später zum Verhängnis wurden.
Seine Verfassungspläne können als konservativ, wirtschaftsliberal und antikommunistisch bezeichnet werden. Von den jüngeren Angehörigen des Kreisauer Kreises und dem sozialistischen Opposition wurden sie deshalb abgelehnt. Mit dem von ihm propagierten Judenstaat in Kanada machte er sich Gedanken über eine Dauerlösung für die europäischen Juden nach einem Friedensschluß mit den Alliierten.
Bereits mehrere Tage vor dem Mordattentat am 20. Juli 1944 wurde gegen Goerdeler ein Haftbefehl erlassen. Davon durch Mitverschwörer in Kenntnis gesetzt, floh er in seine westpreußische Heimat. Dort wurde er in einem Wirtshaus von der Buchhalterin Helene Schwärzel erkannt, angezeigt und am 12. August 1944 verhaftet. Nach seiner Verhaftung erklärte er, daß das Attentat ihm bewiesen habe, daß Hitler tatsächlich ein Mann sei, der von der Vorsehung geschützt sei.
Der Volksgerichtshof verurteilte Goerdeler wegen Verrats am Volke am 8. September 1944 zum Tode. In der Hoffnung, von ihm die Namen weiterer Verschwörer ermitteln zu können und weil er selbst sich dem Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, als Helfer für angebliche Friedensvermittlungsgespräche angedient hatte, wurde seine Hinrichtung immer wieder verschoben. Schließlich wurde er am 2. Februar 1945 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Goerdeler-Verherrlichung in der BRD
Obwohl die Putschisten vom 20. Juli mehr oder weniger eigennützige und gleichzeitig unklare Ziele verfolgten, wurden sie in der Nachkriegszeit, gerade auch von großen Teilen konservativer Kreise, zu Ikonen des „heldenhaften Widerstandes gegen die Nazibarbarei“ aufgebaut. Diese verlogene Legende machte aus Verrätern im Kriege (übrigens vom damaligen deutschen Volke in seiner überwiegenden Mehrheit auch als solche betrachtet) nunmehr Helden der BRD, welche nur von den ganz linken Kreisen weiterhin abgelehnt wurden, da der damalige Verschwörerkreis, wenn auch diffus, durchaus national eingestellt war. Im Zuge dieser bewußt betriebenen Legendenbildung folgten auch viele Umbenennungen öffentlicher Gebäude und Einrichtungen nach den Namen der am Putsch des 20. Juli beteiligten Verräter; so auch nach Carl-Friedrich Goerdeler. Beispiele:
- Goerdelerring als Teil des Leipziger Stadtringes
- Goerdeler-Denkmal vor der Südwest-Ecke des Neuen Rathauses Leipzig
- Goerdelerstraße in Solingen aufgrund seiner erfolgreichen Tätigkeit als Kommunalbeamter
- Goerdelerdamm in Berlin seit dem 2. November 1953; ein Teilstück der A100. Es verläuft unmittelbar südlich der Haftanstalt Plötzensee, dem Ort, an dem Goerdeler 1945 hingerichtet wurde.
- Carl-Goerdeler-Ring in Gifhorn, wo Max Habermann von der Gestapo in das Gerichtsgefängnis untergebracht wurde
- Goerdelerhof in Bochum; Stadtteil Altenbochum, wo eine zusammenhängende Gruppe von Straßen nach NS-Oppositionellen
- Goerdelerstraße im Stadtteil Lechenich in Erftstadt; das Patria-Gebiet. Dort wurden die Straßen vor allem nach Oppositionellen benannt.
- Goerdelerstraße in Aachen, Bonn, Böblingen, in Münster im Stadtteil Aaseestadt, in Unterhaching, in Fulda, in Erlangen; in der Kleinstadt Werne, bei Lünen ein Gebiet mit Straßennamen die nach diversen Oppositionellen benannt sind; Wohngebiet Eschberg in Saarbrücken, in Paderborn mit Goerdeler Gymnasium außerdem gibt es in Stuttgart und in Korntal-Münchingen eine Goerderlerstraße
- im Mönchengladbacher Stadtteil Wickrath eine Dr. Carl-Goerdeler-Straße
- Carl-Goerdeler-Straße in Frankfurt am Main / Stadtteil Dornbusch, Hamm / Stadtteil Bockum-Hövel; in Bremen im Stadtteil Vahr; in Leverkusen, Stadtteil Alkenrath; seit den sechziger Jahren im Stadtteil Garath in Düsseldorf; im Saarland, in der Stadt Merzig, gibt es im Wohngebiet Gipsberg
- in Ludwigshafen einen Goerdeler-Platz
- Goerdelerweg in Darmstadt, Göttingen und in Esslingen am Neckar
- in Paderborn das Goerdeler Gymnasium an der Goerdelerstraße
- Karl-Goerdeler-Straße (tatsächlich mit K), in Duisburg gibt es im Stadtteil Duissern eine Grünfläche, die Goerdeler-Park genannt wird.
Sein Sohn Reinhard Goerdeler war viele Jahre Vorstandsvorsitzender der Deutschen Treuhand-Gesellschaft und der KPMG.
Seit dem Jahr 1999 wird der Carl Goerdeler Preis für Kommunalwissenschaft, kurz Carl-Goerdeler-Preis, verliehen. Die Prämie wird jährlich in Verbindung mit der Carl- und Anneliese-Goerdeler-Stiftung vergeben.
Siehe auch
Literatur
- Hans Meiser:
- Verratene Verräter: Die Schuld des „Widerstandes“ an Ausbruch und Ausgang des Zweiten Weltkrieges, Druffel-Verlag, Stegen am Ammersee, 2. Aufl. 2008, ISBN 9783806111798
- Zu Landes- und Hochverrat, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Bd. 3, Grabert Verlag, Tübingen, 3. Aufl. 2010, S. 449–458
- Rolf Kosiek:
- Legenden zum Attentat vom 20. Juli 1944, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Bd. 3, Grabert Verlag, Tübingen, 3. Aufl. 2010, S. 467–472
- Weitere Legenden zum 20. Juli 1944, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Bd. 3, Grabert Verlag, Tübingen, 3. Aufl. 2010, S. 473–479
- Hans Paar: Dilettanten gegen Hitler – Offiziere im Widerstand. Ihre Worte, ihre Taten, Verlag K.W. Schütz, Preußisch Oldendorf, 1985, ISBN 9783877251126
- Friedrich Lenz: Der ekle Wurm der deutschen Zwietracht – Politische Probleme rund um den 20. Juli 1944 (Klappentext, HTML-Version, PDF-Datei)
- Dirk Bavendamm: Roosevelts Weg zum Krieg. Herbig, München 1983, S. 378 ff.
- Heinz Roth: Widerstand im Dritten Reich, 1976
Verweise
Filmbeiträge
- Geboren 1884
- Gestorben 1945
- Deutscher Verräter
- Deutscher Politiker
- Deutscher Offizier
- Deutscher Verwaltungsjurist
- Deutscher Attentäter
- Bürgermeister (Sachsen)
- Attentat vom 20. Juli 1944
- DNVP-Mitglied
- Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Träger des Eisernen Kreuzes 1. Klasse
- Person im Zweiten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Hingerichtete Person