Ratibor. Fahrt durch den Entenschnabel

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Ratibor. Fahrt durch den „Entenschnabel“ ist ein Bericht aus den Mitteilungen des Vereins der Geographen an der Universität Leipzig (1937) über eine Exkursion im Ratiborer Land, das durch das Versailler Diktat derart zerstückelt wurde, daß lediglich ein schmaler Streifen, der sogenannte „Entenschnabel“, beim Reich verblieb. Der Bericht zeigt die kurzsichtige Torheit der Aufteilung deutschen Landes durch Polen und der Tschechoslowakei auf, durch die hoher kultureller, wirtschaftlicher, völkischer und finanzieller Schaden entstand.

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Über die Vergewaltigung des Deutschtums im Kreise Ratibor durch das Versailler Diktat und die beinahe vollständige Zerstörung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Lebens erhielten wir am Anfang der Fahrt einen Überblick durch den Vortrag von Herrn Stadtrat Kammer.

Der Oberschlesier des großen Industriedreieckes Gleiwitz-Hindenburg-Beuthen nennt die Wegnahme des oberschlesischen Gebietes mit Recht einen Raub, denn es ist entgegen den klaren Ergebnissen der Abstimmung im Herzen des Industriegebietes dem Reiche entrissen worden. Genau wie hier ein allein durch die überlegene deutsche Führung, durch deutsches Kapital, durch deutschen Geist und Tatkraft organisch gewachsenes blühendes Wirtschaftsgebiet durch den zerstörenden Haß Frankreichs gegen das Deutsche Reich auseinandergerissen und die Deutschen um die Früchte ihrer großen Anstrengungen gebracht wurden, so geschah es auch im Kreise Ratibor.

Ratibor ist eine der ältesten Städte Schlesiens. Sie wird schon 1108 als von Polen und Tschechen umkämpfter befestigter Platz genannt, und erhält bereits 1207 deutsches Stadtrecht, während alle übrigen schlesischen Städte erst um 1250 entstanden. Bis zum Weltkriege nahm es eine glückliche Entwicklung. Seine Bevölkerung wuchs von etwa 5.000 Menschen z. Zt. der Befreiungskriege auf fast 40.000 im Jahre 1914 und hat heute durch Eingemeindungen und Flüchtlingszustrom etwa 56.000 erreicht. Das Aufblühen der Stadt ist durch ihre Lage im fruchtbaren Lößgebiet und vor allem durch die Erschließung des Rybniker Kohlengebietes bedingt. Ratibor wurde so zum Umschlagplatz des im Hultschiner Ländchen ausgebauten Getreides und Gemüses und des im Landwirtschaftsgebiet bestehenden Kohlebedarfs, den das Rybniker Revier deckte. Die Möglichkeit leichter Brennstoffversorgung aus dem sehr nahen Rybniker Grubenbetrieb rief zugleich in der Stadt Ratibor eine Fertigwarenindustrie hervor, die einmal die im Lößgebiet hervorgebrachten Rohstoffe, besonders die Zuckerrüben und den Tabak, verarbeitete, zugleich aber auch sowohl das Rybniker Industriegebiet, wie das Hultschiner Ländchen mit ihren Erzeugnissen versorgte. In geschickter Weise hatte sich diese Industrie sowohl an die vorhandenen Rohstoffe, wie an die Bedürfnisse der Bevölkerung angepaßt. Rohstoff, Verarbeitung und Absatz bestanden sich so in einer glücklichen Harmonie, denn die auf dem Lößboden angebauten Zuckerrüben konnten, zu Zucker verarbeitet, den Bedarf der näheren Umgebung decken und bildeten zugleich die Grundlage zur Erzeugung der großen und billigen Massen an Zuckerzeug und Schokolade, die von der zahlreichen Bevölkerung des Rybniker Industriegebietes verzehrt wurden. Auch die Tabakindustrie baute sich auf dem im Bezirk vorhandenen Rohmaterial und dem für diese sehr wohlfeile Ware aufnahmefähigen, nahen Industriegebiet auf, kaufte aber die billigsten Tabake des ganzen Reiches zusammen, um den Bedarf an billigen Zigarren befriedigen zu können.

Auch Eisenwaren aller Art wurden für die Landwirtschaft, für das Rybniker Revier und vor allem für die Eisenbahn hergestellt. Eine große Reparaturwerkstatt der Reichsbahn befand sich hier, die aber nach der gewaltsamen Teilung Oberschlesiens viel zu abgesperrt lag und auch überflüssig war, so daß sie 1927 geschlossen werden mußte und die Stadt mit Erwerbslosen belastete. Aber die noch heute bestehenden Firmen Gans u. Co. und Hegenscheid lieferten nicht nur an die deutsche Reichsbahn, sondern deckten auch den Bedarf des angrenzenden österreichischen Gebietes an Eisenbahnmaterial, was heute ebenfalls vollkommen weggefallen ist. Auf Grund der nahen Kohle entwickelte sich eine starke chemische Industrie, die auch heute allein noch eine gewisse Blüte aufweist. Ratibor war eine blühende Stadt, und unaufhaltsam wuchs es und überflügelte Oppeln. Seine Einwohnerzahl hat es seit 1900 mehr als verdoppelt (auf 52.000 Einwohner). Diese von den Deutschen geschaffene und getragene Wirtschaftsharmonie ist zerstört. Fast noch schwerer als das große oberschlesische Industriegebiet wurde der Kreis Ratibor betroffen. Ratibor, das sowohl auf die ertragreiche Landwirtschaft des Hultschiner Ländchens wie auf die Kohlen und die Bevölkerung des Rybniker Gebietes angewiesen war, verlor beide Gebiete und behielt, wenn man das Bild des Entenschnabels richtig ausdeutet, nur den Kopf, verlor aber Herz und Magen sowie den größten Teil seiner sonstigen Gestalt, wodurch die Unterhöhlung seiner Lebensfähigkeit offenbar ist.

Mochten die Deutschen noch so großes geleistet haben, mochten die Einwohner, die den Segen deutscher Kultur erlebt und voll Stolz in sich aufgenommen hatten, ihre Zugehörigkeit zum Reich fordern und durch Stimmabgabe erhärten, die reiche Beute an Ackerland und Kohle lockte unsere Feinde stärker als der Ruhm der Gerechtigkeit. Ohne jede Befragung des Volkes, ja im Widerspruch zu seinem heftigen Aufbegehren rissen die Tschechen im November 1918 das Hultschiner Ländchen mit außerordentlicher Schnelligkeit an sich. Trotz der drohenden Zerstörung ihrer Existenz bekannten sich von den 49.000 Hultschinern in einer von Dr. Weigel veranstalteten freiwilligen Abstimmung 93,7 v. H. zum Deutschen Reiche. Auch im offiziellen Abstimmungsgebiet des Kreises Rybnik stimmten die Städte mit rund 60 v. H. für das Reich. Trotzdem ging auch der Kreis Rybnik mit 34.000 Einwohnern und 7 Kohlengruben verloren. Damit sank auch die Steuerkraft des Kreises Ratibor gewaltig und zwar um 3/5. Selbst Ratibors Stadtgut Hohenbirken fiel an Polen. Weder Gutachten bedeutender ausländischer Juristen, noch die Abstimmungskommission halfen. Zugleich verlor die Stadt ihr bestes Erholungsgelände, so daß sie gezwungen wurde, mit großen finanziellen Opfern neues zu erwerben. Durch den Raub des Rybniker Gebietes verlor die Stadt auch ihr direk an der Emmagrube errichtetes Elektrizitätswerk, und durch die Errichtung eines neuen wird der Haushalt jährlich mit 90.000 RM belastet.

Kennzeichnend für den Wilsons Forderungen gänzlich entgegengsetzten Geist unserer Gegner ist es, daß der von der Stadt errichtete Bismarckturm zu Polen geschlagen wurde. Obwohl er auf Boden stand, der auch nach der Grenzziehung Privatbesitz der Stadt blieb, brachten die Polen an ihm eine Plakette Boleslaus Chrobis an, als Zeichen ihres Sieges über die Deutschen. Da die Stadt wegen dieses Vorfalles einen Prozeß anstrengte, sprengten die Polen den Turm eines Tages kurzerhand in die Luft.

Jedenfalls verlor Ratibor sowohl die Rohstoffquellen wie seine Absatzgebiete. Seine Verkehrsferne im südöstlichen Zipfel des Deutschen Reiches machte es ganz unmöglich, für beides Ersatz zu schaffen. Der Gemüseanbau verlor z. B. 50 v. H. seines Absatzgebietes, da sehr viel in das ostoberschlesische Industriegebiet von Königshütte und Kattowitz mit seinen riesigen Menschenballungen geliefert wurde. Von den verbliebenen 50 v. H. wird aber die Hälfte infolge eines Abkommens in polnische Städte geliefert.

Die Tabakindustrie, die im Hultschiner Ländchen einen Teil ihrer Rohstoffbasis und in Oberschlesien 30 - 40 v. H. ihres Absatzgebietes einbüßte, beschäftigt gegenüber den früheren 5.000 Arbeitern nur noch 500. Erst wenige Tage vor unserem Besuche hatte eine Firma, die vor dem Kriege 2.000 Arbeiter beschäftigte, Konkurs gemacht.

Die Eisenbahnindustrie kann nur noch 800 Arbeiter gegenüber 2.300 vor dem Kriege beschäftigen, zumal 1927 die Reichsbahnwerkstätte geschlossen werden mußte, wodurch allein der Stadt ein Ausfall von 140.000 RM für Strom und Steuern entstand. Die auf die polnisch gewordenen Kreise Rybnik und Pleß eingestellte Süßwarenindustrie ist überhaupt ganz eingegangen.

Die weitere Folge für die Menschen selbst war die furchtbare Geißel der Arbeitslosigkeit, die im Gegensatz zu der im Reiche eine strukturelle ist, wofür zeugt, daß schon 1927, einem Jahre höchster deutscher Konjunktur, infolge der aller Vernunft hohnsprechenden Grenzziehung 3.500 Arbeitslose in Ratibor waren. 1934 betrug ihre Zahl sogar 4.078. Trotz der eifrig betriebenen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen hatte die Stadt 2.866 Wohlfahrtserwerbslose. Die Folge dieses katastrophalen Zustandes war ein Fehlbetrag von 2.000.000 RM im Stadthaushalt, der nur durch Staatshilfe und höchste Steuersätze ausgeglichen werden kann. Ratibor erhob die höchsten Steuersätze in Preußen, nämlich 3.000 v. H. Gewerbesteuer vom Kapital, 750 v. H. vom Ertrag und 500 v. H. Zuschlag zur Grundsteuer. Ein Drittel der Gewerbesteuer wird allerdings durch die Osthilfe beigesteuert. Aber auch Tschechen und Polen haben keinen wirklichen Gewinn gehabt, denn die von ihnen abgerissenen Gebiete leiden ebenfalls bittere Not.

Ein besonders empfindlicher Verlust für Ratibor ist die Abtretung der vor dem Kriege für Siedlungen angekauften Landflächen und des Erholungsgeländes. Der Ankauf neuer Flächen erforderte hohen Kapitalaufwand. Die Schaffung neuer Erholungsflächen war für die Gesundheit der Stadtbevölkerung besonders wichtig, weil die Stadt sehr feucht ist und unter dem Rauch der Fabriken leidet, der infolge der vorherrschenden Windrichtung im Odertal festgehalten wird.

So hat sich Ratibor erfolgreich bemüht, den hygienischen Hochstand, der für deutsche Städte charakteristisch ist, zu wahren. Überhaupt ist sich die Stadt ihrer kulturellen Vorpostenstellung bewußt und bemüht sich, der Notlage zum Trotz alle kulturellen Einrichtungen aufrecht zu erhalten und weiter auszubauen. Rein äußerlich suchte sie ihre Machtstellung durch Eingemeindung von 8.000 Menschen eindrucksvoller zu gestalten. Leider bringen diese nur die Hälfte der durch sie entstandenen finanziellen Belastung auf.

Aber auch innerlich als Kulturfaktor bietet die Stadt alles auf, was sie als solchen erhalten kann. Besonders wichtig sind dazu die Schulen. Leider gab es 1914 noch immer Klassen mit mehr als 60 Kindern. Diesen Übelstand kann man aber nicht so schnell abstellen, weil viele Flüchtlinge aufgenommen werden mußten. Zwar ist ihretwegen schon eine neue Schule gebaut worden, die aber noch nicht ausreicht. Außerdem wurden Kindergärten eingerichtet, um die Kinder in das Hochdeutsche direkt hineinwachsen zu lassen und ihnen das Kauderwelch abzugewöhnen. Auch das Theater ist erhalten worden.

Trotz dem Bewußtsein der Schwierigkeit ihrer Lage ist die Stadt weit entfernt davon, zu verzagen. Mit größter Entschlossenheit, gestärkt von der neuen Regierung durch verständnisvolle Förderung ihrer Angelegenheiten, geht Ratibor an den wirtschaftlichen Neubau. Die Verlegung der Oder aus dem Stadtgebiet ist bereits in Angriff genommen, weil ihre vielen Schlingen eine ungesunde Atmosphäre schufen und die Hochwassergefahr erhöhten, so daß 46 v. H. aller Grundstücke bisher hochwassergefährdet waren. Nach Vollendung der Arbeiten werden es nur noch 14 v. H. sein. Außerdem wird neues Land für Siedlungen und Gemüseanbau gewonnen. Von noch höherer Bedeutung aber ist, daß die bisher nur auf den Karten von Ratibor ab als schiffbar bezeichnete Oder dann für 800 - 1.000 t-Kähne in Wirklichkeit schiffbar sein wird. Dann hofft man, wie überall in Schlesien, aus der unerträglichen Verkehrsferne herauszukommen. Ein weiterer heißer, aber infolge der ungünstigen machtpolitischen Verhältnisse vorläufig unerfüllbarer Wunsch der Ratiborer ist der Bau des Oder-Donau-Kanals, der ihnen und dem Deutschen Reiche überhaupt den europäischen Südosten erschließen würde.

Im Gegensatz zu diesen eben erst in Angriff genommenen oder gar nur gewünschten Arbeiten sind mit Hilfe des Reinhardt-Programms bereits mehrere große Bauten begonnen worden. Am bedeutsamsten ist der fast vollendete Bau des 1.200 cbm fassenden neuen Wasserturmes. Mit Staatshilfe wird auch die Kanalisation erweitert und zur Entfernung der Kohlensäure aus dem Trinkwasser das Wasserwerk mit einer Entsäuerungsanlage ausgestattet. Zur Erhöhung der Rentabilität des Gaswerkes wird eine Anlage zur Herstellung von Benzol als Nebenprodukt angebaut.


Der „E n t e n s c h n a b e l“ beginnt bei Ratibor und hat eine Länge von über 20 km. Die schmalste Stelle bei Roschkau ist nur 1,75 km breit. Dieses groteske Gebilde ist durch zwei Eingriffe entstanden: 1. durch Raub des Hultschiner Ländchens im November 1918, 2. durch die seit dem Mai 1919 akute oberschlesische Frage. In dieser Zeit wollte Frankreich ganz Oberschlesien Polen zuspielen. Während der Abstimmung entschwand der schmale Entenschnabel ganz aus dem Gedächtnis der Entente, da eine betrügerische Propaganda den führenden Diplomaten das Märchen von einer rein polnischen Bevölkerung in ganz Oberschlesien beigebracht hatte. Man war daher sehr erstaunt, als die Abstimmung zu Deutschlands Gunsten ausfiel, so daß zumindest eine Teilung zugestanden werden mußte. So blieb der rein deutsch gesinnte Streifen längs der Oder als „Entenschnabel“ dem Reich erhalten.

Während dieser ganzen Zeit war Ratibor von Italienern besetzt, die meist objektiv, ja deutschfreundlich waren. Trotzdem war es Graf Sforza, der, von der Gattin eines polnischen Diplomaten umgarnt, die verhängnisvolle Grenzlinie vorschlug.

So recht sinnfällig wurde diese, aller Vernunft und Gerechtigkeit widersprechende Grenzziehung durch die Autobusfahrt in den Entenschnabel hinein. Sie führte über die Dörfer Sudoll und Benkowitz zur Zinna, die überquert wurde. Diese könnte eine natürliche Grenze bilden, die aber weder der Reichweite deutscher Kulturarbeit noch der Gesinnung der jenseits wohnenden Bevölkerung entsprechen würde. Die Weiterfahrt führte nach Tworkau, von wo aus die neue 6,9 km lange Straße über Boleslau - Borutin - Kranowitz gebaut werden mußte, da die frühere große Querverbindung Kranowitz - Kuchelna - Pyschcz - Kreuzenort durch den Raub des Hultschiner Ländchens abgeschnitten wurde. Ein schöner Blick auf die mächtigen runden Gipfel der Westbeskiden lenkte einige Augenblicke ab von der Empörung über die uns Deutschen widerfahrene Vergewaltigung.

Auf dem fruchtbaren Lößboden, der nicht nur das Hultschiner Ländchen, sondern auch das Gebiet des Entenschnabels bedeckt, konnten wir alle Gewächse von der anspruchslosen Kartoffel über den Hafer, Roggen, Mohn, Kraut bis zum Weizen und der nicht an allzuvielen Stellen des Deutschen Reiches gedeihenden Zuckerrübe beobachten. Die riesige Ausdehnung mancher Felder zeigte zugleich an, daß hier auch Großgrundbesitz vorhanden ist. Die links zur Fahrtrichtung sichtbaren Höhen lagen bereits jenseits der Oder auf polnischem Gebiet. Beim Hof Dedowich mit seinen großen Viehweiden ging es links abwärts in das große katholische Dorf Kreuzenort mit dem fürstlich Lychnowskischen Park. Überall im Entenschnabel und auch noch weiter nördlich im übrigen Schlesien macht sich im Baustil der Häuser die einstige Zugehörigkeit zu Österreich bemerkbar. Selbst ganz neue Bauten weisen jenen im Dorf so häßlich wirkenden, städtisch anmutenden österreichischen Stil auf.

Von Kreuzenort aus mußte über Roschkau und Zabelkau eine erstklassige Straße gebaut werden, da die frühere große Nord-Süd-Straße Ratibor-Hohenbirken-Lubom-Großgorschütz an Polen gefallen ist. Auf dieser 6 km langen neuen Straße fuhren wir weiter in den Entenschnabel hinein. Die hier wohnende Bevölkerung ist auch rassisch rein deutsch, denn sie setzt sich aus früher eingewanderten Flamen und Thüringern zusammen. Über Roschkau-Ruderswald-Zabelkau mit einer schönen Schrotholzkirche gelangten wir zu dem hochragenden Abstimmungs- und Heldendenkmal an der Dreiländerecke bei Annaberg und in Annaberg selbst zur äußersten Spitze des Entenschnabels. Von hier führt die Straße über die Oder nach dem jetzt zur Tschechoslowakei gehörenden deutschen Ort Oderberg. Die Grenze führt an dieser Stelle in der Strommitte. Die gegenwärtige Grenze entspricht der ehemaligen deutsch-österreichischen. Durch die Regulierung der Oder greift jedoch die Grenze auf das heutige linke Ufer herüber, da sie den alten Oderschlingen folgte und stellt in ihrer Unübersichtlichkeit ebenfalls eine Torheit dar.

Von Annaberg aus wurde ein Abstecher auf die Straße nach Großgorschütz und Loslau gemacht; überall stößt man in dem unglückseligen Gebilde des Entenschnabels auf hemmende Grenzen, auf Straßen oder Gleisstümpfe, die von der Grenze zerschnitten werden. Wir gelangten dabei in die Nähe der Olsamündung, wo das Deutsche Reich, Polen und die Tschechoslowakei zusammenstoßen. Hier ist die Bahnlinie Annaberg-Loslau zum Schaden beider Seiten durch die Grenzziehung abgestorben. Die hier entstehende neue Siedlung bei Neuhof legt Zeugnis ab von dem Willen des Deutschen Reiches, auch hier einen starken Wall deutscher Menschen zu schaffen.

Über Zabelkau ging es zurück nach dem Stück der tschechischen Grenze, das die zusammenhängenden Dörfer Ruderswald-Haatsch in völlig unorganischer Weise auseinanderreißt. Obwohl die Deutschen um Haatsch, Sandau und Owschütz gestritten haben, schon um die große Querstraße zu erhalten und sich den Bau der neuen Straße von Tworkau nach Dranowitz zu ersparen, ist nur Owschütz deutsch geblieben.

Der Verkehr zwischen den Dörfern Ruderswald und Haatsch ist dadurch vollkommen unterbunden worden, daß man nicht einmal einen Zollübergang schuf. Das nächste Zollhaus befindet sich erst in Racowiec. In diesem Zusammenhang beging man eine weitere Torheit. Man riß nicht nur gewaltsam auseinander, was zusammengehörte, sondern neutralisierte die Straße von Ruderswald nach Racowiec, denn man wollte den Verkehr und Austausch zwischen den beiden deutschen Gemeinden keineswegs stören. Selbstverständlich starb ein geordneter Verkehr ab - und das wünschten die Tschechen ja auch. Die Straße verfällt und bietet dem Schmuggel eine willkommene Freistatt. Sie bedeutet daher eine außerordentliche Belastung für die Zollverwaltungen beider Länder. Der Schmuggel mit Zigarettenpapier, Mehl und Petroleum aus der Tschechoslowakei blüht.

Von hier aus ging die Fahrt auf der großen Straße über Kreuzenort nach Ratibor zurück. Aus dem leichten Abenddämmer, der die Stadt schon einzuhüllen begann, ragte bereits trutzig der noch im Bau befindliche Wasserturm über die niedrigen, nur selten zwei Stock überschreitenden Häuser Ratibors empor.

Quelle: Prof. Dr. H. Rudolphi: Mitteilungen des Vereins der Geographen an der Universität Leipzig, Heft 17, 1937, S. 84–90


Verweise