Reclam-Verlag jun.

Aus Metapedia
Wechseln zu: Navigation, Suche
Firmensignet von 1940
Die Grimmaische Straße in Leipzig, mit dem „Literarischen Museum“ von Philipp Reclam 1828
Leipzig, Geschäftshaus des Reclam-Verlages, 1928
Gebäude des Reclam-Verlags in Ditzingen
Jugendbildnis von Anton Philipp Reclam (1828), der Gründer der Firma „Reclam-Verlag jun.“
Links: Nr. 1 von Reclams Universal-Bibliothek in ihrer ersten Gestalt. Mitte: Der von Prof. F.H. Ehmcke entworfener Umschlag, mit dem die Nummern seit 1917 ausgestattet wurden. Rechts: Das seit 1936 kartonierte Umschlag
In der deutschen Nationalbibliothek in Leipzig ist diese Tragbare Feldbücherei aus dem Jahr 1915 zu sehen – komplett mit 100 Klassikern der Literatur.
Leinen- und Halblederbände des Quellenwerkes „Deutsche Literatur“. Sammlung literarischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Entwicklungsreihen

Der Reclam-Verlag ist ein deutscher Verlag mit Sitz in Leipzig.

Geschichte

Aus bescheidenen Anfängen entwickelte sich das Welthaus Philipp Reclam jun. Sein Gründer war Anton Philipp Reclam, der am 28.. Juni 1807 in Leipzig geboren wurde, wo sein Vater eine Buchhandlung betrieb. Die Mutter war eine Tochter des berühmten Verlegers Campe in Braunschweig. Die Ahnen der Reclam lassen sich im 15. Jahrhundert in Südfrankreich feststellen und später als Anhänger Calvins in Genf nachweisen. Die Leipziger Familie Reclam entstammt einer Linie, die von der Schweiz nach Irland und von dort nach Bremen auswanderte. Der Großvater des Gründers war der Berliner Goldschmied von Friedrich den Großen und stand zu diesem in vertrautem Verhältnis.

Als sechsjähriger Knabe, erlebte Anton Philipp Reclam die Völkerschlacht in Leipzig. Er beobachtete aus der am Markt gelegenen elterlichen Wohnung die Flucht der Franzosen und den Einzug der siegreichen Verbündeten. Nach dem Besuch der Leipziger Schule kam er 1823 nach Braunschweig in die Lehre zu Friedrich Viehweg & Sohn, wo er eine gründliche Ausbildung als Buchhändler und auch als Buchdrucker erhielt. In seine Vaterstadt Leipzig zurückgekehrt, erwarb er am 1. April 1828 das „Literarische Museum“ in der Grimmaischen Straße. Mit diesem war eine Leihbibliothek verbunden, die etwa 70.000 Bände zählte und in „Homanns Hof“ in besonderen Räumen untergebracht war.

Hier in dieser Lesehalle und Leihbibliothek, im Mittelpunkt der Stadt Leipzig gelegen, entwickelte sich ein lebhafter Verkehr mit Gelehrten und Schriftstellern. Aus dem regen Gedankenaustausch in diesem Kreise wird dem jungen Reclam manche Anregungen gekommen sein, die ihm in seiner späteren Verlagstätigkeit nützlich wurde. Besonders in der Leihbibliothek mag Reclam die grundlegenden Erfahrungen darüber gesammelt haben, welch breite Schichten des Volkes dem Bildungsgut zugänglich sind, wenn es ihnen nur in der entsprechenden Form geboten wird. Seinem Doppelunternehmen gliederte Reclam am 1. Oktober 1828 einen Verlag an, den er zur Unterscheidung von der väterlichen Handlung Philipp Reclam jun. bezeichnete, ein Name, der für viele Generationen ein Begriff wurde.

Die ersten Veröffentlichung galten den Kampf gegen die Metternische Reaktion; mit dem ganzen Schwung seiner Jugend setzte sich Anton Philip für das teure Vermächtnis der Freiheitskriege ein. Wenige Jahre zielbewußter väterliche Tätigkeit genügen, um den jungen Verlag auf sichere Grundlage zu stellen. Das „Literarische Museum“ und die Leihbibliothek wurden aufgegeben, dafür eine Druckerei angekauft, die bald nur für den eigenen Verlag arbeitete.

Von Anfang an war es der Leitgedanke des der Verlagsarbeit Reclams, dem gesamten deutschen Volke das leicht verständliche Buch wissenschaftlicher Prägung zu bescheidenem, für jedermann erschwinglichen Preis zu schaffen. Werke ohne geistigen Gehalt oder Augenblicksliteratur, die weniger den Bedürfnissen als niederer Unterhaltung dienen, haben im Verlagsplan von Philipp Reclam jun. nie Aufnahme gefunden. Seine Richtung hatte der Verlag im Wandel von mehr als einem Jahrhundert, trotz aller Stürme und Strömung der Zeit, in jenen traditionellen Bahnen weiter entwickelt.

Mit Wörterbüchern verschiedene Sprachen, den Klavierauszügen der große Opern, den stereotypierten Ausgaben griechischer und lateinischer Klassiker und anderen Werken zu denkbar niedrigsten Preisen in guter Ausstattung begann der Gründer den ihm vorschwebenden Verlagsgedanken zu verwirklichen. Der Versuch eine Shakespeare– Übersetzung zu dem damals noch nicht dagewesenen bescheidenen Preis von 1,5 Talern zeitigte glänzende Erfolge und ermutigte den Verleger zu dem Plane, Einzelausgaben von Dramen in Heften zu je zwei Silbergroschen herauszugeben.

Dieser Gedanke ließ sich noch furchtbarer gestalten, als am 1. November 1867 die bis dahin gelten Schutzrechte für die über 30 Jahre (heute sind es 70 Jahre, siehe Urheberrecht) toten deutschen Klassiker entfielen und Reclam dem deutschen Volke seine großen Dichter in einwandfreiem, bis dahin unerreicht billigen Ausgaben darbieten konnte. So entstanden Reclam Klassikerausgaben, die Universal-Bibliothek wurde geboren, „der größte Verlagdgedanke neuerer Zeiten, denn die werdenden Staatsvolk in Groschenbüchern eine allumfassende Handbücherei schuf“ (Josef Nadler, Literaturgeschichte des deutschen Volkes)

In dieser eigensten Verlagsschöpfung wurde sichtbar, wie eng Reclam in seinemn ganzen Aufbau und Wirken mit der nationalen Entwicklung des Vaterlandes verbunden war, und wie furchtbar überhaupt ein solches gesundes Wechselverhältnis zwischen Staats– und Verlagspolitik sich auswirken konnte. Reclam bietet ein Beispiel, daß in der deutschen Verlagsgeschichte einzig da steht. Die politische Einigungsbestrebungen des 19. Jahrhunderts führten unter Bismarcks starker Hand zur Bildung des Norddeutschen Bundes, die das Schutzfristgesetzt von 1867 erst ermöglichte, und dieses wiederum war die Vorbereitung zur Schaffung der Universal-Bibliothek. Diese aber, kaum daß die ersten Reihen erschienen waren, wirkte ihrerseits wieder mächtig auf die Förderung und Vertiefung des deutschen Nationalgeistes zurück, indem sie das deutsche Bildungsgut in alle Stände und Schichten des Volkes lenkte. Mit Goethes Faust I. Teil auf 132 Druckseiten als erstem Bändchen trat die Universal-Bibliothek in Erscheinung. Etwa 7.500 verschiedene Nummern wurden in 70 Jahren beschert. Ihre nationale Bestimmungen betonend, war sie schon von der ersten Nummern ab in der Schrift der Deutschen, in Fraktur gedruckt worden. –

Selbst fremde Nationen hatten in Zeiten, da ihr Urteil noch nicht von politische Haß getrübt war, der Universaal-Bibliothek volle Anerkennung gezollt und aufrichtig bedauert, daß ihrem Volke nicht eine Sammlung von gleichen Werten geboten wurde. So schrieb Élisée Reclus:

„Wie oft haben wir Franzosen bedauert, daß wir nicht nichts haben, was der Universal-Bibliothek an die Seite gestellt werden kann.“

Über die Nachahmung in England schrieb Howard Wilord Bell am Reclam[1] :

„Separat sende ich Ihnen einen Prospekt über unser Unit- Library- Unternehmen, mit dem wir englische Lesern den gleichen Dienst zu leisten beabsichtigen, wie Sie ihn Ihren Landesleuten schon viele Jahre hindurch gewährt haben. Wir betrachten Sie als den Pionier auf diesem Gebiet – und es dürfte Sie daher wohl interessieren, zu erfahren, daß der Verleger der Unit- Library auch der ‚Englische Reclam‘ genannt wird.“

Welchen unendlichen Segen die Universal-Bibliothek im Ersten Weltkrieg gestiftet hatte, darüber gab ein Archiv des Verlages mit vielen hundert Feldpostbriefe von allen Fronten Aufschluß. So schrieb ein Kanonier, der in der Champagne vor Reimes lag, im Jahre 1915 an den Verlag:

„Der deutsche Soldat braucht dreierlei: gute Waffen, gute Nahrung und gute Bücher, oder kurz: Krupp, die Landwirtschaft und Reclam.“

Und der Dichter Bruno Brehm berichtete, daß ihn die Reclam– Heftchen während seiner sibirischen Gefangenschaft vor der völligen geistigen Abstumpfung bewahrt haben. Bis in die tieferen Bezirke Sibiriens hinein waren noch in den letzten Kriegsjahren im Ersten Weltkrieg die Reclam- Hefte zu kaufen, die die gefangen Feldgrauen ihr schweres Los erleichtert hatten. Das Reichsarchiv stellte in Auswertung einer umfangreichen Kriegbriefsammlung des deutschen Studentenbundes fest:

„Das Hauptkontingent an Lektüre scheint der Reclam- Verlag gestellt zu haben.“

Auch die feindliche Propaganda des Ersten Weltkrieges und sogar im Dritten Reich bedienten sich diese Popularität und streute Zersetzungsschriften im Gewandte der Universität-Bibliothek aus, um durch dieses schändliche Täuschungswerk den Unfrieden ins deutsche Volk zu tragen, wohl wissend, daß die Schriften in diesem Gewande auch Vertrauen in allen Kreisen des deutschen Volkesrechnen konnten.

1896 verstarb der Gründer nach einem Leben übervoll von Arbeit, aber auch reich belohnt von großen Erfolgen. Sein Lebenswerk setzte seinen Sohn Hans Heinrich Reclam fort und baute es aus zu staatlicher Größe. Seit 1863 war der Sohn im väterlichen Geschäft tätig. Er hatte gemeinsam mit dem Vater an der Entstehung der Universal- Bibliothek und manche anderen Unternehmungen gearbeitet.

Seine Hauptaufgabe sah er im weiteren Ausbau der Sammlung, die jede erdenkliche Förderung erhielt. Mit sicheren Blick erkannte er die Notwendigkeit der Zeit und gliederte dementsprechend seine Universal- Bibliothek noch die verschiedensten Wissensrichtung an. War die Sammlung zunächst im wesentlichen auf die Werke der Dichtung beschränkt geblieben, so erfolgte durch Hans Heinrich Reclam die Erweiterung auf die übrigen Bildung– und Wissensgebiete. Damit ward dem Wissenschaftsaufschwung und der Wissenschaftsbegeisterung jener Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts weitgehend entsprochen. Und weiter erfolgte das große Wagnis von den verlagsfreien Werken zu den noch geschützten und damit honorarpflichtigen Schriften. Der Schritt gelang trotz gegenteiliger Voraussagen der Schwarzseher. Die Verlagserzeugung in den Dienst des Volkes zu stellen, war der Gedanke, der Hans Heinrich Reclam beherrschte. So dachte schon der Vater, und so handelten auch seine Söhne. Dabei ist bei allen drei Generationen der Reclams ein feines Verständnis feststellen für wertvolle und bleibende Werke der Literatur, die dem ganzen deutschen Volke von Nutzen sind, dem deutschen Wesen entsprechen und das nationale Denken förderte. Der gewaltige Strom von Millionen guter Bücher, die aus ihren Verlagshaus in allen Teilen im Land flossen und weit über das Reiches Grenzen von fremden Nation aufgenommen wurden, bewies die richtige Erkenntnis des Gründers und seiner Nachfolger. Auch auf technischen und wirtschaftlichen Gebiet bewiesen sie einen klaren Blick.

Der stetige Ausbau von Setzerei, Druckerei und Binderei gemäß dem steigenden Forderung der Zeit ermöglichen überhaupt erst die Herstellung der Hefte zu dem minimalen Preis der Universal-Bibliothek. Gerade aus der Geschichte der Reclamchen technischen Betriebe wurde ersichtlich, von welchen Nutzen Verlag und Druckerei in einer Hand vereint für das Schrifttum sein können, wenn statt kapitalistische Betriebsformen das ideale Ziel des Volkskultur und verrückt im Auge behalten wird. Hans Heinrich Reclam verstarb 1920, seine Nachfolger wurden seine Söhne Dr. phil. Ernst und Dr. h.c. Hans Emil Reclam. Beide übernahmen die Führung in der Zeit höchster Not. War die Zeit auch gefahrvoll und schwer, die alten bewährten Grundsätze der Firma wurden mit äußerster Anspannung der Kräfte eingehalten. So konnten die Reclams als Treuhänder geistiger Güter ihres Volkes diese in eine bessere Gegenwart retten.

Der 75. Geburtstag fand dann 1942 im Zweiten Weltkrieg statt.

Während der deutschen Teilung gab es den Reclam-Verlag in Ost und West: teilenteignet in Leipzig sowie von 1947 an in Stuttgart. Später bezog man im nahen Ditzingen ein neues Verlags- und Druckereigebäude. 1992, drei Jahre nach dem Mauerfall, wurde der Leipziger Verlag reprivatisiert, aus der „Ost-UB“ die Reclam-Bibliothek Leipzig. Heute sind laut Verlag von der in ihrer Art wohl einzigartigen UB etwa 3.500 Titel lieferbar, der Gesamtabsatz liegt bei 0,6 Milliarden Exemplaren. Die „Top Ten“ seit 1948 führt demnach Schillers „Wilhelm Tell“ mit rund 5,4 Millionen Stück an.

Fußnoten

  1. Georg Merseburger (Hg.): Leipziger Jarbuch 1940, Verlag Otto Byer, Leipzig 1940